[FoME] Mediendialog Indonesien
Christoph Dietz
christoph.dietz at CAMECO.ORG
Mi Mär 5 10:37:49 CET 2008
Aus ifa-newsletter 3/2008:
Erstmals ist Südostasien Zielregion eines deutsch-islamischen
Mediendialogs. Den Auftakt macht in diesem Jahr die indonesische
Hauptstadt Jakarta. Am 4./5. März 2008 treffen sich rund 40 deutsche und
indonesische Medienvertreter und Wissenschaftler zum gegenseitigen
Austausch. Die Gespräche und Diskussionen kreisen um "Islam, Demokratie
und Medienfreiheit * Herausforderungen und Perspektiven für Indonesien
und Deutschland am Beginn des 21. Jahrhunderts".
Programm unter:
http://cms.ifa.de/tagungen/md/dialoge-2008/mediendialog-jakarta/
Eine Veranstaltung des Auswärtigen Amtes Berlin, Abteilung Kultur und
Kommunikation
Verantwortlich: Angelika Viets, Referat Bilaterale Kultur und
Medienbeziehungen Asien, Australien, Pazifik
Unterstützt vor Ort durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland,
Jakarta
Verantwortllich: Anja Wallau, Presse- und Kulturabteilung
Konzeption und Organisation
Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (ifa), Stuttgart
Verantwortlich: Barbara Kuhnert, Stellvertretende Leiterin Abteilung
Dialoge
Wissenschaftlicher Berater
Prof. Dr. Martin Löffelholz, Institut für Medien- und
Kommunikationsforschung, Technische Universität Ilmenau
Thema
"Demokratie, Islam und Modernität gehen in Indonesien Hand in Hand",
sagte der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono im vergangenen
November anlässlich der Verleihung der Demokratie-Medaille an das
indonesische Volk. Der Präsident nahm die Medaille bei der Jahrestagung
der Internationalen Vereinigung Politischer Berater in Bali entgegen.
Indonesien habe gezeigt, so die Begründung der Preisverleiher, dass
islamische Werte und Demokratie miteinander vereinbar seien. Die größte
muslimische Nation der Erde sei ein "leuchtendes Beispiel der Hoffnung".
Zu den bisherigen Trägern der Demokratie-Medaille gehören so
herausragende Persönlichkeiten wie der frühere Präsident Südafrikas
Nelson Mandela oder die burmesische Oppositionsführerin Aung San Suu
Kyi. Die Verleihung der Medaille stellt für Indonesien insofern
gleichermaßen Ehre wie Ansporn bei der Weiterentwicklung seiner jungen
Demokratie dar.
Seit dem Ende der Suharto-Ära (1998) verfolgen viele Staaten mit großem
Interesse Indonesiens Weg in eine Demokratie, in der Buddhismus,
Hinduismus, Islam, Katholizismus und Protestantismus
verfassungsrechtlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. Das ist
deshalb bemerkenswert, weil knapp 90 Prozent der 220 Millionen
Indonesier Muslime sind und der säkulare Staat immer wieder
herausgefordert wird * auch durch Anschläge terroristischer Gruppen.
Neben dem Leid, das Attentate bei unmittelbar Betroffenen auslösen,
signalisieren terroristische Aktionen Instabilität und schaden daher
politisch wie wirtschaftlich, etwa im Hinblick auf ausländische
Investitionen oder den Tourismus. Denn internationale Medien berichten
häufiger über Gewalttaten als über friedliche Debatten muslimischer
Gruppen etwa über die Frage, welche Form des Islam für ein
multiethnisches, multireligiöses und demokratisches Land wie Indonesien
angemessen sei. Wie islamische Werte und demokratische Ideale
zusammenpassen, wird sowohl in Indonesien als auch in Deutschland
intensiv erörtert. In Indonesien sehen manche bestimmte arabische Länder
als Vorbilder; daraus resultieren Forderungen wie zum Beispiel nach der
flächendeckenden Einführung der islamischen Rechtssprechung. Andere
verweisen hingegen darauf, dass die islamische Lehre im Kontext des
gesellschaftlichen Wandels zu sehen sei und der Islam in Indonesien eine
eigene moderate Form entwickelt habe * etwa im Hinblick auf den im
Alltagsleben beobachtbaren Synkretismus, also die Mischung muslimischer
mit anderen lokalen Traditionen.
Im politischen Diskurs in Deutschland spielen verschiedene Aspekte der
Beziehungen von Islam und Demokratie, die in Indonesien diskutiert
werden, ebenfalls eine wichtige Rolle. Bei den *Islamkonferenzen’ der
Bundesregierung mit Vertretern muslimischer Organisationen geht es unter
anderem um die Frage, inwieweit grundgesetzlich verankerte Werte wie das
Gewaltmonopol des Staates, die Meinungsfreiheit der Bürger oder die
Gleichberechtigung von Mann und Frau von den rund drei Millionen
Muslimen in Deutschland akzeptiert werden. Vertreter muslimischer
Gruppen merken ihrerseits an, dass die Wahrnehmung des Islam in
Deutschland verzerrt sei und große Unkenntnis über dessen religiöse
Prinzipien herrsche. Vor allem die Berichterstattung der Medien werde
der komplexen Wirklichkeit muslimischer Länder oder des Islam in
Deutschland nicht gerecht. Medien berichteten über den Islam negativer
und konfliktorientierter (z.B. über so genannte 'Zwangsverheiratungen'
oder 'Ehrenmorde') als über viele andere Themen.
Wie die Bürger eines Landes die Beziehungen von Islam und Demokratie
bewerten, hängt sicherlich nicht nur von den Medien ab. Die Relevanz des
Journalismus für eine funktionierende Demokratie darf dennoch nicht
unterschätzt werden. Mit Recht gehört die Freiheit der Medien zu den
konstitutiven Merkmalen von Demokratien. Medienfreiheit gilt dabei, wie
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, nicht nur für
Informationen, die als "vorteilhaft, genehm oder problemlos empfunden
werden, sondern auch jenen Informationen und Ideen, die beleidigen,
schockieren und stören." Angesichts der großen Bedeutung der
Medienfreiheit erstellen unabhängige Organisationen wie 'Reporter ohne
Grenzen' jährlich Übersichten, die zeigen, wie es um die Medienfreiheit
weltweit bestellt ist. Laut "World Press Freedom Ranking 2007" gehört
Deutschland zu jenen Staaten, in denen die Freiheit der Medien wenig
eingeschränkt ist (Platz 20 von 169 erfassten Ländern). Indonesien als
junge Demokratie findet sich im unteren Mittelfeld (Platz 100).
Solche Übersichten liefern selbstverständlich nur Annäherungen an die
komplexe Wirklichkeit der Medienfreiheit eines Landes. Tatsächlich wird
das Konzept der Medienfreiheit international unterschiedlich
interpretiert. Deutlich wurde das insbesondere bei der weltweiten
Debatte über jene dänische Tageszeitung, die Karikaturen mit dem Bild
des Propheten Mohammed abdruckte. Muslime vieler Länder, darunter der
indonesische Präsident, verurteilten den Abdruck als Blasphemie. Die
dänische Zeitung hingegen berief sich auf die Freiheit der Medien und
wies eine Einschränkung der Berichterstattung zurück. Diese
unterschiedlichen Perspektiven zeigen: Was Medienfreiheit konkret
bedeutet, wie diese Freiheit unter verschiedenen politischen,
ökonomischen und kulturellen Bedingungen gesichert werden kann und
welche Grenzen aus Sicht unterschiedlicher Länder zu ziehen sind, wird
sinnvollerweise in einem internationalen Rahmen diskutiert. Zu
berücksichtigen ist dabei, dass Freiheit der Medien keineswegs
'anything goes' bedeutet. Verletzungen des Persönlichkeitsrechts,
Aufrufe zum Rassenhass oder jugendgefährdende Darstellungen sind
vielerorts gesetzlich verboten. Allerdings: Ob ein journalistischer
Beitrag das Persönlichkeitsrecht verletzt oder ob mit dem Vorwurf einer
Rechtsverletzung nur eine unliebsame Berichterstattung unterdrückt
werden soll, müssen in vielen Ländern oft die Gerichte klären. Eine
Gesetzgebung, die die Freiheit der Medien ernst nimmt, und eine Justiz,
die unabhängig agieren kann, sind deshalb zentrale Voraussetzungen für
einen Journalismus, der Politik und Wirtschaft kritisch begleiten und
auf Missstände frühzeitig aufmerksam machen soll.
Verantwortungsvoller Journalismus braucht freilich mehr als ein gut
ausbalanciertes Medienrecht. Qualitätsjournalismus setzt die Beachtung
ethischer Maßstäbe, die Vermittlung professioneller Standards in der
Journalistenausbildung und * wie der so genannte
'Briefumschlag-Journalismus' (wartawan amplop) in Indonesien zeigt *
eine angemessene Bezahlung von Journalisten voraus. Am Beginn des 21.
Jahrhunderts stehen diese Voraussetzungen eines Journalismus, der seine
Verantwortung in der Demokratie wahrnehmen will, freilich unter Druck.
Die voranschreitende Ökonomisierung, politische Einflussversuche, die
Konkurrenz durch neue Formen der Informationsvermittlung im Internet und
die Professionalisierung der Public Relations fordern den Journalismus
demokratischer Gesellschaften heraus. Ausgehend von diesen Überlegungen
beschäftigt sich der deutsch-indonesische Mediendialog "Islam,
Demokratie und Medienfreiheit" mit vier Fragekomplexen:
1. Beziehungen von Islam und Demokratie: Inwieweit sind islamische
Werte und demokratische Ideale kompatibel? Welche Relevanz kommt den
unterschiedlichen Richtungen des Islam bei der Gestaltung demokratischer
Lebensverhältnisse zu? Welchen Beitrag leistet der Islam zur friedlichen
Verständigung der Völker? Wie können Deutschland und Indonesien bei der
Gestaltung der Beziehungen von Islam und Demokratie voneinander lernen?
2. Islamberichterstattung deutscher und indonesischer Medien: Wird die
Medienberichterstattung über den Islam der komplexen Wirklichkeit
muslimischer Länder am Beginn des 21. Jahrhunderts gerecht? Wie
berichten indonesische und internationale Medien über die
Religionsgruppen Indonesiens? Wie thematisieren deutsche Medien
muslimisch geprägte Länder und den Islam in Deutschland? Was sollten
Journalisten beachten, wenn sie über Muslime und den Islam schreiben?
3. Probleme der Medienfreiheit: Wie ist es um die äußere und innere
Medienfreiheit in Deutschland und Indonesien bestellt? Wie unabhängig
können Medien über kritische Themen berichten? Bedrohen am Beginn des
21. Jahrhunderts die voranschreitende Ökonomisierung, die Konkurrenz
durch das Internet, eine professionellere Public Relations und
politische Einflüsse den Journalismus demokratischer Gesellschaften?
4. Sicherung der Medienfreiheit: Wie tragen Medienrecht, Medienethik
und Journalistenausbildung zur Sicherung der Medienfreiheit bei?
Verändern sich am Beginn des 21. Jahrhunderts rechtliche und ethische
Ansprüche an journalistische Arbeit? Sichern medienrechtliche Regelungen
die Medienfreiheit * oder schränken sie diese ein? Gehen besser
qualifizierte Journalisten mit der Freiheit der Medien angemessener um?
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