[FoME] Buch IKT in Afrika des Büros für Technikfolgen-Abschätzung

Christoph Dietz christoph.dietz at CAMECO.ORG
Mo Dez 1 11:41:34 CET 2008


Christopher Coenen, Ulrich Riehm 

Entwicklung durch Vernetzung 
Informations- und Kommunikationstechnologien in Afrika 

Berlin: edition sigma 2008, Reihe: Studien des Büros für
Technikfolgen-Abschätzung, Bd. 26, ISBN 978-3-8360-8126-9, 272 Seiten,
kartoniert 22.90 Euro

Vollständige Zusammenfassung, Vorwort und Inhalt: 
http://www.itas.fzk.de/deu/lit/2008/cori08a_zusammenfassung.htm 

Auszug aus der Zusammenfassung:

Afrika ist seit den 1990er Jahren - vor allem durch die
Millenniumserklärung der Vereinten Nationen und eigene afrikanische
Reform- und Einheitsbestrebungen - auf der politischen Agenda wieder
nach oben gerückt. Der Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien zur Förderung gesellschaftlicher Entwicklung
steht hingegen weiterhin eher am Rand der internationalen
entwicklungspolitischen Diskussion: Zwar hat dieses Thema durch den
zweiteiligen Weltgipfel der Vereinten Nationen zur
Informationsgesellschaft (2003/2005) auch in Bezug auf Afrika einige
Beachtung erfahren. Bisher sind es aber außerhalb des Kontinents vor
allem eine von nichtstaatlichen Akteuren getragene
entwicklungspolitische Community, eine kleine Zahl "nördlicher" Staaten
sowie einige internationale Akteure, die sich das Thema zu eigen gemacht
haben.

Beim Blick auf aktuelle Programme und Strategien afrikanischer Staaten
und regionaler Organisationen, auf die Praxis und Bekundungen
afrikanischer zivilgesellschaftlicher Akteure sowie auf die dortige,
teilweise äußerst rasante Entwicklung von Internet und Mobiltelefonie
zeigt sich jedoch die Aktualität der Thematik. Schon allein wegen des
Interesses in Afrika selbst an einem entwicklungsförderlichen Einsatz
der Informations- und Kommunikationstechnologien wird sich die deutsche
Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit weiterhin mit diesem Thema
beschäftigen und die eigene Strategie zu klären haben.

Der vorliegende Bericht des TAB untersucht vor diesem Hintergrund
schwerpunktmäßig Realität und Potenziale der Internetnutzung in Afrika
südlich der Sahara. Drei Anwendungsfelder, die weitgehend mit den
seitens der Bundesregierung als vorrangig bezeichneten Einsatzbereichen
übereinstimmen, stehen im Mittelpunkt der Analyse:

Demokratische Entwicklung, staatliches Handeln und Zivilgesellschaft; 
Wirtschaftliche Entwicklung und Handel; 
Bildung, Forschung und Technologieentwicklung. 

Schwerpunkt der Untersuchung, die im Auftrag des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und in Abstimmung mit
dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ)
erfolgte, ist die Internetnutzung. Das Internet wird aber nicht
losgelöst von anderen herkömmlichen (z. B. Radio u. Fernsehen) und
neuen (z. B. Mobiltelefonie) Informations- und
Kommunikationstechnologien betrachtet. Die Analyse ist somit auch ein
Beitrag zur übergreifenden Diskussion über die Nutzung von Informations-
und Kommunikationstechnologien (IKT) für Entwicklung (Information and
Communication Technologies for Development, ICT4D). Für die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit (EZ) lässt sich eine mangelhafte strategische
Klärung des Stellenwertes von "ICT4D" feststellen.

Nach einer Einschätzung der aktuellen und perspektivischen Bedeutung
des Internets und anderer IKT für Entwicklung sowie der Darlegung
wesentlicher Untersuchungsergebnisse zur Ausgangslage in
Subsahara-Afrika und zu den drei schwerpunktmäßig analysierten
Anwendungsfeldern werden deshalb abschließend sowohl konkrete
Handlungsoptionen für einzelne Praxisfelder aufgezeigt als auch
allgemeine Leitlinien zur Klärung der strategischen Bedeutung von ICT4D
in der deutschen EZ zur Diskussion gestellt.

DAS INTERNET - EIN ELITEMEDIUM MIT ZUKUNFT?

Generell ist das Internet in Subsahara-Afrika - bei erheblichen
Unterschieden zwischen den verschiedenen Akteursgruppen und Staaten -
immer noch ein Elitemedium. Der subsaharische Durchschnitt lag 2005 bei
einer Nutzungsrate von ca. 3 % der Bevölkerung. Viele Staaten weisen
eine Rate von unter 1 % auf. Der Befund einer relativ geringen
Verbreitung in Subsahara-Afrika muss aber in mehrerlei Hinsicht ergänzt
bzw. relativiert werden:

Erstens gibt es in den bevölkerungsreichen Ländern Nigeria und
Südafrika Internetpopulationen von jeweils ca. 5 Mio. Personen, womit
eine Masse von Nutzern erreicht ist, bei der auch ambitionierte
internetbasierte Projekte und Strategien sinnvoll erscheinen. Das
Gleiche gilt für weniger bevölkerungsreiche Länder mit im afrikanischen
Vergleich hohen Durchdringungsraten des Netzes in der Bevölkerung. 
Zweitens sollte das Internet nicht allein unter dem Gesichtspunkt des
unmittelbaren Nutzens für bzw. der direkten Nutzung durch breite
Bevölkerungsschichten beurteilt werden. Alternative Eliten (z. B.
Nichtregierungsorganisationen, NRO), die als Multiplikatoren wirken
können, und auch staatliche und panafrikanische Funktionsträger
bedürfen bereits in hohem Maße moderner IKT für ihre interne und
externe Kommunikation. Das Gleiche gilt für international agierende
Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen und für die Kommunikation
afrikanischer Migranten ("Diaspora") in entwickelten Ländern. 
Drittens kann das Internet in verschiedenen wichtigen
Anwendungsbereichen (z. B. Good Governance, Stärkung der
Zivilgesellschaft, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Katastrophenschutz)
zusammen mit anderen IKT wie dem Mobiltelefon und Radio nützlich sein. 
Allerdings besteht immer noch ein sehr großer Bedarf für ein
systematisches Monitoring und eine umfassende Evaluation von
ICT4D-Aktivitäten. Ohne eine erhebliche Verbesserung der Wissensbasis in
diesem Bereich werden voraussichtlich auch in Zukunft viele Aktivitäten
nicht zielführend sein. Selbst innerhalb der EZ einzelner Geberländer
sind der Wissensstand zu und die Koordination von IKT-relevanten
Aktivitäten verbesserungsfähig.

Ob die Förderung der IKT-Nutzung in Entwicklungsländern politisch
angezeigt ist, muss - gemäß dem internationalen entwicklungspolitischen
Konsens - danach entschieden werden, inwieweit diese Technologien
geeignet sind, zur Überwindung von Armut sowie zur Erreichung der
anderen aus der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen (United
Nations, UN) hervorgegangenen Millenniumsentwicklungsziele (Millennium
Development Goals, MDGs) beizutragen. Auch wenn hier viele Fragezeichen
bleiben und eine stärkere sogenannte "Pro-poor"-Orientierung vielfach
angemahnt wird, können in Bereichen wie Bildung und Gesundheit
erhebliche Potenziale und auch Erfolge festgestellt werden. Darüber
hinaus kann der Einsatz von IKT sinnvoll sein, wenn es darum geht,
staatliche und nichtstaatliche Strukturen zu stärken, die für die
gesamtgesellschaftliche Entwicklung als entscheidend angesehen werden.
In Afrika sind neben Reformländern und Nichtregierungsorganisationen
(NRO) auch die New Partnership for Africa's Development (NEPAD) und die
Afrikanische Union (AU) wichtige Partner.

Das Gesamturteil zu den Chancen der Internetnutzung fällt bisher
zwiespältig aus: Zwar gibt es Beispiele dafür, dass das Internet
unmittelbar eine nützliche Rolle bei der Armutsbekämpfung und der
Erreichung von MDGs spielen kann (z. B. im Gesundheitsbereich). Oft
erscheint ein Einsatz aber noch nicht zweckmäßig, weil grundlegende
Voraussetzungen (von Lese- und Schreibfähigkeiten in der Bevölkerung
über gute Governancestrukturen bis hin zur Stromversorgung) fehlen.
Chancen der Internetnutzung bestehen gegenwärtig daher vor allem bei
Eliten im weitesten Sinn, von Lehrern über Nichtregierungsorganisationen
und Hochschulen bis hin zu nationalen und panafrikanischen politischen
Akteuren.





Mehr Informationen über die Mailingliste FoME