[FoME] Brasilianischer Umwelt-Pressdienst

Christoph Dietz christoph.dietz at CAMECO.ORG
Fr Nov 16 10:29:27 CET 2007


Neue Zürcher Zeitung, 16.11.2007
http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/gratis-umweltberichte_fuer_brasiliens_medien_1.585040.html

Gratis-Umweltberichte für Brasiliens Medien
Der Pressedienst Oeco will neue thematische Akzente setzen

Der Pressedienst Oeco bringt Umweltthemen in die brasilianische Presse,
die für solche Themen meist kein Geld aufbringen will. Ein Schweizer
Industrieller half beim Start der Agentur

Werner Catrina 

Eine Mauer umschliesst das rund um die Uhr bewachte Anwesen, das wie
viele Villen quasi in Tuchfühlung mit den Favelas an den Hängen über der
Bucht von Rio de Janeiro klebt. Wir sind mit Marcos Sa Corrêa
verabredet, dem Gründer von Oeco, einem Pressedienst, der ökologische
Themen bearbeitet und bei einem betuchten Gönner zum Freundschaftspreis
eingemietet ist. «Die brasilianischen Medien haben Umweltprobleme lange
praktisch ignoriert», erklärt der Mann mit den wachen Augen, «seit der
Ankunft der Portugiesen war man während Jahrhunderten überzeugt, dass es
angesichts der Grösse Brasiliens unmöglich sei, die Natur zu gefährden.
Es wurde ein Mythos vom rohstoffreichen, unendlichen Land geschaffen, an
den viele Menschen auch heute noch glauben, obwohl die Wälder in einem
erschreckenden Tempo schwinden.» 

Starthilfe von der Avina-Stiftung

Marcos Sa Corrêa arbeitete als Chefredaktor bei zwei grossen Zeitungen,
schrieb Reportagen und Kommentare und war eine bekannte Figur im
politischen Journalismus Brasiliens. Doch zunehmend ödeten ihn die
Skandale an, hatte er die Communiqués der Regierung satt, empfand er,
wie er erklärt, die allgegenwärtige Korruption als unerträglich. Marcos
Sa Corrêa beschloss, sich dem Ökojournalismus zuzuwenden, einem
riesigen, in Brasilien noch fast völlig unbeackerten Feld. Und hier
kommt die von Stephan Schmidheiny gegründete Stiftung Avina ins Spiel.

In den achtziger Jahren gründete der Schweizer Grossindustrielle Avina,
die Führungspersönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft und ihre Projekte
und Netzwerke in Lateinamerika unterstützt. 2003 verschenkte Schmidheiny
seine lateinamerikanische Industriegruppe GupoNueva im Wert von
umgerechnet fast 1,5 Milliarden Franken an den Viva-Trust. Die
Dividenden, im Jahr etwa 30 Millionen Dollar, werden an Avina überwiesen
und für die Unterstützung der positiven zivilen Kräfte in den Bereichen
Bildung, Naturschutz, Gesundheit und Stärkung der Stellung der Frauen
eingesetzt. Ein Freund des Journalisten und Avina-Partner hatte die
Lancierung eines Öko-Pressedienstes angeregt. Avina prüfte das von Sa
Corrêa ausgearbeitete Konzept und gewährte ihm, in mehreren Tranchen,
eine Starthilfe von 600 000 Reais, damals 170 000 Dollar. Oeco
etablierte sich rasch in der brasilianischen Presselandschaft und schuf
die Website www.oeco.org.br, wo die Medien Reportagen und Meldungen
gratis herunterladen können. Drei Dutzend fest oder frei beschäftigte
Journalisten sind gegen knappe, aber faire Bezahlung für den
Pressedienst tätig, der auch Exklusivberichte gegen Bezahlung anbietet.
Doch selbst die grossen Medien sind kaum je bereit, für Umweltreportagen
ein Honorar aufzuwenden. 

Chefredaktorin Carolina Elia, eine vor Energie und Engagement sprühende
junge Frau, wechselte vom Fernsehsender Globo News zu Oeco, wo sie in
einem dicht besetzten Redaktionsbüro das tun kann, was sie wirklich
will. Der Journalist Manoel Francisco Brito arbeitet während unseres
Besuches an einer Reportage über den Zusammenhang zwischen Fast Food und
dem Roden des Urwaldes - Sojaplantagen werden zur Rinder- und
Hähnchenmast angelegt. Das Agrobusiness bringe in Brasilien Reichtum
für wenige, oft jedoch auf Kosten der Natur und der Lebensgrundlage
vieler, sagt Brito. 

Erwachende Zivilgesellschaft

Umweltthemen sind jetzt öfters in den Medien präsent, und bei der
Agentur in Rio melden sich qualifizierte Medienleute, die ihre Jobs
gegen eine Redaktionsstelle bei Oeco tauschen wollen. Der angriffige
Pressedienst ist ein Beispiel der erwachenden Zivilgesellschaft in
Südamerika, welche den Regierungen und den Exponenten der Wirtschaft
auf die Finger schaut. 

Nach drei Jahren beendete die Avina-Stiftung gemäss ihren Grundsätzen
die für eine limitierte Zeit gewährte Starthilfe, und andere Geldgeber
sprangen ein. So die Hewlett Foundation, Unibanco und auch die
brasilianische Fluggesellschaft TAM. Für das Airline-Magazin verfassen
die Oeco-Journalisten Reiseberichte, wofür die Presseagentur Flugtickets
erhält. Man arrangiert sich bis zu einem gewissen Grad, zögert aber
nicht, die Natur gefährdende Tourismusprojekte anzuprangern.



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