[fessenheim-tn] Nachruf auf Solange Fernex
Klaus Schramm
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Mi Sep 13 20:14:54 CEST 2006
Solange Fernex starb am Montag
Solange Fernex, 1934 geboren, war neben Antoine Waechter und Brice Lalonde eine
der Mitbegründerinnen der französischen politischen Ökologiebewegung. Sie starb
am Montag auf ihrem Familienwohnsitz im oberelsässischen Biederthal.
Die aus Straßbourg stammende Biologin ging 1957 zusammen mit ihrem Mann Michel
Fernex, einem Tropenarzt, in den Senegal, später an ein Urwaldkrankenhaus nach
Tansania. Nach sechs Jahren kehrte die fünfköpfige Familie aus Afrika nach
Europa zurück. Solange brachte ihr viertes Kind auf die Welt und gründet 1965,
die Terre-des-Hommes-Sektion Oberrhein. In den 70er Jahren begann ihr Engagement
in der weltweit aufkeimenden Ökologiebewegung zunächst im Kampf für den Erhalt
der Natur in ihrer elsässischen Heimat.
Bereits 1973 war sie Assistentin von Henri Jenn, der im Wahlbezirk Mulhouse die
damalige Wahl zur Nationalversammlung nutzte, um das Thema Ökologie in die
öffentliche Diskussion zu bringen. In dieser Zeit begann die Freundschaft mit
den grünen Politikerinnen Petra Kelly und Sara Parkin.
1979 kandidierte sie als französische Spitzenkandidatin für 'Écologie Europe',
ähnlich wie in Deutschland eine Vorläuferorganistation von 'Les Verts / Die
Grünen" bei den Europawahlen. Weder Petra Kelly noch Solange Fernex ahnten
damals, daß das Spiel, Wahlkämpfe und Parlamente als Tribüne für ihre Anliegen
zu instrumentalisieren, alsbald umschlagen sollte. 1983 beteiligte sich die -
wie ihre deutsche Freundin Petra Kelly pazifistisch orientierte - Solange Fernex
an einem 40-tägigen Hungerstreik für nukleare Abrüstung in Paris. Und ähnlich
wie Kelly war sie mit kleinem Gepäck häufig weltweit unterwegs, um für Abrüstung
und die Abkehr von der Atomenergie zu kämpfen. Sie war immer eine konsequente
Gegnerin des französischen Atomprogramm und der Atomwaffentests im Pazifik.
Brice Lalonde, 1981 gemeinsamer Spitzenkandidat bei der französischen
Präsidentschaftswahl, brachte zwar bei der Fusion mit der Parti Écologiste
(zuvor Mouvement d'Écologie Politique), der Solange Fernex angehörte, seine
Partei 'Confédération Écologiste' zur Gründung der französischen 'Les Verts'
1982 mit ein, trat dieser aber wegen beginnender Machtkämpfe selbst nicht bei.
Erst 1990 gründete er in Konkurrenz eine weitere Partei: 'Génération Écologie'.
Solange Fernex kooperierte mit Greenpeace New Zealand, übersetzte verschiedene
internationale Studien und trug so zur Aufklärung der französischen Bevölkerung
über die Folgeschäden der kolonialen Nuklearpolitik bei. Fernex war langjährige
Vorsitzende des französischen Zweiges der internationalen Organisation 'Femmes
pour la Paix et la Liberté'.
1988 erzielte Antoine Waechter als Präsidentschaftskandidat von 'Les Verts' mit
3,8 Prozent einen Achtungserfolg. Bis 1988 setzte er sich innerhalb der
französischen Grünen mit einem nicht selten als autoritär kritisierten
Führungsstil durch. Im Gegensatz jedoch zu dem als "links" firmierenden
deutschen "Grünen"-Führer Joseph ("Joschka") Fischer bestimmte er einen kaum
nachvollziehbaren Kurs eines "weder links noch rechts".
1989 wurde Solange Fernex von ihrer auch in Frankreich mehr und mehr angepaßten
Partei ins Europaparlament abgeschoben und verlor in der Folge innerparteilichen
Einfluß. Häufig verhedderte sie sich in den Fußangeln der ihr immer fremd
gebliebenen Parteienpolitik.
In einem in den französischen Medien als "Putsch" bezeichneten Kurswechsel
orientierten 'Les Verts' 1994 nach dem Vorbild der deutschen "Grünen" auf eine
Zusammenarbeit mit der französischen sozialdemokratischen Partei 'Parti
Socialiste'. Antoine Waechter verließ nach dieser Niederlage die Partei und
gründete die 'Mouvement Écologiste Indépendant' (MEI), deren unangefochtener
Führer er seitdem ist. Kaum verwunderlich sind daher die kläglichen
Wahlergebnisse aller drei "grünen" französischen Parteien.
Bei den Präsidentschaftswahlen 1995 erreichte Dominique Voynet für 'Les verts'
3,3 Prozent. Nach dem Sieg der "Linken" bei den Parlamentswahlen 1997 wurde
Dominique Voynet Ministerin für Umwelt und Raumplanung (2001 durch Yves Cochet
abgelöst) unter Lionel Jospin. Sie konnte weder ökologische Ziele durchsetzen,
noch dem vom "Sozialisten" Jospin ähnlich wie in Deutschland von "Rot-Grün"
verfolgten Kurs des Sozialabbaus etwas entgegensetzen.
Solange Fernex verlegte in den letzten Jahren den Schwerpunkt ihrer Arbeit in
die Aufklärung der weithin verharmlosten Folgen der Reaktorkatastrophe von
Tschernobyl. Nach langem Leiden starb sie am Montag an Krebs.
Adriana Ascoli