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<div class=Section1>
<h1><b><font size=6 face="Times New Roman"><span style='font-size:24.0pt'>Kernbrennstoffsteuergesetz
mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig<o:p></o:p></span></font></b></h1>
<p><font size=3 face="Times New Roman"><span style='font-size:12.0pt'>Pressemitteilung
Nr. 42/2017 vom 7. Juni 2017<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=entscheidung><font size=3 face="Times New Roman"><span
style='font-size:12.0pt'>Beschluss vom 13. April 2017<br>
<a
href="http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/04/ls20170413_2bvl000613.html;jsessionid=B154B4E7DF895C432469669B9B215F24.1_cid361">2
BvL 6/13</a><o:p></o:p></span></font></p>
<p><font size=3 face="Times New Roman"><span style='font-size:12.0pt'>Außerhalb
der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung haben Bund und Länder
kein Steuererfindungsrecht. Da sich die Kernbrennstoffsteuer nicht dem Typus
der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen lässt, fehlte dem
Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des
Kernbrennstoffsteuergesetzes (KernbrStG). Dies hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und
das Kernbrennstoffsteuergesetz rückwirkend für nichtig erklärt. Die Richter
Huber und Müller haben ein gemeinsames Sondervotum zu dem Beschluss abgegeben.
Beide stimmen der Senatsmehrheit zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung
zu.<o:p></o:p></span></font></p>
<p><strong><b><font size=3 face="Times New Roman"><span style='font-size:12.0pt'>Sachverhalt:</span></font></b></strong><o:p></o:p></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>Kernbrennstoff, der zur
gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, unterlag nach
dem Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 der Besteuerung. Das
Kernbrennstoffsteuergesetz sollte Besteuerungsvorgänge erfassen, bei denen die
sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde. Bei
der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine
„Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung“. Steuerschuldner waren
die Betreiber von Kernkraftwerken. Die Steuereinnahmen aus der
Kernbrennstoffsteuer betrugen für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis
2016 insgesamt 6,285 Milliarden Euro.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>Die Klägerin des
Ausgangsverfahrens setzte im Jahr 2011 in den Reaktor eines von ihr betriebenen
Kernkraftwerks neue Brennelemente ein, löste eine sich selbsttragende
Kettenreaktion aus und führte nach entsprechender Steueranmeldung einen
Steuerbetrag in Höhe von rund 96 Millionen Euro ab. Daraufhin erhob sie Klage
gegen die Steueranmeldung. Das Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren
ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das
Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 mit dem Grundgesetz unvereinbar
ist.<strong><b><font face=Arial><span style='font-family:Arial'> </span></font></b></strong><o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><strong><b><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt;font-family:Arial'>Wesentliche
Erwägungen des Senats:</span></font></b></strong><o:p></o:p></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>Das Kernbrennstoffsteuergesetz
vom 8. Dezember 2010 ist mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit
Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und nichtig. Dem Bundesgesetzgeber
fehlte die Gesetzgebungskompetenz zu seinem Erlass.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>1. Die Finanzverfassung des
Grundgesetzes ist Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung. Sie bildet eine in
sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf Formenklarheit und
Formenbindung angelegt. Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen
Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung
für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Über ihre
Ordnungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und Begrenzungsfunktion,
die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt, die ihm gesetzten Grenzen zu
überschreiten.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>2. Art. 105 GG begründet als
spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm die Gesetzgebungskompetenzen des
Bundes und der Länder für den Bereich der Steuern. Art. 106 GG weist die
Erträge bestimmter Steuern entweder dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern
gemeinschaftlich zu. Neue Steuern sind auf ihre Kongruenz mit den aus
hergebrachter Sicht typusprägenden Merkmalen der Einzelsteuerbegriffe der Art.
105 und Art. 106 GG zu prüfen. Entsprechen sie nicht allen Typusmerkmalen einer
Einzelsteuer, sind Bedeutung und Gewicht der einzelnen Merkmale sowie der Grad
an Abweichung zu bestimmen und danach in eine Gesamtwertung einzubeziehen. Auf
dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob im Ergebnis eine Übereinstimmung mit
dem Typus anzunehmen ist. Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG
vorgegebenen Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu
„erfinden“ und bestehende Steuergesetze zu verändern.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>3. Die Zuweisung von
Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit
Art. 106 GG ist abschließend. Der einfache Gesetzgeber darf nur solche Steuern
einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und
Ländern gemeinschaftlich zugewiesen wird. Ein freies Steuererfindungsrecht
kommt weder dem Bund noch den Ländern zu.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>a) Hierfür spricht
insbesondere, dass ansonsten die Ertragshoheit für diese Steuern offen bliebe.
Das Grundgesetz enthält keine Regelungen über die Ertragshoheit für nicht in
Art. 106 GG aufgeführte Steuerarten. Um die Ertragshoheit für „frei
schwebende Steuererträge“ einer (nachträglichen) Regelung zuzuführen,
bliebe nur der Weg einer Ergänzung des Art. 106 GG im Wege des verfassungsändernden
Gesetzes. Allerdings steht es dem einfachen Gesetzgeber nicht zu, den Katalog
des Art. 105 und Art. 106 GG (mittelbar) zu erweitern, indem er den
verfassungsändernden Gesetzgeber in die Situation bringt, im Anschluss an die
einfachgesetzliche Einführung einer neuen Steuer die Verfassungslage
entsprechend anpassen und die Ertragshoheit im Nachgang regeln zu müssen.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>b) Jede Unsicherheit bei der
Zuordnung von Erträgen kann zu erheblichen Verwerfungen innerhalb der
Finanzverfassung führen, ihrer Befriedungsfunktion widersprechen und ihr Ziel,
„unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern“ zu
vermeiden, verfehlen. Die Geschlossenheit und Ordnungsfunktion der
Finanzverfassung sichert zudem das Vertrauen der Bürger darauf, nur in dem
durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden. Der Schutz
der Bürger vor einer unübersehbaren Vielzahl von Steuern ist ein originärer und
eigenständiger Zweck der Kompetenznormen der Finanzverfassung, mit dem die
Annahme eines Steuererfindungsrechts nicht in Einklang zu bringen wäre. Eines
allgemeinen Steuererfindungsrechts des Bundes bedarf es auch nicht, damit er
über ein Instrumentarium verfügt, um ein Steuererfindungsrecht der Länder
entsprechend einzuhegen, weil bereits ein solches allgemeines
Steuererfindungsrecht der Länder nicht gegeben ist. Die Begrenzungs- und
Schutzfunktion der Finanzverfassung entfaltet ihre Wirkung auch in Bezug auf
landesrechtliche Regelungen.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>4. Die Kernbrennstoffsteuer
ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne, denn sie ist ohne
individuelle Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben
worden. Sie entspricht aber nicht dem Typus der Verbrauchsteuer gemäß Art. 106
Abs. 1 Nummer 2 GG.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>a) Die Typusbegriffe der Art.
105 und 106 GG - und damit auch der Typus der Verbrauchsteuer - sind weit zu
interpretieren. Der Begriff der Verbrauchsteuer im Sinne des traditionellen
deutschen Steuerrechts umfasst zwar nicht nur Steuern auf Güter des
„letzten“ Verbrauchs, das heißt die Belastung des Verbrauchs im
privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich. Die
Verbrauchsteuern sind aber von den Unternehmensteuern abzugrenzen. Die
Trennlinie ist bei der Anknüpfung an den Gewinn der Unternehmer einerseits und
der Anknüpfung an die Einkommensverwendung der Endverbraucher andererseits zu
ziehen. Diese Unterscheidung zwischen (privater) Einkommensverwendung und
(unternehmerischer) Einkommenserzielung ist für das finanzverfassungsrechtliche
„Verteilungsgefüge“ von grundsätzlicher Bedeutung.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>b) Verbrauchsteuern sind im
Regelfall indirekte Steuern. Sie werden zwar auf der Ebene des Verteilers oder
Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben. Steuerschuldner und
Steuerträger - das heißt die (natürliche oder juristische) Person, die die
Steuerlast im wirtschaftlichen Ergebnis trägt - sind jedoch nicht
identisch. Vielmehr ist die Steuer auf eine Abwälzung auf den Endverbraucher
angelegt, mit der Folge, dass die Unternehmer als Steuerschuldner von der
Steuerlast wirtschaftlich ent- und die privaten Verbraucher als Steuerträger
wirtschaftlich belastet werden. Verbrauchsteuern sollen die in der Einkommens-
und Vermögensverwendung zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit des
Endverbrauchers abschöpfen.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>c) Der Typus einer
Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der
Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuergegenstände ist
insoweit typusbedingt eingeschränkt. Dabei kommt es nicht auf einen - im
Einzelfall nicht kontrollierbaren - tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf,
ob der Besteuerungsgegenstand zum Verbrauch bestimmt ist.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>d) Schließlich setzen
Verbrauchsteuern regelmäßig den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem
steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen
Wirtschaftsverkehr voraus, ohne aber - wie die Verkehrsteuern - im Tatbestand
beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner, zu erfassen.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>e) Der Typus der
Verbrauchsteuern umfasst danach solche Steuern, die nach ihrem Regelungskonzept
den Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs durch den privaten
Endverbraucher belasten sollen und auf Grund eines äußerlich erkennbaren
Vorgangs - regelmäßig das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen
Wirtschaftsverkehr - von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in
dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>5. Nach diesen Maßstäben ist
die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer. Die gebotene Gesamtbetrachtung
führt zu dem Ergebnis, dass sie bereits das zentrale Typusmerkmal einer
Besteuerung der privaten Einkommensverwendung nicht erfüllt und aufgrund der
Besteuerung eines reinen Produktionsmittels typusfremd ist. Die
Gesetzesmaterialien über die Einführung der Kernbrennstoffsteuer sprechen gegen
eine Zielsetzung des Gesetzgebers, für die Besteuerung an die
Einkommensverwendung der privaten Verbraucher anzuknüpfen. Er geht in der
Gesetzesbegründung nicht von einer Steigerung der Stromkosten aus, da nach
seiner Auffassung eine „Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden
zusätzlichen Kosten nur in geringem Umfang möglich sein wird“. Auch die
Annahme des Gesetzgebers, die Unternehmen würden durch die Kernbrennstoffsteuer
mit „bis zu 2,3 Milliarden Euro“ belastet werden, weist in dieselbe
Richtung. Diese Summe ist identisch mit dem damals kalkulierten
Steueraufkommen. Aus den weiteren Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts
anderes, insbesondere nicht aus dem Hinweis, die vollständige Abwälzung der
Steuerlast sei „[g]rundsätzlich […] möglich“. Dies wird durch
die eigene Feststellung des Gesetzgebers, eine Abwälzung werde im maßgeblichen
Regelfall nicht gelingen, widerlegt. Wäre eine Belastung der Verbraucher - die
einzig über den Preis für den an sie abgegebenen Strom erfolgen kann - gewollt
gewesen, hätte es zudem nahe gelegen, dafür an die mit den Kernbrennstoffen
produzierte und an die Verbraucher abgegebene Strommenge statt an das Einsetzen
der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich
selbsttragenden Kettenreaktion und damit einen Vorgang weit außerhalb der
Sphäre der Verbraucher anzuknüpfen. Im Falle der Besteuerung eines reinen
Produktionsmittels, das sich nicht im Endverbrauchsgut körperlich wiederfindet,
hat die Abgrenzung zwischen der Besteuerung der privaten Einkommensverwendung
der Endverbraucher und der Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit
entscheidende Bedeutung für den Verbrauchsteuertypus. Trotz des gebotenen
weiten Verständnisses bei der Bestimmung der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105
und 106 GG kommt demgegenüber den Gesichtspunkten, dass die Kernbrennstoffe bei
ihrem Einsatz wirtschaftlich aufgezehrt und damit im Sinne des
Verbrauchsteuerbegriffs „verbraucht“ werden und dass es nicht zum
Typus von Verbrauchsteuern gehört, allein Genussmittel zu besteuern, kein
ausreichendes Gewicht zu, um dennoch eine Verbrauchsteuer annehmen zu können.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>6. Der Verstoß des
Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG führt vorliegend zur Nichtigerklärung des Gesetzes.
Zwar kann die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung es
gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen. Die Notwendigkeit
einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung kann allerdings nur Geltung
beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushaltsplanung
verlassen durfte. Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen
finanzverfassungsrechtlichen Unsicherheiten belastete Kernbrennstoffsteuer
nicht der Fall. <o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><strong><b><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt;font-family:Arial'>Abweichende
Meinung der Richter Huber und Müller</span></font></b></strong><o:p></o:p></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>Soweit die Senatsmehrheit das
Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig hält, stimmen die Richter
Huber und Müller dem zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>1. Art. 105 GG enthält
eine Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des
Steuerrechts, wobei Art. 105 Abs. 2 GG die „übrigen
Steuern“ der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterwirft. Schon
dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass damit ausschließlich die in
Art. 106 GG aufgelisteten Steuern gemeint sind. Auch Systematik, Sinn und
Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Finanzverfassung sprechen für die
Anerkennung einer konkurrierenden Steuerfindungskompetenz des Bundes nach Art.
105 Abs. 2 GG.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>2. Art. 105 GG unterscheidet
sich in seiner Funktion grundlegend von Art. 106 GG. Während Art. 105
GG die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts zuordnet, dient
Art. 106 GG der Verteilung des gesamtstaatlichen Steueraufkommens zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden. Warum die Verteilung des Aufkommens der in
Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu einer Beschneidung der
Regelungskompetenzen des Steuergesetzgebers nach Art. 105 GG und damit zum
Ausschluss eines Steuererfindungsrechts führen soll, erschließt sich angesichts
der unterschiedlichen Regelungsgegenstände beider Vorschriften nicht.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>3. Auch der
verfassungsändernde Gesetzgeber ging erkennbar nicht davon aus, dass mit der
Neuregelung der Art. 105 und 106 GG ein abschließendes System der
Steuerverteilung geschaffen werden konnte. Angestrebt war vielmehr eine Reform,
die eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden
Finanzbedürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger ermöglichen sollte. Hinzu
kommt, dass das Zustimmungserfordernis des Bundesrates einen einseitigen und
nicht abgestimmten Zugriff des Bundes auf das Steueraufkommen ebenso verhindern
dürfte, wie einen „Wettlauf der Steuererfindungen“.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>Von Art. 105 GG gedeckt
ist ‑ soweit ihr wegen des Vorrangs der Verfassung Art. 106 GG
nicht entgegensteht ‑ auch die Zuweisung der Ertragshoheit. Dass die
Zuständigkeit des Steuergesetzgebers nicht auch die Regelung der
Ertragsverteilung beinhalten soll, ist nicht nachvollziehbar. Neben der
Regelung von Steuertatbestand, Steuerschuldner und Steuertarif ist auch die
Bestimmung des Steuergläubigers und des Ertragszuständigen ein unverzichtbarer
Bestandteil steuerrechtlicher Regelungen. Der einfache Gesetzgeber kann bei
Einführung einer neuen, nicht dem Katalog des Art. 106 GG unterfallenden Steuer
somit auch über deren Ertragszuweisung entscheiden. Zwischen Steuergesetzgebung
und Ertragszuweisung besteht ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass eine
Materie sinnvollerweise nicht ohne die andere geregelt werden kann.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>4. Verfassungsrechtliche
Vorgaben hegen den Steuergesetzgeber im Hinblick auf Steuererfindungen ein und
gewährleisten dadurch den Schutz der Bürger vor übermäßiger Abgabenbelastung.
Jede Steuer muss nicht nur den formalen Anforderungen des Grundgesetzes
(Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit) genügen, sondern auch und gerade den
materiellen Maßstäben der Grundrechte. Dazu gehören insbesondere die Prinzipien
der Leistungsfähigkeit, der Lastengleichheit, des Schutzes des
Existenzminimums, des Verbots der Benachteiligung von Ehe und Familie, des
Verbots der Erdrosselungssteuer und der eigentumsschonenden Besteuerung.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>5. Das Zustimmungserfordernis
des Art. 105 Abs. 3 GG erfasst über den Wortlaut hinaus auch Fälle,
in denen der Bund kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nach
Art. 105 Abs. 2 GG erstmals ein Steueraufkommen für sich in Anspruch
nimmt und dadurch die Länder ausschließt. Solange und soweit der Bund von
seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG
keinen Gebrauch gemacht hat, steht der steuergesetzgeberische Zugriff auf die
neu zu erschließende Steuerquelle potenziell den Ländern zu. Diese
Zugriffsmöglichkeit wird ihnen durch eine „Steuererfindung“ des
Bundes für die betroffene Steuerquelle genommen. Hierdurch werden die
finanziellen Interessen der Länder, deren Schutz Art. 105 Abs. 3 GG
zu dienen bestimmt ist, unmittelbar betroffen. Dem muss durch eine Erstreckung
des Zustimmungserfordernisses auf diese Fälle Rechnung getragen werden.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal style='mso-margin-top-alt:auto;mso-margin-bottom-alt:auto'><font
size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'>6. Nach diesen Maßstäben hat
der Bund zwar die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die
Kernbrennstoffsteuer. Das Kernbrennstoffsteuergesetz wurde jedoch nicht mit
Zustimmung des Bundesrates erlassen und ist daher formell verfassungswidrig und
nichtig.<o:p></o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal><font size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'><o:p> </o:p></span></font></p>
<p class=MsoNormal><font size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'><o:p> </o:p></span></font></p>
<p style='margin-bottom:0cm;margin-bottom:.0001pt'><font size=3
face="Times New Roman"><span style='font-size:12.0pt'><a
href="mailto:ingo@falk-net.de"><font size=2 face=Arial><span style='font-size:
10.0pt;font-family:Arial'>ingo@falk-net.de</span></font></a></span><o:p></o:p></font></p>
<p class=MsoNormal><font size=2 face=Arial><span style='font-size:10.0pt'><o:p> </o:p></span></font></p>
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