[fessenheim-fr] Radio Dreyeckland siegt vor Gericht
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Do Mai 18 20:30:20 CEST 2023
Hallo Leute!
Hier mal eine erfreuliche Nachricht...
Dieser Fall ist auch für die Anti-AKW-Bewegung von eminenter
Relevanz, da sich gerade anhand der seit über einem Jahr
fortlaufenden Propaganda für die AKW-Laufzeitverlängerung
erwiesen hat, wie wichtig und notwendig freie, unabhängige
Medien der Gegenöffentlichkeit sind.
Ciao
Klaus Schramm
17.05.2023
Radio Dreyeckland siegt vor Gericht
Landgericht Karlsruhe weist Anklage ab
Freiburg (LiZ). Im Nachgang einer umstrittenen Hausdurchsuchung im
Januar beim freien und nicht-kommerziellen Radio Dreyeckland (RDL)
siegten die RadiomacherInnen nun vor Gericht. Das Landgericht Karlsruhe
lehnte gestern die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen RDL-Redakteur
Fabian Kienert ab. Hintergrund war ein groteskes Ermittlungsverfahren
gegen zwei RDL-Journalisten wegen vermeintlicher Unterstützung einer
fiktiven verbotenen Vereinigung "linksunten.indymedia" nach § 85 StGB.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte gegen Fabian Kienert wegen eines
Berichts zum Verbot des Internetportals von "linksunten.indymedia"
Anklage erhoben. Ihm wurde die Unterstützung des verbotenen – nur als
juristische Fiktion existierenden – »Vereins« "linksunten.indymedia"
vorgeworfen. Ausschlaggebend für die Ermittlungen war ein am 30.07.2022
veröffentlichter RDL-Beitrag
(https://rdl.de/beitrag/ermittlungsverfahren-nach-indymedia-linksunten-verbot-wegen-bildung-krimineller)
zur Einstellung der Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem
"Linksunten"-Verbot.
Mit dem ausführlich begründeten Beschluß vom 16.05. stellt das
Landgericht unmißverständlich klar, daß die Setzung eines Links auf die
Archivseite von "linksunten.indymedia" im konkreten Fall keine
Unterstützung der weiteren Betätigung einer verbotenen Vereinigung
darstellt. Es fehle an Erkenntnissen dazu, dass "linksunten.indymedia" –
in welcher Form auch immer – überhaupt noch weiterexistiere. Zudem
gehörten Verlinkungen – je nach Gesamteindruck – zum geschützten Bereich
der freien Berichterstattung aus Art. 5 GG. Das Landgericht bescheinigt
der Staatsanwaltschaft ein problematisches Verhältnis zum Grundgesetz,
in dem die "Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film" (Artikel 5, Absatz 1) gewährleistet wird.
Das Landgericht muß noch über die von einem weiteren RDL-Mitarbeiter
sowie von RDL selbst eingelegten Beschwerden gegen die Durchsuchung der
Privaträume der Journalisten sowie der Redaktionsräume und der
Beschlagnahme von Arbeitsmitteln und Speichermedien entscheiden.
Anwaltlich vertreten wird RDL von Angela Furmaniak, Lukas Theune und
Sven Adam. Die Unterstützung durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte
(GFF) (siehe PM der GFF vom 17.05.23) unterstreicht die bundesweite
Bedeutung des Falls für die Pressefreiheit.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010,
das die Durchsuchung des Freien Senderkombinats Hamburg (FSK) im Jahr
2003 für verfassungswidrig erklärt hatte, mußte "ein Gericht nun erneut
Polizei und Staatsanwaltschaft daran erinnern, daß die Rundfunkfreiheit
auch für freie Radios gilt" – so RDL in einer Stellungnahme.
Die Verteidigerin von Fabian Kienert, Angela Furmaniak, freute sich über
die Entscheidung des Landgerichts: "Es ist wichtig, daß das Landgericht
die Staatsanwaltschaft in die Schranken gewiesen hat. Kritik an
staatlichem Handeln ist die grundlegende Aufgabe der Presse und darf
nicht durch eine politisch motivierte Strafverfolgung ausgehebelt werden."
Fabian Kienert sagte: "Ich bin sehr erleichtert, daß das Landgericht
Karlsruhe die Pressefreiheit verteidigt hat. Der Schaden ist damit aber
nicht aus der Welt: Die Hausdurchsuchung hat meine Privatsphäre massiv
verletzt und Journalistinnen und Journalisten sind verunsichert worden,
wie sie über verbotene Organisationen berichten dürfen", kritisiert
Fabian Kienert. Er hatte für Radio Dreyeckland die kurze und sachliche
Meldung zur Einstellung des Verfahrens wegen der vermeintlichen "Bildung
einer kriminellen Vereinigung" im Fall von "linksunten.indymedia" verfaßt..
Andreas Reimann, der ebenso wie Fabian Kienert direkt von der
staatlichen Willkür betroffen war, vermutet, daß es der
Staatsanwaltschaft und dem Freiburger Staatsschutz "offensichtlich von
Anfang an um Einschüchterung und Ausforschung eines kritischen linken
Mediums" gegangen sei. Reimanns Privatwohnung war wegen seiner Funktion
als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts ebenfalls durchsucht
worden. Als Lehre aus dem Fall fordert David Werdermann (Gesellschaft
für Freiheitsrechte): "Die vagen Strafnormen zur Unterstützung von
verbotenen Organisationen müssen so ausgelegt werden, dass Presse- und
Rundfunkfreiheit gewahrt werden."
RDL-Geschäftsführer Kurt-Michael Menzel betonte noch einmal: "Das
Verfahren ist ein politischer Skandal, weil es offensichtlich war, daß
es keine weitere Betätigung einer angenommenen Vereinigung
»linksunten.indymedia« gab". Nach der Landgerichtsentscheidung, daß das
Setzen von Links durch journalistische Medien auf eine Archivseite keine
strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung darstellt, fordert
er: "Die Staatsschutzabteilung der Karlsruher Staatsanwaltschaft mit
ihrer anti-linken Agenda ist eine Gefahr für die Grundrechte und muß
aufgelöst werden."
"Auch solchen Einschüchterungsversuchen der Staatsanwaltschaften ist es
zu verdanken, daß Deutschland im Ranking der Pressefreiheit nicht mehr
unter den ersten 20 Ländern liegt. Allein die Präsenz uniformierter
Beamter in den Redaktionsräumen und die Drohung, sämtliche Datenträger
zu beschlagnahmen, ist mit der Pressefreiheit unvereinbar. Radio
Dreyeckland ist nun für die erlittenen Maßnahmen zu entschädigen,"
erklärte RDL-Anwalt Lukas Theune.
Radio Dreyeckland fordert eine ausführliche politische Aufarbeitung des
Falls und die Löschung sämtlicher erhobener Daten im Beisein von
Datenschutz-ExpertInnen.
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