[fessenheim-fr] 5 japanische Ex-Premierminister warnen Europa

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Fr Feb 4 18:25:46 CET 2022


Hallo Leute!

Hier ein Artikel über einen Appell, den
auch "unsere" 'Bad. Ztg.' ausblendet.

Ciao
    Klaus Schramm


Japanische Ex-Regierungschefs: "Atomkraft kann ein Land ruinieren"

03. Februar 2022
Ralf Streck

Kurz bevor die EU-Kommission Atomkraft über die Taxonomie als 
"nachhaltig" einstufte, forderten fünf ehemalige japanische 
Premierminister zum Atomverzicht auf

Es war nicht anders zu erwarten. Die EU-Kommission hat nun den 
umstrittenen Rechtsakt angenommen, über den Atomkraft und Erdgas das 
grüne Siegel einer angeblichen "Nachhaltigkeit" bescheinigt wird. Trotz 
des Widerstands einiger Mitgliedsstaaten werden nun Investitionen in 
Atomkraft und Erdgas, wie erwartet, empfohlen.

Über den Deal zwischen Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem 
französischen Präsident Emanuel Macron hat Telepolis schon frühzeitig 
berichtet. Dass es noch zu Veränderungen am abgekartetem Handel kommen 
würde, war nicht zu erwarten.

Gespannt darf man nur noch sein, ob die neue Bundesregierung etwas gegen 
die Einstufung unternimmt, wie Österreich oder Luxemburg dagegen klagt. 
Angekündigt wurde, man werde die Entscheidung prüfen. "Wir haben jetzt 
vier Monate Zeit", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Dass die absurde Einstufung auch gegen die eigenen Taxonomie-Grundlagen 
verstößt, ist eigentlich alles gesagt. Deshalb soll an dieser Stelle 
über das gesprochen werden, was derweil verschwiegen wird. Praktisch 
ohne Widerhall im Blätterwald blieb ein Appell von gleich fünf 
ehemaligen japanischen Regierungschefs, die in einem offenen Brief vor 
dieser Einstufung gewarnt hatten. Und angesichts des Super-GAU im 
Kraftwerk von Fukushima, wo die Gefahren eine Kernschmelze zudem lange 
zuvor bekannt waren, forderten sie von der EU, auf Atomkraft zu verzichten.

Unter den Unterzeichnern des Offenen Briefs finden sich auch ehemalige 
Atomkraft-Fans wie Junichiro Koizumi und Naoto Kan. Sie haben aus der 
Fukushima-Katastrophe ihre Lehren gezogen, Kan war 2011 selbst 
japanischer Regierungschef. Beide sind zu prominenten Stimmen gegen die 
Atomkraft geworden.

"Als ehemalige Premierminister Japans waren wir schockiert, als wir 
erfuhren, dass die Europäische Kommission plant, die Atomenergie in die 
EU-Taxonomie aufzunehmen, welche die Investitionen in Projekte zur 
Bekämpfung des Klimawandels und andere nachhaltige Projekte erleichtern 
soll", schreiben sie. Die Übersetzung kann hier nachgelesen werden.

"Nach den Ereignissen in Three Mile Island in den USA und in Tschernobyl 
in der ehemaligen Sowjetunion hat die Katastrophe im TEPCO-Atomkraftwerk 
von Fukushima Daiichi zu einem hohen Preis bewiesen, dass die Atomkraft 
nicht «sicher» ist."

Was in den letzten zehn Jahren in Fukushima zu erleben ist, sei "eine 
unbeschreibliche Tragödie und eine Verseuchung von noch nie dagewesenem 
Ausmaß. Hunderttausende hätten ihre Häuser verlassen müssen, riesige 
landwirtschaftliche Flächen wurden verseucht, noch immer werde 
radioaktives Wasser erzeugt, das die Speicherkapazität bei weitem 
übersteigt und viele Kinder leiden an Schilddrüsenkrebs. Große Teile der 
Ressourcen und des Wohlstands des Landes seien verloren gegangen, 
erklären sie.

"Wir möchten nicht, dass die europäischen Länder denselben Fehler 
begehen", schreiben die fünf Ex-Premiers dazu, dass "Atomkraft keine 
sichere, billige und saubere Energie ist", wie Koizumi auf einer 
Pressekonferenz unterstrich. "Sollte die EU Investitionen in die 
Atomkraft unterstützen, stünde dies im Widerspruch zum Wesen des 
europäischen Green Deals", stellen sie fest.

Aus den eigenen Erfahrungen stellen sie fest: "Die Förderung der 
Atomkraft kann ein Land ruinieren." Die Förderung der Atomenergie 
bedrohe das Überleben und die Existenz künftiger Generationen, verweisen 
sie nicht nur auf Unfälle, sondern auch auf den für hunderttausende 
Jahre strahlenden Atommüll. Gewarnt wird aber, auch mit Blick auf Erdgas 
aber auch vor einer Politik, "die den Klimawandel ignoriert".

Es gebe genügend erneuerbare Energien, um den benötigten Strom zu 
liefern. Das gelte sowohl für Japan als auch für andere Länder der Welt. 
"Lassen Sie uns noch einmal betonen, dass eine dekarbonisierte Welt ohne 
Atomkraft möglich ist", schließen sie ihren offenen Brief ab.

Klar ist, dass man in Brüssel diesen Appell überhört hat, obwohl sowohl 
in Belgien als auch im Nachbarland Frankreich uralte Atommeiler dafür 
sorgen, dass die Gefahr eines schweren Unfalls immer größer wird. Zu 
hoffen ist, dass die angekündigten Klagen von Österreich und Luxemburg 
erfolgreich sind.

Dass sie das sein werden, davon sind Experten wie Götz Reichert 
überzeugt. Die Vorgaben der Kommission seien "rechtlich wirkungslos", 
weshalb sie der Europäische Gerichtshof (EuGH) für "nichtig" erklären 
müsse, erklärte der Leiter der Abteilung für europäisches Energierecht 
am Centrum für europäische Politik (Cep).

In einer ausführlichen Stellungnahme führt er das mit seinem Kollegen 
Philipp Eckhardt hier aus und sprechen von der "Taxonomie-Falle".

In Frankreich steigen derweil angesichts des altersschwachen Atomparks 
die Blackout-Gefahren. Die Stromversorgung ist bei einer Kältewelle 
ohnehin seit Jahren nicht gesichert, doch nun mussten etliche Meiler 
wegen Problemen vom Netz. Sogar die Kohlekraftwerke sollen jetzt wieder 
angefahren werden.

Doch die Korrosionsprobleme, die zur Abschaltung einiger Meiler führten, 
sind vermutlich nicht nur auf diese beschränkt, am Montag musste ein 
weiterer Meiler abgeschaltet werden, weshalb der Kraftwerksbetreiber EDF 
nun den gesamten Kraftwerkspark überprüfen muss.

Und der Rechnungshof, der schon die enormen Preisexplosionen beim Neubau 
in Flamanville und fehlende Milliarden für die Endlagerung und den 
Rückbau der Atomanlagen kritisierte geht nun klar auf einen kritischen 
Kurs gegenüber der teuren Atomkraft.


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