[fessenheim-fr] Gefaehrliche Vibration bei EPR-AKW in
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Fr Jul 23 13:35:49 CEST 2021
Hallo Leute!
Hier einige brisante Infos zu den
Problemen mit den EPR-Reaktoren.
Ciao
Klaus Schramm
+++
Von: dzw <detlef.zumwinkel at t-online.de>
Gesendet: Freitag, 23. Juli 2021, 09:02:56 MESZ
Betreff: EPR: Wenn der Reaktor brummt
Hallo,
am 2. Juli schrieb ich euch über die Edelgas-Emmissionen im
Atomkraftwerk Taishan, an der Küste Südostchinas gelegen. Dort sind die
einzigen beiden Europäischen Druckwasserreaktoren (EPR) oder wie sie
jetzt heißen: Evolutionary Power Reactor, seit 2018/19 in Betrieb. Es
handelt sich um denjenigen französischen Reaktortyp, dessen Bau im
finnischen Oikliluoto und im normannischen Flamanville so viele Probleme
technischer und finanzieller Art bereitet.
Die bisher schon stattliche Mängelliste wird nun durch ein weiteres
Phänomen ergänzt. Beim Betrieb des Reaktors gerät ein sogenanntes
Erweiterungsrohr am Druckhalter (*) im primären Kühlkreislauf in
Schwingungen. Der Druckhalter ist ein über 10 Meter hoher Stahlzylinder,
der an den Primärkreislauf angeschlossen ist und die einzige Stelle
bildet, wo das Kühlwasser als Dampf vorhanden ist. Das Kühlwasser eines
Druckwasserreaktors hat eine Temperatur von etwa 300 Grad Celsius,
verdampft aber nicht, weil es unter einem sehr hohen Druck steht (etwa
155 bar). An einer Stelle jedoch, eben im Druckhalter, lässt man ein
"Dampfkissen" zu, um den Druck im Normalbetrieb regulieren zu können.
https://de.wikipedia.org/wiki/EPR_(Kernkraftwerk)#/media/Datei:Kernkraftwerk_mit_Druckwasserreaktor_(ohne_Turm).png
Der Druckhalter https://de.wikipedia.org/wiki/Druckhalter ist wie jede
Komponente im Primärkühlkreislauf eines Reaktors ein systemkritisches
Element, für das es keinen Sicherheitsrabatt geben darf. Offenbar hat
sich schon 2018 bei einem sogenannten heißen Test in Olkiluoto (Test
unter Realitätsbedingungen) herausgestellt, dass ein an den Druckhalter
angeschlossenes großes Rohr zu schwingen beginnt. Die Ursache ist
unbekannt. Sie dürfte aber darin liegen, dass der Druckhalter selbst in
Schwingungen gerät, die bei ihm nicht ohne weiteres auszumachen sind,
die er aber an das angeschlossenes Rohr weitergibt, wo sie sich
bemerkbar machen.
Von diesem ziemlich beachtlichen Effekt erfährt die Öffentlichkeit erst
mit dreijähriger Verspätung: der französische Reaktorbauer Framatome
(früher Areva) hat Genehmigungsunterlagen für eine neue Reaktorlinie
"EPR-2" bei der Atomaufsicht eingereicht. Diese bemängelte, dass darin
der gleiche Druckhalter vorgesehen ist wie beim derzeitigen EPR und wies
auf das Problem hin.
Der Druckhalter muss also neu konstruiert werden: Die technische
Abteilung der französischen Atomaufsicht (IRSN) "empfiehlt Framatome,
die Ursachen für die hohen (!) Vibrationen in der Expansionsleitung des
Druckhalters, die an verschiedenen (!) EPR-Reaktoren beobachtet wurden,
zu identifizieren und in einem frühen Konstruktionsstadium die für
zukünftige EPR2-Reaktoren erforderlichen Änderungen zur Überwindung
dieses Vibrationsproblems vorzustellen".
https://www.blast-info.fr/articles/2021/nucleaire-epr2-le-feu-rouge-de-linstitut-de-surete-a-edf-y4TmgjhVQtmts-E5HAkKKA
Dieses Statement sei eine "rote Ampel" für die EPR-2 Entwicklung, heißt
es in dem Artikel. Freilich sollte das Augenmerk vor allem auf die
aktuellen EPRs gerichtet werden, die in China, Finnland und Frankreich
baugleich sind und zusätzlich in England (Hinkley C) errichtet werden.
Dort hat Framatome nach den Erkenntnissen von Olkiluoto offenbar mit
schwingungsdämpfenden Maßnahmen ("Stoßdämpfer") improvisiert. Damit kann
man das Rohr vielleicht beruhigen, nicht aber einen 100 Tonnen schweren
Druckhalter. Wie sich die Situation bei den laufenden Reaktoren in
Taishan darstellt, ist kaum zu beurteilen. Das verhindert die
einschlägige chinesische Informationspolitik.
Allerdings müssen wir uns auch fragen, ob es um die in China fehlenden
checks and balances anderswo besser bestellt ist, z.B. in Finnland. Auch
die finnische Öffentlichkeit erfährt, wenn überhaupt, erst über den
Umweg der französischen Atomaufsicht von den Vibrationen, die in
Olkiluoto beobachtet wurden. Übrigens haben die finnischen Grünen dem
Reaktor in Olkiluoto ihre Zustimmung erteilt. Sie halten Atomenergie für
eine klimaschonende Form der Energieerzeugung. Das hat zur Folge, dass
sie sich mit solchen Problemen gar nicht erst beschäftigen. Sind sie
überhaupt eine grüne Partei nach dem derzeitigen Verständnis oder eher
eine Mogelpackung?
Anhaltende starke Schwingungen an zentralen und großen
Reaktorkomponenten beschleunigen die Materialermüdung und das Risiko von
Rissen. Solange die Ursachen unbekannt sind, fragt man sich, wieso es in
Taishan überhaupt eine Betriebsgenehmigung gibt.
Detlef zum Winkel
(*) Nicht zu verwechseln mit dem Reaktordruckbehälter, in dem die
Brennelemente angebracht sind und die Kernspaltung stattfindet. Der ist
ja, wie vor Jahren bekannt wurde, an einigen Stellen mit minderer
Qualität geschmiedet.
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