[fessenheim-fr] Groesse eines Lecks in einem Nasslager - GAU und Super-GAU / Re: Aw: katastrophaler Artikel in der 'Bad. Ztg.'
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Fr Apr 23 19:55:11 CEST 2021
Hallo Leute!
Am 23.04.21 um 14:37 schrieb caro-neukirchen at gmx.de:
> Hallo Klaus, leider erklärst du nicht, was da genau nicht passieren kann und warum,
> nicht alle Leser sind Physiker ... warum kein Leck möglich/entstehbar??
> Gruß Carola
Es geht *nicht* um die einfache dualistische ("Ja" / "Nein")
Frage, ob ein Leck an einem der beiden Naßlager des
stillgelegten AKW Fessenheim entstehen kann oder nicht.
Vielmehr geht es um die Frage der *möglichen Folgen* eines
Lecks in einem Naßlager des stillgelegten AKW Fessenheim.
Position A:
*Sowohl* EdF (allerdings offenbar erst auf Nachfrage)
*als auch* Herr Küppers gehen offenbar davon aus, daß
ein Leck so klein bleibt, daß sich der Wasseraustritt
über mehrere Tage hin erstreckt und daher "beherrschbar"
bleibt.
Position B (unter anderen die Meine):
Nach einer hinreichenden Zerstörung einer Außenmauer des
Naßlagers - sei es durch einen terroristischen Angriff
oder durch ein Erdbeben - kann der gesamte Inhalt des
Beckens so schnell abfließen, daß die Brennelemente
trockenfallen - mit den beschriebenen Folgen...
(siehe mein eMail von heute, 23.04.21, 12:02 Uhr)
Auch die vorhandenen Notfall-Systeme wie per Diesel
betriebene Pumpen und die Zufuhr von Wasser aus einem
separaten Grundwasser-Brunnen helfen dann nicht mehr.
Um dies zu begreifen, bedarf es nicht etwa Kenntnissen
aus einem Physik-Studium, sondern die alltägliche
Erfahrung eines Heizungs-Installateurs reicht vollauf:
Betrachten wir eine Zentralheizung mit Warmwasser-
Umlauf, bei der Wasser als Transportmittel für die
im Heizkessel im Keller erzeugte Wärme zu den
Heizkörpern in den einzelnen Räumen dient:
A
Du gehst davon aus, daß nur ein kleines Leck entstehen
kann, aus dem es tröpfelt. Dann bleibt genügend Zeit,
die undichte Stelle zu finden und abzudichten (oder den
undichten Heizkörper auszutauschen).
B
Du hast die Erfahrung gemacht, daß auch mal ein
Heizungsrohr angebohrt wurde, der gesamte Inhalt
des Heizungskreislaufs innerhalb kurzer Zeit
ausläuft und eine ganze Etage unter Wasser stand...
Die vorliegende Unterscheidung zwischen den Positionen
A und B ist übrigens ein "hübsches" Beispiel, um den
(leider nicht nur bei der weit überwiegenden Zahl von
JournalistInnen, sondern auch *innerhalb* der Anti-
Atom-Bewegung nicht selten unbekannten) Unterschied
der Begriffe "GAU" (größter abzunehmender Unfall) und
"Super-GAU" zu erläutern.
Bei einem "GAU" handelt es sich um einen möglichen
Unfall, der in einer sogenannten Ereignisablauf- oder
Fehlerbaum-Analyse berücksichtigt wird.
Ein Zweig eines solchen Fehlerbaums stellt ein mögliches
(Versagens-)Ereignis A und die danach abzweigenden
möglichen Folge-Ereignisse A1, A2, A3,... dar.
konkretes Beispiel:
A - Auftreffen eines Geschosses auf das Naßlager
A1 - keine durchdringende Beschädigung
(keine Entweichen von Radioaktivität)
A2 - Beschädigung des Daches des Naßlagers
(Austritt radioaktiver Gase)
A3 - Beschädigung der Außenwand (...)
Wenn du nun die *zusätzliche* Annahme triffst,
daß eine Beschädigung der Außenwand maximal
zu einem "tröpfelnden" Wasserverlust führt,
hast Du hier den "größten anzunehmenden
Unfall", der definitionsbedingt "beherrschbar"
bleibt.
Alles andere - also ein auslegungsüberschreitender
Unfall, ein Super-GAU - wird als bloß hypothetisch
dem sogenannten Restrisiko zugeordnet.
A4 - Beschädigung der Außenwand des Naßlagers
mit kurzzeitigem totalen Kühlmittelverlust...
...bleibt ausgeblendet -
So wie im Falle des AKW Fukushima Daiichi lediglich
ein Tsunami mit einer maximalen Kammhöhe von 5,7 Meter
und nicht - wie real am 11. März 2011 - mit einer
Höhe von 13 bis 16 Meter für die baulichen
Sicherungsmaßnahmen berücksichtigt worden war.
(Nebenbei: Es liegen Informationen vor, daß
der dreifache Super-GAU von Fukushima bereits
irreversibel um 14:46 Uhr des 11. März 2011
durch das Erdbeben eingetreten war und nicht erst
vom Tsunami, der um 15:35 Uhr auf das AKW-Gelände
traf, ausgelöst wurde. Die wirksame
Horizontalbeschleunigung des Erdbebens
von der Stärke 9,0 auf der Momenten-Magnituden-Skala
betrug lediglich 0,52 g bis 0,56 g. Dies war
allerdings 15 bis 26 Prozent mehr als in der
Fehlerbaum-Analyse und somit für die baulichen
Sicherheits-Vorkehrungen angenommen worden
war.)
Ciao
Klaus Schramm
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