[fessenheim-fr] Interview mit Michael Ernst

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Mi Mär 10 15:03:03 CET 2021


Hallo Leute!

Am Montag kam in der 'Bad. Ztg.' - Lokalausgabe
Freiburg - ein Interview von Anja Bochtler mit
Michael Ernst. Text siehe unten...

Ciao
    Klaus Schramm


„Die Probleme sind nicht gelöst“

DREI FRAGEN AN Michael Ernst von der Initiative
„Fukushima nie vergessen“, die weiterhin
regelmäßig an den Atomunfall erinnert

FREIBURG. Vor zehn Jahren schaute die ganze Welt
nach Fukushima. Dort kam es in einem Atomkraftwerk
nach Erdbeben zu einer Nuklearkatastrophe. In
Deutschland hatte das damals große Auswirkungen
auf die Haltung zur Atomkraft, sowohl in der
Bevölkerung als auch in der Folge in der Politik.
Eine Freiburger Initiative hat nie aufgehört, an
die Geschehnisse und die Gefahren durch Atomkraft
zu erinnern: Anja Bochtler sprach mit dem Arzt
Michael Ernst von der Gruppe „Fukushima nie
vergessen“.

BZ: Erinnern Sie sich noch daran, wie es Ihnen
ging, als Sie vor zehn Jahren von der Fukushima-
Katastrophe erfuhren?

Ernst: Das war für mich ein heftiger Schock.
Ich war mit Kollegen in einer Versammlung, dort
haben wir davon gehört. Wir waren sehr betroffen,
vielleicht gab es sogar eine Schweigeminute, das
weiß ich nicht mehr genau. Wir hatten alle noch
den Schrecken von Tschernobyl in den Knochen,
viele Freunde von mir waren in der Anti-AKW-
Bewegung aktiv. Fukushima war für mich der
Anlass, zu sagen: Jetzt übernehme ich mal das
Staffelholz und engagiere mich. Ich habe viel
mit meiner Tochter über diese Themen geredet,
und wir haben ein Jahr nach Fukushima mit der
ersten Mahnwache begonnen. Uns war es wichtig,
den Menschen die gigantischen Zahlen
näherzubringen: Was bedeutet es, dass es eine
Million Jahre dauert, bis die Strahlung aus
den radioaktiven Abfällen einigermaßen
abgeklungen ist? Deshalb haben wir 1000
Grablichter aufgestellt, von denen jedes für
1000 Jahre steht.

BZ: Inzwischen sind zehn Jahre vergangen und
viele andere Themen aufgekommen. Wie haben
Sie es geschafft, so lange durchzuhalten?

Ernst: In den ersten Jahren waren wir sehr
aktiv. Wir wollten den Menschen klar machen,
was es für uns alle bedeutet, das AKW
Fessenheim direkt vor unserer Nase zu haben.
2015 haben wir eine Rheintour bis nach Rotterdam
gemacht, mit Stopps an allen größeren Orten, wo
wir jeweils aufgezeigt haben, was es für den Ort
bedeutet hätte, wenn nach einem Unfall in
Fessenheim danach jahrelang täglich 600 000
Liter verstrahltes Wasser den Rhein entlang
gezogen wären. 2016 haben wir in Berlin auf
der Spree Bundestagsabgeordnete zu einer
kleinen Schiffsrundfahrt eingeladen und sie
auf die Risiken durch Fessenheim aufmerksam
gemacht. Inzwischen ist das AKW zwar
abgeschaltet, aber die Probleme sind nicht
gelöst: Nach wie vor haben wir AKW in der
Schweiz ganz in der Nähe. Und nach wie vor
werden zum Beispiel Brennstäbe für AKW in
Deutschland hergestellt und in französische,
belgische und schweizerische AKW geliefert.
Die Atomlobby ist sehr stark. Wir führen
unsere Mahnwache Jahr für Jahr fort, auch
wenn das Interesse nachgelassen hat. Es geht
uns nicht um große Zahlen von Teilnehmenden,
sondern um innere Besinnung. Diesmal werden
wir mit der Anti-Atom-Gruppe am Donnerstag,
11. März, von 15 bis 18 Uhr mit einem
Info-Stand auf dem Platz der Alten Synagoge
stehen.

BZ: Angesichts der Klimakrise und ihrer
Gefahren gibt es nun öfter Forderungen, die
Atomkraft wieder verstärkt einzusetzen, weil
sie als klimafreundlich gilt. Wie gehen Sie
damit um?

Ernst: Da bin ich erschüttert. Derzeit weiß
man noch nicht mal, wo man die radioaktiven
Abfälle lagern soll, und trotzdem kommen
solche Überlegungen auf. Stattdessen müssten
wir uns jetzt einschränken und Energie sparen
und die regenerativen Energien ausbauen.
Aber die großen Energiebetreiber wollen zum
Beispiel nicht, dass immer mehr Bürger ihre
eigene Energie produzieren und den
überschüssigen Strom selbst ins Netz einspeisen.

+++
Zur Person: Michael Ernst, 70 Jahre alt, ist
Allgemeinarzt in einer Gemeinschaftspraxis.
Er hat die Initiative „Fukushima nie vergessen“
mitgegründet, bei der zurzeit noch rund
15 Menschen aktiv sind.




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