[fessenheim-fr] Antworten auf 5 Fragen / Re: [antiAtom-Initiativen] skandal von obrigheim

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Sa Jan 30 07:38:24 CET 2021


Hallo Leute!

Dirk Seifert, Mitarbeiter im Büro von MdB Hubertus
Zdebel, hat nach der jüngsten Veröffentlichung
zum Skandal von Obrigheim in Radio Dreyeckland
einige Fragen (s.u.) über die bundesweite
Mailingliste [Anti-Atom-Initiativen] gestellt,
ohne meinen Namen zu nennen. Hier meine 5
Antworten, die ich gerade über diese Mailingliste
versendete.

Ciao
    Klaus Schramm


Hallo Dirk!
Und an alle hier auf der Mailingliste!

Du hattest in dieser Sache ja schon direkt mit
mir Kontakt und unter anderem gefragt, ob mir
Informationen über die radioaktive Kontamination
des RDB-Deckels vorlägen (31.10.20 / "Frage zur
Radiologie des RDB"). Diese Frage konnte ich Dir
nicht beantworten, da zu diesem Zeitpunkt nur
die wenig glaubhafte Information aus dem Jahr
2013 zugänglich war: die radioaktive Belastung
des Reaktordruckbehälter-Deckels von Obrigheim
betrage 1,4 Giga-Becquerel.
(https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/3_Umwelt/Kernenergie/Genehmigungsverfahren/KWO/130425_FAQ_Zur_Sache_Rueckbau.pdf,
Seite 82, Unterpunkt 4.3.21)

Mittlerweile wird - wiederum offiziell - die
radioaktive Belastung des Reaktordruckbehälter-
Deckels von Obrigheim mit 7 Giga-Becquerel
angegeben... Ist die Radioaktivität etwa
innerhalb von einem Jahr, vom Juli 2013 bis zum
angeblichen Transport im Jahr November 2014,
entgegen physikalischen Erkenntnissen nicht
abgeklungen, sondern auf das Fünffache
gestiegen?

Du hattest aber offenbar kein Interesse
(und Hubertus ebenso wenig), diese Frage selbst
per kleiner Anfrage an die Bundesregierung zu
stellen - vielleicht hast Du ja auch selbst
gezweifelt, ob im Falle eines bereits
eingeschmolzenen RDB-Deckels noch mit
einer zutreffenden ("ehrlichen") Antwort
der Bundesregierung zu rechnen sei. ;-)

Zu Deinen Fragen im Einzelnen (obwohl ich der
Ansicht bin, daß sich die Beantwortung durch
Lesen meines Artikels von selbst ergibt):

1.
Welche konkreten Anhaltspunkte gibt es, daß
der Deckel nicht in die USA, sondern nach
Schweden gegangen ist?

Es gibt die Aussage eines Whistleblowers,
wonach der Reaktordruckbehälter des AKW
Obrigheim samt dessen Deckel (beides zersägt)
am 15. August 2017 nach Studsvik verfrachtet
und dort zusammen eingeschmolzen worden sei.

Ich habe zu diesem Hinweis mehr als zwei Jahre
lang recherchiert, konnte aber keinen Beleg
finden - außer eben der Aussage einer Person,
die anonym bleiben will.

Durch eine Anfrage Deiner Fraktion vom 2.03.2018
in einer ganz anderen Sache (Bundestags-Drucksache
19 / 1091) kam zutage, daß tatsächlich am
15. August 2017 ein Transport von Obrigheim nach
Studsvik stattgefunden hat.

Das ist ein starkes Indiz, daß die Story des
Whistleblowers zutrifft, aber kein "konkreter
Anhaltspunkt", der ausgereicht hätte, daraus
eine Nachricht zu "basteln".

Am  11.09.2020 fragte ich nochmal bei Leuten
aus BIs im Umfeld des AKW Obrigheim nach, ob
ihnen Informationen vorlägen, daß der
zerlegte und in Kisten verpackte
Reaktordruckbehälter des AKW Obrigheim am
15.08.2017 nach Studsvik, Schweden,
abtransportiert wurde. Ohne Erfolg.

Am 13.09.2020 hatte ich ein Gespräch mit
der MdB Sylvia Kotting-Uhl im Zusammenhang
mit dem geplanten Techno-Centre. Dabei
erwähnte ich nebenbei auch die Story des
Whistleblowers, die sie empört als
unglaubwürdig zurückwies. Auf meine sarkastische
(aber nicht ernst gemeinte) Bemerkung, sie
könne ja mal Kretschmann fragen, ob der
Reaktordruckbehälter tatsächlich noch in Obrigheim
ist, gab sie zurück, ja, das werde sie tun.

Wie ich erst später erfuhr hat Sylvia Kotting-Uhl
dann tatsächlich am 14. September eine schriftliche
Anfrage an Rita Schwarzelühr-Sutter, parlamentarische
Staatssekretärin im Bundes-"Umwelt"-Ministerium,
gerichtet und am 23. September erhielt sie von
dieser Antwort.

Dies kam mir am 24. September - auf welchem Wege
auch immer - zur Kenntnis.

Im Laufe des Vormittags versuchte ich diese Story,
wonach *ausschließlich* der Deckel des RDB in die
USA transportiert worden sei, gegenzuchecken.
Ich mußte ausschließen können, daß etwa unbemerkt
schon in den vergangenen Jahren eine Nachricht über
einen solchen Transport veröffentlicht worden war.

Ich schrieb einen Artikel über diese Story und die
Nachricht von einem skandalösen geheimen
Transport wurde im Mittagsmagazin von Radio Dreyeckland
am 24. September 2020 veröffentlicht.

Zufällig hatte ich am Tag darauf, 25.09,2020, ein
Gespräch mit MdB Tobias Pflüger - es ging um ein
anderes Thema. Als ich ihn auf das "besonders
heiße", am Vortag veröffentlichte Thema, Export
von Atommüll, hinwies, zeigte er kein Interesse.

2.
Warum sollte die Antwort der Bundesregierung nicht
stimmen?

Wenn sowohl der RDB als auch der RBD-Deckel am
15.08.2017 klammheimlich nach Studsvik, Schweden,
abtransportiert wurden, wäre dies ein Skandal
nicht nur von baden-württembergischer, sondern
von bundesweiter Bedeutung. Einen solchen Transport
zu vertuschen ist einer Landesregierung nicht ohne
Beihilfe aus Berlin möglich.

3.
Wäre der RBD-Deckel das "geeignete Muster", um die
Versprödung des Materials durch Neutronenstrahlung
nachzuweisen?

Selbstverständlich ist ein RDB-Deckel weniger
Neutronenstrahlung ausgesetzt als die Wandung des
RDB. Wenn sich nun aber herausstellt, daß selbst
ein RDB-Deckel so stark versprödet ist, daß
es hoch kriminell ist, einen RDB auch nur mit
derselben Versprödung in Betrieb zu lassen...

Ich erachte es für sehr wahrscheinlich, daß die
Versprödung der Reaktordruckbehälter aller sechs
in Deutschland noch in Betrieb befindlichen
Atomkraftwerke schon seit Jahren die vorgegebene
"Sicherheits-Marge" weit überschritten hat.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß
eine direkte Forschung an ausgebauten RDB bis
heute vermieden wurde. Willfährige
WissenschaftlerInnen haben damit argumentiert,
daß die Untersuchung von sogenannten Einhänge-
proben desselben Materials auf Versprödung
ausreichend sei. Regelmäßig wird dann empört
die Frage gestellt: "Ja glaubst Du denn
ernsthaft, daß solche Probestücke heimlich
ausgetauscht werden könnten?"

4.
Warum soll der nicht in den USA sein - sondern in
Schweden?

Es ist eine beliebte Methode von ertappten
LügnerInnen, nur so viel einzugestehen, wie
bereits bewiesen ist ("Salami-Taktik") und
falsche Fährten zu legen.

Bisher liegt aus den USA keine Bestätigung von
unabhängiger Quelle vor, daß eine Lieferung von
66 Tonnen Stahl, der mit rund 7 Giga-Becquerel
radioaktiv kontaminiert war, in den USA bei
Energy Solutions Inc. in Oak Ridge ankam.
Die Lieferung soll am 27. November 2014
in Obrigheim auf den Weg gebracht worden sein.

Bei entsprechendem Druck ist es möglich,
daß irgendwann zutage kommt, daß sowohl
RDB als auch RDB-Deckel im August 2017
in Studsvik ankamen und dort in der hierfür
geeigneten Anlage eingeschmolzen wurden.
Es ist zumindest nicht ganz unwahrscheinlich,
daß schwedische Behörden kein Interesse daran
haben, eine illegale Aktion von EnBW und
deutschen Regierungsstellen aktiv zu decken.

Allerdings werden sich schwedische Behörden
wohl auch nicht bemüßigt fühlen, uns auf
entsprechende Fragen zu antworten...

5.
Warum sollte die Landesregierung BaWü die
Bundesregierung belügen?

Wie aus der Antwort zu 2. hervor geht, ist
auszuschließen, daß in einen solchen Skandal
allein die ba-wü Landesregierung ohne
Mitwisserschaft der Bundesregierung
verwickelt wäre.

Ciao
     Klaus

     Klaus Schramm
     Redaktion Umwelt bei Radio Dreyeckland
und
     Anti-Atom-Gruppe Freiburg


Am 27.01.21 um 20:31 schrieb Dirk Seifert:
> Hallo,
>
> auf
> 
https://rdl.de/beitrag/7-giga-becquerel-f-r-die-usa-neues-im-skandal-von-obrigheim-0
>
> wird darüber spekuliert, ob der Deckel des Reaktordruckbehälters (und
> möglicherweise auch der Behälter selbst) in Schweden gelandet ist. Auch
> die Linkszeitung ist darauf jetzt wohl noch mal nach einer Kleinen
> Anfrage aus dem Landtag BaWü drauf eingegangen.
>
> Zum Verbleib des RDB-Deckels:
>
> Die Bundesregierung hat auf Schriftliche Fragen von Grünen und Linken im
> Bundestag mitgeteilt, der Deckel ist in vier Teile zerlegt in die USA
> gegangen (Firma wurde genannt). Fragen und Antworten finden sich jeweils
> hier
>
> https://www.hubertus-zdebel.de/akw-obrigheim-reaktordeckel-in-die-usa/
>
> und hier: Frage 216, 
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/236/1923604.pdf
>
> Die Grünen hatten wohl noch ein zweites Mal nachgefragt, dazu bitte
> selbst mal in geeigneter Weise auf der Seite des Bundestages 
recherchieren.
>
> Über die Antworten der Bundesregierung sind diejenigen, die zum Thema
> aktiv waren/sind, meines Wissen unterrichtet worden.
>
> Auf die atomrechtlichen Unterscheidungen von Verwertung und Atommüll
> will ich hier nicht eingehen.
>
> Was mir nicht klar wird: Warum sollte die Antwort der Bundesregierung
> nicht stimmen? Welche konkreten Anhaltspunkte - belegbar - gibt es, dass
> der Deckel nicht in die USA, sondern nach Schweden gegangen sein soll?
>
> Nach meinen Erkundigungen, nicht bei der Bundesregierung: Wollte man was
> zur Versprödung des RDB forschen, wäre der Deckel dafür nicht das Muster
> - sondern der RDB selbst, weil der der Neutronenstrahlung erheblich mehr
> ausgesetzt war. Der Deckel würde dafür eher nicht geeignet sein.
>
> Was mir mit Bezug auf den Deckel unklar ist: Warum soll der nicht in den
> USA sein - sondern in Schweden? Warum sollte
>
> a.) die Landesregierung in BaWü die Bundesregierung belügen, die b.)
> dann wiederum Bundestagsabgeordnete belügt und c.) auch noch eine
> Landtagsabgeordnete der SPD in BaWü - um zu vertuschen (?), dass der
> Deckel nicht in den USA, sondern in Schweden eingeschmolzen ist?
>
> Gruß
>
> Dirk
>
>
> _______________________________________________
> antiAtom-Initiativen mailing list
> antiAtom-Initiativen at lists.nadir.org
> https://lists.nadir.org/mailman/listinfo/antiatom-initiativen



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