[fessenheim-fr] Werner Mildebrath, Solar-Pionier und Anti-AKW-Aktivist ist tot
Redaktion Umwelt RDL
umwelt at rdl.de
Sa Sep 26 12:22:01 CEST 2020
Werner Mildebrath, Solar-Pionier und
Anti-AKW-Aktivist ist tot
Seit 1973 kämpfte Werner Mildebrath für die Energie-Wende - nun ist er
mit 92 Jahren am 18. September gestorben. Der Elektroinstallateur mit
eigener kleiner Firma in Sasbach am Kaiserstuhl gehörte zu den ersten,
die in Deutschland thermische Solaranlagen bauten, und zu den
erfolgreichen Kämpfern gegen das AKW-Projekt im benachbarten Dorf Wyhl.
Bis vor wenigen Jahren, als er sich bei einem Unfall ein Bein brach, war
er auf nahezu jeder Anti-AKW-Demo im Dreyeckland mit seiner mobilen
Lautsprecher-Anlage präsent.
Schon vor dem Kampf gegen das baden-württembergische AKW-Projekt Wyhl
konnte er zusammen mit elsässischen Umwelt-AktivistInnen ein in
Marckolsheim, auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins, geplantes
Bleichemiewerk verhindern. Mildebrath stand für die politische
Erfahrung, daß Politik nicht in Amtsstuben, sondern auf Straßen und in
Wäldern gemacht wird - oder andernfalls in den Vorstandsetagen der
"Wirtschaft".
Dabei war Werner Mildebrath zugleich "grundsolide" und betrieb zusammen
mit seiner Frau Erika, ein kleines Elektrogeschäft in Sasbach, einem
Nachbardorf von Marckolsheim und Wyhl. Daß er trotz seines politischen
Kampfes gegen das Anfang der 1970er-Jahre allmächtig erscheinende
Badenwerk (das später im Energie-Konzern und AKW-Betreiber EnBW aufging)
ökonomisch überleben konnte, verdankte er der örtlichen Solidarität.
Auf nahezu jeder Anti-AKW-Demo im Dreyeckland und etliche Male bei der
"Tour de Fessenheim" war Werner Mildebrath mit seinem "Kombi" präsent,
auf dessen Dach er die gratis von der Sonne gespendete Energie mit zwei
Solar-Paneelen einfing und in dessen Laderaum er Mischpult, Mikrofone
und Lautsprecher herantransportierte. Bei der Platzbesetzung im Wyhler
Wald sorgte seine Lautsprecher-Anlage dafür, daß die Demo-RednerInnen
besser zu verstehen waren als die Polizei. Er war immer zuverlässig und
engagiert - ohne selbst viele Worte zu machen.
Im Jahr 1975 baute der Elektriker, Tüftler und Handwerker für sein
eigenes Haus eine solide thermische Solaranlage, die heute nicht nur
immer noch existiert, sondern auch noch funktioniert. Und im Sommer 1976
veranstalteten AktivistInnen der Badisch-Elsässischen BIürgerinitiativen
und des damals frisch gegründeten Bund für Umwelt und Naturschutz
(Aktion Umweltschutz) die weltweit erste große Ausstellung zu
alternativen Energien in Sasbach am Kaiserstuhl. Der Widerstand gegen
das im Nachbardorf Wyhl geplante AKW, das berühmte "Nai hämmer gsait"
war den AktivistInnen nicht genug - sie wollten Alternativen zur
Atomenergie aufzuzeigen und neben das Nein zur Atomenergie das Ja zu den
erneuerbaren Energien stellen. Die Solaranlagen von Werner Mildebrath
waren damals ein wichtiger Teil der "Sasbacher Sonnentage". Über 12.000
BesucherInnen kamen 1976 zu dieser Messe.
Zu besichtigen gab es bei den ersten "Sasbacher Sonnentagen"
beispielsweise Holzbottiche der Winzergenossenschaft, in denen Wasser
solar erwärmt wurde. An vielen Ständen waren Solarpaneele und Modelle
von Windrädern zu Stromerzeugung zu sehen. Infos und Vorträge drehten
sich um Themen wie Energieeinsparung, Endlichkeit der Rohstoffe,
Klimaschutz und Wärmedämmung. Das "ganze Dorf" war mit allen Vereinen an
der Ausgestaltung der ersten "Sasbacher Sonnentage" aktiv beteiligt. Die
Winzergenossenschaft stellte das Gelände für die Ausstellung und gleich
daneben war der Festplatz, der Dank des Musikvereins genutzt werden
konnte. Unter dessen hohen schattenspendenden Bäumen ähnelten die
"Sasbacher Sonnentage" fast einem Volksfest, denn es gab auch
Meerschweinchenrennen, Flohmarkt, Wein- und Bierausschank. Aus dieser
Sasbacher Messe für erneuerbare Energien ging viele Jahre später die
Freiburger 'Intersolar' hervor.
Der von 1974 bis 1982 amtierende Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD)
sagte einmal spöttisch über die Ideen für eine Energie-Wende: "Wer
Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!" Gut, daß es Menschen gab, die sich
von solchen "Realpolitikern" nicht irreführen ließen.
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