[fessenheim-fr] Artikel der 'Bad. Ztg.' zu "Endlagersuche" in Deutschland

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Di Jul 21 23:31:23 CEST 2020


Hallo Leute!

Hier ein Artikel der 'Bad. Ztg.' zum Thema
"Endlagersuche" in Deutschland... Die
Märchenstunde beginnt schon mal mit:
"Nach jahrzehntelangem Widerstand und dem
Beschluss zum Atomausstieg wurde die
Endlagersuche 2013 jedoch wieder auf Null
gesetzt." ... die angeblich "weiße Land-
karte" von Deutschland!

Ciao
    Klaus Schramm


Endlager-Suche
Wohin mit dem deutschen Atommüll?

Von Barbara Schmidt

Di, 21. Juli 2020

Wirtschaft

Wenn 2022 das letzte deutsche AKW abgeschaltet wird, bleibt
tonnenweise hochradioaktiver Abfall. Die Suche nach einem Endlager hat
begonnen – und die Angst vor einem neuen Gorleben ist groß.

Die Anforderungen sind enorm: Das Endlager soll den Atommüll für eine
Million Jahre sicher im Boden verwahren. Es muss Erdbeben, Eiszeiten
und Anschlägen standhalten können. Auch die Wärme, die der
hochradioaktive Abfall abstrahlt, darf kein Problem sein. Und
nachfolgende Generationen sollen den Müll auch in 500 Jahren noch
bergen können. In den 1970er-Jahren legte sich die deutsche Politik
auf den Salzstock Gorleben in Niedersachsen als Standort fest. Nach
jahrzehntelangem Widerstand und dem Beschluss zum Atomausstieg wurde
die Endlagersuche 2013 jedoch wieder auf Null gesetzt. Seither kommt
jedes Bundesland als Standort in Frage. Die Bundesgesellschaft für
Endlagerung (BGE) trifft derzeit eine erste Vorauswahl.

Wie läuft die Standortsuche ab?

Die Kriterien hat der Bundestag 2017 im erweiterten
Standortauswahlgesetz beschlossen. Beispielsweise kommen Gegenden, in
denen Bergwerke den Boden durchlöchert haben, nicht in Frage. Auch
Erdbebengefahr gilt als Ausschlusskriterium. Der Untergrund muss
Mindestanforderungen erfüllen: So soll das Endlager mindestens 300
Meter tief unter der Erdoberfläche in stabilen Gesteinsschichten
eingerichtet werden. Dafür eignen sich Granit, Salz oder Ton. Die BGE
prüft derzeit das gesamte Bundesgebiet anhand geologischer Daten, die
ihr Bundes- und Landesbehörden zur Verfügung stellen.

Sind Standorte von ihren geologischen Gegebenheiten her gleichwertig,
wird die Situation auf der Erdoberfläche einbezogen: Wie weit ist die
nächste Siedlung oder das nächste Naturschutzgebiet entfernt? Die
Suche werde ergebnisoffen und transparent geführt, "hier gibt es keine
Willkür, sondern es geht fair und nachvollziehbar zu", betont Wolfram
König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen
Entsorgung (BASE). Das eigens gegründete Amt überwacht die
Standortsuche. Wie es in den 70er-Jahren zur Entscheidung für Gorleben
kam, habe nicht einmal ein Untersuchungsausschuss des Bundestags
klären können, sagt König. Doch beinhalte das jetzige Verfahren "ein
Check-and-Balance-System, das sicherstellen soll, dass sich Fehler der
Vergangenheit nicht wiederholen". So wurde ein Nationales
Begleitgremium als unabhängige Instanz eingesetzt: Zwölf Mitglieder
wurden von Bundestag und Bundesrat berufen, darunter Rainer
Grießhammer, langjähriger Mitgeschäftsführer des Freiburger
Öko-Instituts. Sechs Mitglieder sind zufällig ausgewählte Bürger. Die
Öffentlichkeitsbeteiligung spielt im Verfahren eine große Rolle.

Was ist der nächste Schritt?

Am 30. September will die BGE in einem Zwischenbericht aufzeigen,
welche Gebiete grundsätzlich in Frage kommen. Der Bericht wird von der
"Fachkonferenz Teilgebiete" diskutiert. Auftakt ist am 17. und 18.
Oktober in Kassel, weitere Termine sind 4. bis 7. Februar 2021 in
Kassel, 15. bis 18. April in Darmstadt und 10. bis 13. Juni in Berlin.
Die Ergebnisse der Fachkonferenz müsse die BGE im weiteren Verfahren
berücksichtigen, erläutert Ina Stelljes, Abteilungsleiterin für
Öffentlichkeitsbeteiligung beim BASE. Der Konferenz gehören
Wissenschaftler, Vertreter von Kommunen und Bürger an. Die
Corona-Krise bringe keine Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung
mit sich, so König. Zwar werde die Präsenz vor Ort begrenzt, jedoch
böten sich neue Formate der Kommunikation im Internet. Der
Beratungszeitraum sei von sechs auf neun Monate verlängert worden,
statt drei seien nun vier Termine geplant.

Wie geht es dann weiter?

Die BGE schlägt Standorte vor, die durch Erkundungsbohrungen und
seismische Messungen näher untersucht werden. In den betreffenden
Gebieten werden Regionalkonferenzen eingerichtet, an denen laut
Stelljes jeder Bürger teilnehmen kann. "In dieser Phase haben
Betroffene auch erstmals Gelegenheit, gegen die Auswahl vor dem
Bundesverwaltungsgericht zu klagen", erläutert König. Die Ergebnisse
der Probebohrungen führen zum Ausschluss weiterer Standorte.

Dritte und letzte Phase ist die Erkundung unter Tage: Der Bundestag
legt die Standorte fest, die mit Hilfe von Bergwerken untersucht
werden. Bis 2031 soll so ein atomares Endlager gefunden werden. Über
den Standort entscheidet letztlich der Bundestag. Frühestens 2050
könnte die Einlagerung beginnen. König nennt den Zeitplan "sehr, sehr
ehrgeizig".

Was soll eingelagert werden?

Abgebrannte Brennelemente und wiederaufbereitete hochradioaktive
Abfälle aus den deutschen Atomkraftwerken. König zufolge werden es
Ende 2022 rund 27 000 Kubikmeter oder 1900 Castorbehälter sein. Sie
kommen in Zwischenlager, deren Betrieb der Gesetzgeber jedoch begrenzt
hat, da das Endlager ursprünglich schon 2030 fertig sein sollte. 2036
laufe die erste Zwischenlagervereinbarung aus, so König. Als Endlager
eigneten sich die Zwischenlager aus technischen Gründen nicht.
Deutschland biete aber gute geologische Gegebenheiten für eine
Endlagerung, ein Ausweichen aufs Ausland sei nicht geplant. "Wenn
Länder wie Russland die Hand heben, tun sie dies auch nicht, um die
Sicherheit zu erhöhen, sondern aus ökonomischen Interessen."

Wer bezahlt die Endlagersuche?

2017 haben die Akw-Betreiber 24 Milliarden Euro in den Staatsfonds zur
Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) eingezahlt. Durch
Verzinsung sollen daraus bis Ende des Jahrhunderts fast 170 Milliarden
Euro werden. "Meiner Kenntnis nach geht diese Rechnung trotz
Niedrigzinsen auf", sagt König. Tatsächlich hat der Fonds nach eigenen
Angaben 2019 und damit früher als erwartet erstmals einen Gewinn
erwirtschaftet. 2020 wird ein Plus von 100 bis 125 Millionen Euro
erwartet. Sollte das Geld am Ende dennoch nicht reichen, muss der
Steuerzahler einspringen. Die Kraftwerksbetreiber müssen nichts
nachschießen.



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