[fessenheim-fr] Gestaenkere - Interview mit Gustav Rosa in der 'Bad. Ztg.'
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Mi Jun 24 22:41:25 CEST 2020
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Klaus Schramm
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Interview Gustav Rosa in 'Bad. Ztg.'
„Die Abschaltung ist ein erster Schritt“
BZ - INTERVIEW mit dem AKW-Gegner Gustav Rosa aus Breisach zur geplanten
Stilllegung des AKW Fessenheim am 29. Juni
BREISACH. Am Montag, 29. Juni, wird kurz vor Mitternacht der letzte
Reaktor des Atomkraftwerks in Fessenheim heruntergefahren. Was bedeutet
dies für die traditionsreiche Anti-Atomkraftbewegung in der Region. Mit
Gustav Rosa, der über neun Jahre jeden Montag in Breisach eine Mahnwache
organisiert hat, sprach Gerold Zink.
BZ: Geht für Sie am 29. Juni ein Lebenstraum in Erfüllung?
Rosa: Lebenstraum ist etwas übertrieben. Aber mich erfüllt eine große
Erleichterung und auch ein klein wenig Stolz, dass es der
Protestbewegung als kleines Rädchen im Riesenuhrwerk der Politik
gelungen ist, nicht nur eine große Gefahrenquelle abzuschalten, sondern
auch – zusammen mit unseren Mitstreitern aus dem Elsass – den
Atomausstieg in Frankreich einzuleiten.
BZ: Was hat Ihnen die Kraft verliehen, bei den 480 Montagsmahnwachen in
Breisach durchzuhalten?
Rosa: Die Kraft war weniger ausschlaggebend – das hätte auch jeder
andere gesunde Mensch hinbekommen. Es waren vor allem meine Mitstreiter,
die immer wieder auf den Neutorplatz gekommen sind, und vor allem die
Franzosen, die sich im Elsass so eine Aktion nicht vorstellen konnten.
BZ: Gab es auch Augenblicke, in denen Sie aufgeben wollten?
Rosa: Eigentlich nicht. Vielleicht ganz kurz, als mich vor zwei Jahren
große Rückenprobleme geplagt haben. Ich habe die Zähne zusammengebissen
und konnte weitermachen, auch dank der großen Unterstützung meiner Frau.
BZ: In Fessenheim gibt es bis heute viele Bürger, die die Abschaltung
des AKW kritisieren und um ihren Wohlstand fürchten. Können Sie dies
nachvollziehen?
Rosa: Mit dieser Problematik wurden wir schon von Anfang an
konfrontiert. Wir haben aber schnell festgestellt, dass die ewigen
Totschlagargumente ’Arbeitsplätze’ und ’wirtschaftlicher Ruin’ in diesem
Fall relativ unbegründet sind. Aus den Reihen der Belegschaft hat und
wird es wegen der Stilllegung keine einzige Entlassung geben. Ein Teil
der Beschäftigten wird auch weiterhin gebraucht, ein Teil geht ohnehin
in den Ruhestand und der Rest wird versetzt. Zudem werden beim Rückbau
eine Menge neuer Arbeitsplätze entstehen. Und nicht zu vergessen die
’Post-Fessenheim-Prozesse’! Ich bin zuversichtlich, dass das Ende der
atomaren Ära im Elsass für einen wirtschaftlichen Neuanfang – vor allem
im Bereich der erneuerbaren Energien – sorgen wird. Dafür haben wir uns
von Anfang an stark gemacht, und es gibt erste Anzeichen, dass die
Bevölkerung beginnt, daran zu glauben.
BZ: Als wirtschaftlicher Ersatz für das AKW ist unter anderem ein
deutsch-französischer Gewerbepark geplant. Reicht das aus?
Rosa: Wie schon gesagt: Die ’Post-Fessenheim- Projekte’ gehen weit über
einen deutsch-französischen Gewerbepark hinaus. Die Entwicklung wird
nicht nur die Region, sondern auch Gebiete weit darüber hinaus prägen.
Nicht zuletzt sind es die jüngsten Aachener Verträge, in denen dies
festgeschrieben wurde.
BZ: Wie groß ist Ihrer Meinung nach noch die Gefahr, die vom AKW
Fessenheim nach dem Abschalten des letzten Reaktors ausgeht?
Rosa: Die endgültige Abschaltung der beiden Reaktoren ist ein erster
Schritt. Wenn dann alle Brennelemente aus dem Reaktor entnommen und in
die Abklingbecken umgelagert sind, kann imReaktor selbst keine
Kernschmelze (also kein GAU) mehr eintreten. Dann wären wir beim
nächsten heiklen Thema: Die (Un-) Sicherheit der Abklingbecken im AKW
Fessenheim. Sie liegen relativ ungeschützt außerhalb der Reaktorkuppel
und sind anfällig für eine ganze Reihe von Beschädigungen. Ein
’Auslaufen’ der Behälter hat mit Sicherheit katastrophale Folgen weit
über unsere Region hinaus. Die verstrahlten Wassermassen des Rheins
würden ganz Mitteleuropa verseuchen. Darum ist unsere erste Priorität,
dass die vorhandenen Brennelemente so schnell wiemöglich abtransportiert
werden. Dies soll laut der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN bis
spätestens zum 31. Dezember 2023 erfolgt sein. Erst dann können wir alle
richtig aufatmen, müssen den Rückbau aber trotzdem mit wachsamen Augen
begleiten.
BZ: Wie werden die AKW-Gegner ihren Erfolg feiern?
Rosa: Es wird (und darf) mit Sicherheit keine ’rein deutsche
Siegesfeier’ werden. Alle Aktionen, an denen die Mahnwache Dreyeckland
organisatorisch und unterstützend beteiligt ist, werden in enger
Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen geplant und durchgeführt. Wir
richten unseren Blick vorwärts getreu dem Motto ’Vive l'Alsace sans
nucléaire’ (Es lebe das Dreyeckland ohne Atomkraft)! Es sollen die
versöhnlichen Töne dominieren. Noch gibt es unter uns auch Hardliner,
die ewiggestrige Gutachten auskramen und auf den noch bestehenden
Gefahrenpotentialen herumreiten. Das ist kontraproduktiv und könnte die
positive Entwicklung unter Umständen sogar gefährden.
BZ: Was unternehmen Sie künftig am Montagabend, wenn es keine Mahnwachen
mehr gibt?
Rosa: Das müssen Sie auch meine Mitstreiter fragen. Für mich ist es
nicht nur die eine Stunde auf dem Neutorplatz. Es beginnt schon um 17.30
Uhr, wenn ich das Atomfass aufs Autodach hieve, und endet spät nach
Mitternacht, wenn alle Bilder bearbeitet und mit dem Begleittext als
Dokumentation ins Internet gestellt sind. Damit wären wir bei Ihrer
zweiten Frage „... woher nehmen Sie die Kraft?“ Dazu meine Antwort:
Endlich ausruhen und das gute Gefühl genießen: Es hat etwas gebracht!
Zur Person: Gustav Rosa (69) ist selbstständiger Vermessungsingenieur
und wohnt in Niederrimsingen.
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