[fessenheim-fr] Brief an ba-wue. "Umwelt"-Ministerium, Dr. Gloeckle
Redaktion Umwelt RDL
umwelt at rdl.de
Di Apr 14 21:33:11 CEST 2020
Hallo Leute!
Gleichgültig, ob Reaktor 2 des AKW Fessenheim
tatsächlich - wie angekündigt - am 30. Juni
stillgelegt wird oder nicht, müssen wir uns
mit so einigen zukünftigen Problemen schon
jetzt befassen. Es ist ja leider nicht so,
daß mit der Stilllegung des AKW Fessenheim
von einem auf den anderen Tag Friede, Freude,
Eierkuchen zu erwarten wäre...
Hier zu Eurer Kenntnis ein Brief an Dr. Glöckle
im sogenannten Umwelt-Ministerium Baden-
Württemberg, das ja oberste Atomaufsich
hierzulande ist und auch in Hinblick auf
eine Umweltverträglichkeitsprüfung der
Pläne für den Abriß des AKW Fessenheim
gefragt ist...
Ciao
Klaus Schramm
Sehr geehrter Herr Dr. Glöckle,
Ihre Ausführungen vom 2.04.2020 beantworten wir wie folgt:
Die Abklingbecken von Fessenheim befinden sich in einem katastrophalen
Zustand,
s. u. Mail von Prof. Dr. Mertins.
Selbstverständlich ist das Gefahren-Potential nach der Stilllegung
geringer. Trotzdem gehen von den maroden Abklingbecken erhebliche
Gefahren aus. Dieses Potential erhöht sich noch, wenn im Juni der 2.
Reaktorblock abgeschaltet wird und sich dann alle Brennelemente in den
Abklingbecken befinden. Ein Unfall könnte nach Einschätzung des
Atomexperten, Christian Küppers, vom Öko-Institut Darmstadt, zu einem
Szenario führen „bei dem Evakuierungsmaßnahmen nötig wären“. (BZ 13.02.
2020) Evakuierungen, die in Umsiedlungen übergehen, wegen
Unbewohnbarkeit der betroffenen Regionen.
In den Abklingbecken befinden sich Brennelemente, die schon jetzt in
Castor-Behälter eingeschlossen werden können.
Wir erwarten, dass das Umweltministerium in Verbindung mit dem
Regierungsministerium Freiburg auf den möglichst baldigen Einschluss der
Brennelemente besteht und sich dafür bei den französischen Behörden
einsetzt.
Darüber hinaus halten wir den Bau einer Lagerhalle zur Trockenlagerung
von Brennelementen und anderen radioaktiven Abfällen, ausschließlich für
solche aus den Fessenheimer Reaktoren, für nötig.
Eine solche Lagerhalle muss nach dem Beispiel Lubmin mit mindestens 1,8
Meter dicken Stahlbetonwänden und Decke errichtet werden.
Der Bau einer Lagerhalle lässt sich in weniger als 2 Jahren realisieren,
wenn schnell entschieden wird und der Bau sofort beginnt. Auf dem
Betriebsgelände des AKW Fessenheim ist für eine Halle mit der
erforderlichen Größe ausreichend Areal vorhanden.
Außerdem sollte sich die Landesregierung in Verbindung mit dem
Regierungspräsidium Freiburg für Nachrüstungen, u.a. eine moderne
Notstromversorgung, einsetzen.
Wir halten es für nicht vertretbar, dass Sie sich erst in 3-5 Jahren in
den Rückbauprozess einschalten wollen. Eine UVP, mit
Öffentlichkeitsbeteiligung sollte sofort durchgeführt werden. Nach der
EU-Richtlinie 2011/92/EU besteht die Möglichkeit der Bundesrepublik
Deutschland sich an diesem Verfahren zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen,
gez. Dr.med. Claudia Richthammer, Klaus Schramm, Rosemarie Selbmann,
Dr.med. Hermann Maier, Michael Ernst, Dr. Georg Löser, Eberhard Bueb
P.S. wurde an Prof. Dr. Mertins zur Stellungnahme weitergeleitet (E.B.)
Von: manfred.mertins
Gesendet: Freitag, 3. April 2020 21:43
An: Eberhard Bueb u.a.
...
Betreff: AW: Trockenlagerung von Brennelementen
Hallo Eberhard Bueb,
vielen Dank für die Information.
Der Argumentation des UM Baden Württemberg kann ich nicht folgen.
Die Lagerung der abgebrannten BE in französischen AKW, insb. aber auch
Fessenheim, stellt ein erhebliches, nicht tolerierbares
sicherheitstechnisches Problem dar:
* Die Lagerbecken sind außerhalb des Containments angeordnet (es sind im
Prinzip „Aufbewahrungsbecken“ ohne besonderen Schutz)
* Die Zuverlässigkeit der Kühlsysteme genügt nicht den gültigen
Anforderungen
* Die Auslegung gegen Erdbeben und Überflutung ist unzureichend,
insbesondere gegen höhere Belastungen (sh. Fukushima)
* Es existieren keine Maßnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen
katastrophaler Ereignisabläufe (z.B. Verlust des Kühlmittels)
* Sicherheit gegen Flugzeugabsturz ist praktisch nicht vorhanden.
Das vorgebrachte Argument, dass der Bau eines temporären Zwischenlagers
5 Jahre dauern würde, ist gelinde gesagt Quatsch. Das kann ja keine
behördliche Argumentation sein. Die Behörde sollte vorrangig das Ziel
verfolgen, den bestmöglichen Schutz für Bevölkerung und Umwelt zu
erreichen.
Also dazu wäre ein klares Verbot einer längeren Lagerung abgebrannter BE
in den betrieblichen Lagerbecken von Nöten.
Die abgebrannten BE wären in einem nach Stand von WuT zu errichtenden
vorläufigen Zwischenlager (trockenes Zwischenlager auf der Basis von
Castoren) zeitlich befristet zwischen zu lagern für den Fall, dass ein
Abtransport aus praktischen Gründen nicht möglich ist.
Man sollte hier konsequent sein. Die gegenwärtige Situation ist aus
sicherheitstechnischer Sicht inakzeptabel, auch wenn Fessenheim bereits
abgeschaltet wäre.
Beste Grüße
M. Mertins
Sehr geehrter Herr Bueb,
in Ihrer Email vom 15.03.2020 regen Sie an, die Brennelemente vom
Kernkraftwerk Fessenheim in Behältern zu lagern und durch eine solche
trockene Zwischenlagerung die Zeit der Lagerung im
Brennelementlagerbecken zu reduzieren. Hierzu möchten wir Ihnen ein paar
Hintergründe und Überlegungen zukommen lassen.
Im Hinblick auf das nukleare Risiko ist eine Lagerung von Brennelementen
in Transport- und Lagerbehältern (z.B. Castor-Behältern) in einem eigens
errichteten gegen äußere Einwirkungen gut geschützten Lagergebäude
(Zwischenlager) der Nasslagerung im Brennelementlagerbecken vorzuziehen.
Jedoch würde die Planung, das Genehmigungsverfahren und der Bau eines
Zwischenlagers zusammen rund 5 Jahre in Anspruch nehmen.
Mit einem solchen Lagergebäude am Standort des Kernkraftwerks Fessenheim
würden die Brennelemente länger dort verbleiben. Vermutlich würden auch
Brennelemente aus anderen französischen Kernkraftwerken zu einer
Zwischenlagerung dorthin transportiert, bevor sie zur Wiederaufarbeitung
nach La Hague gebracht werden. Fessenheim wäre über einige Jahrzehnte
hinweg ein Nuklearstandort, zu und von dem laufend Nukleartransporte
stattfänden. Daher halten wir ein Zwischenlager in Fessenheim für nicht
erstrebenswert.
Es gibt bereits Überlegungen in Frankreich, ein großes Zwischenlager zu
erreichten, da die Lagerkapazitäten in La Hague an Grenzen stoßen. Von
deutscher Seite sollte nicht befördert werden, dass ein solches Lager
nach Fessenheim kommt.
Mit der Abschaltung der beiden Blöcke des Kernkraftwerks sank und sinkt
das nukleare Risiko entscheidend. Die Gefahren infolge der Nasslagerung
der Brennelemente sind bei weitem geringer als diejenigen, die mit dem
Leistungsbetrieb verbunden sind. Mit dem Abtransport der Brennelemente
ist selbstverständlich nochmals eine deutliche Risikoreduktion
verbunden. Die bisher kommunizierten Planungen der EDF gehen davon aus,
dass die Brennelemente innerhalb von drei Jahren nach der Abschaltung
abtransportiert werden. Ein solcher Abtransport innerhalb von drei
Jahren ist u.E. positiv zu werten. Von deutscher Seite sollten wir uns
dafür einsetzten, dass es tatsächlich in dieser Zeit geschieht und die
Brennelemente nicht aufgrund der erwähnten Lagerengpässen in La Hague
länger in Fessenheim bleiben.
Das Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Abbau des
Kernkraftwerks Fessenheim erfordert eine grenzüberschreitende
Umweltverträglichkeitsprüfung. In diesem Verfahren können sich deutsche
Behörden und die Bevölkerung in Deutschland beteiligen. In dem Verfahren
wird sich auch Baden-Württemberg mit einer Stellungnahme beteiligen. Die
Zeitplanung auf französischer Seite sieht vor, dass es rund 2 Jahre
dauert bis die Unterlagen der EDF vorbereitet und eingereicht werden;
ein Abschluss der behördlichen Prüfung und die Erteilung der Genehmigung
ist in rund 5 Jahren vorgesehen. Aus diesen Daten ergibt sich, dass die
öffentliche Beteiligung im Rahmen der grenzüberschreitenden UVP in etwa
3 bis 4 Jahren erfolgt.
Es wird daher darauf ankommen, den Wunsch nach einem raschen Abtransport
der Brennelemente schon vorher in der Deutsch-Französischen Kommission
und in der CLIS zu unterstreichen. Dies werden die Vertreter/innen
Baden-Württembergs in den Gremien tun.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Walter Glöckle
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Abteilung 3
Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz
Kernerplatz 9
70182 Stuttgart
Telefon: +49 711 126-2607
E-Mail: <mailto:walter.gloeckle at um.bwl.de> ,
Internet: <http://www.um.baden-wuerttemberg.de/>
www.um.baden-wuerttemberg.de
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