[fessenheim-fr] Reinigungsroboter in Reaktor gefallen

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Mo Mär 25 19:53:52 CET 2019


Hallo Leute!

Hier der vorhin genannte Artikel aus
der 'Badischen Zeitung'...

Ciao
    Klaus Schramm


Gefährlicher Vorfall
Reinigungsroboter in Fessenheim-Reaktor gefallen – Kühlung saugte ihn an

Von Bärbel Nückles

Mo, 25. März 2019 um 15:40 Uhr

Elsass

Hat der Fessenheim-Betreiber zwei Vorfälle aus den vergangenen
Wochen verharmlost? Ein Reinigungsroboter war in den Druckbehälter
gefallen und von der Kühlung angesaugt worden.

Zwischen dem 19. Januar und 12. März 2019 war Reaktor 1 in Fessenheim
außer Betrieb, um Brennelemente auszutauschen. Ein üblicher Vorgang,
bis auf die Tatsache, dass es für den älteren der beiden
Druckwasserreaktoren der letzte Wechsel gewesen sein dürfte, bevor er
im März 2020 endgültig vom Netz gehen soll.

Innerhalb dieser Zeitspanne hat der Betreiber Electricité de France
(EDF) nicht nur neue Brennstäbe geladen. Es wurden auch eine ganze
Reihe von Maßnahmen zur Instandhaltung durchgeführt – auch dies ist
üblich. Ungewöhnlich jedoch ist die Zahl von acht Störfällen in diesem
Zeitraum. Zwei davon erreichen die Stufe 1 der internationalen
Meldeskala Ines.

Zweifel am Sicherheitsmanagement

Ein Blick in eine aktuelle Stellungnahme der französischen
Atomaufsicht ASN zu einem Zwischenfall lässt, wenn man sie mit der
ersten Verlautbarung durch EDF zu diesem Vorfall vergleicht, Zweifel
am Sicherheitsmanagement des Akw aufkommen. Während des Stillstandes
von Fessenheim 1 waren ASN-Inspekteure dreimal unangekündigt vor Ort,
unter anderem am 26. Februar.

Vier Tage zuvor war es zu einem Zwischenfall bei der Reinigung des
Reaktorbeckens mit einem ferngesteuerten Roboter gekommen. Am 22.
Februar kippte der Roboter gegen 22.15 Uhr in den Druckbehälter und
blieb etwa einen Meter über den Brennelementen hängen.

Er wurde von einem Rohr des Kühlkreislaufs festgesaugt. Der
Kühlkreislauf musste vorübergehend – laut ASN 13 Minuten lang –
abgeschaltet werden, damit der Roboter geborgen werden konnte. All das
spielte sich unter Wasser ab. Bis die Pumpe des Kühlkreislaufs wieder
in Gang gesetzt werden konnte, war es 4.25 Uhr am Morgen.

Ein Stecker war falsch gesetzt

Reaktor 1 war zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Wochen abgeschaltet
und noch nicht hochgefahren, die trotzdem vorhandene sogenannte
Nachzerfallswärme laut ASN begrenzt. Für Thierry de Larochelambert,
Professor für Physik und Chemie am Fachbereich Energie des
Forschungsinstituts FEMTO-ST in Belfort, zeigt sich hier jedoch ein
eklatanter Fall menschlichen Versagens.

Bei einer riskanten Technologie wie der Atomkraft, so de
Larochelambert, könne eine Verkettung von Fehlverhalten katastrophale
Folgen haben. Bei einer anderen Störung hatte die Akw-Leitung am 11.
März bemerkt, dass ein Instrument zur Steuerung des Neutronenflusses
falsche Daten lieferte – weil, so liest sich die Beschreibung der ASN
jetzt – ein Stecker nicht an der richtigen Stelle saß.

Der Reaktor war schon befüllt, aber noch nicht verschlossen

Den Absturz des Reinigungsroboters vom 22. Februar, sagt de
Larochelambert, halte er jedoch für bedenklicher. Er gewähre Einblick
in die Vervielfachung von Risiken, die aus dem Zusammenspiel von
menschlicher Routine und Inkompetenz in nuklearen Anlagen herrührten.
In dem betreffenden Fall sei der Reaktordruckbehälter nach dem
Befüllen mit neuen Brennelementen noch nicht verschlossen gewesen.

"Eine Erhöhung der Temperatur durch die ausgeschaltete Kühlung hätte
ein nicht kalkulierbares Risiko bedeutet", sagt de Larochelambert,
denn EDF hat in Fessenheim erstmals auch bereits genutzte
Brennelemente eingesetzt. "Ich persönlich bin gegen diese Maßnahme",
sagt der Physiker, "weil die Brennstäbe schneller altern und die
Gefahr besteht, dass die Kettenreaktion bei der Kernspaltung nicht
homogen vonstatten geht."

Kannten die Arbeiter das Risiko?

Der Kühlkreislauf sei immerhin fast eine Viertelstunde abgeschaltet
gewesen. Und man habe Glück gehabt, dass es zu keinem
Temperaturanstieg des zu diesem Zeitpunkt bereits voll geladenen
Reaktorkerns gekommen sei. Für de Larochelambert hätte der Störfall
jedenfalls höher eingestuft werden müssen.

Durchgeführt haben die Reinigung des Reaktorbeckens zudem nicht
Mitarbeiter von EDF, sondern ein Subunternehmer. Einige Sätze in der
Aufarbeitung der ASN lassen darauf schließen, dass die Arbeiter über
die Risiken des Vorgangs unzureichend aufgeklärt oder informiert waren.

Wurde der Störfall zu spät gemeldet?

Zu diesem Punkt verlangt auch Pierre Bois, Chef der für die Akw
Cattenom und Fessenheim zuständigen ASN Straßburg eine Erklärung. "Die
potentiellen Konsequenzen hätten", heißt es in seiner online
nachlesbaren Zusammenfassung, "zu einem Ausfall des Kühlkreislaufs
führen können".

Für die Kühlung des Reaktorkerns hätten dann Notfallmaßnahmen
ergriffen werden müssen. Bois verlangt auch eine Rechtfertigung, warum
die Akw-Leitung seine Behörde erst am Morgen nach dem Störfall
informiert hatte. Das Wiederhochfahren von Fessenheim 1 hat Bois am 6.
März dennoch bewilligt.



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