[fessenheim-fr] Fwd: [antiAtom-Initiativen] Schwerer nuklearer Störfall in Russland: Werte um das Tausendfache erhöht

Ingo FALK ingo at falk-net.de
Mi Nov 22 13:11:16 CET 2017


Betreff: 	[antiAtom-Initiativen] Schwerer nuklearer Störfall in
Russland: Werte um das Tausendfache erhöht
Datum: 	Wed, 22 Nov 2017 12:04:06 +0100
Von: 	Ellen <ronja.74 at gmx.de>
An: 	antiatom-initiativen at lists.nadir.org



http://www.taz.de/Schwerer-nuklearer-Stoerfall-in-Russland/!5461381/


        Schwerer nuklearer Störfall in Russland


  Werte um das Tausendfache erhöht

*Behörden bestätigen eine Verstrahlung im Ural nahe der Atomfabrik
Majak. Die gemessenen Werte liegen fast tausendmal über der Norm.*

BERLIN /taz/ | In Russland hat sich offenbar im September ein schwerer
atomarer Zwischenfall ereignet, der bislang verschwiegen wurde. Am
Montag bestätigte der russische Wetterdienst Rosgidromet, dass in dem
Dorf Argajash im Ural radioaktives Ruthenium-106 gemessen wurde, das die
natürliche Strahlung um das 986-Fache überschreitet. Die Messstelle
befindet sich nur etwa 20 Kilometer entfernt von der berüchtigten
Atomfabrik Majak, wo sich bereits in der Vergangenheit schwere
Nuklearkatastrophen ereignet haben. Würden dort EU-Standards gelten,
hätte die Gegend wohl evakuiert werden müssen. Der Betreiber der Anlage,
der russische Energiekonzern Rosatom, hat die Vermutung zurückgewiesen,
die Strahlung stamme aus Majak.

Die Meldung über die radioaktive Belastung hatte Rosgidromet dezent als
dritten Punkt einer Presseerklärung über Gewässerbelastungen publiziert.
Sie bestätigt Berechnungen von deutschen und französischen Stellen, die
im Herbst eine erhöhte Konzentration von Ruthenium in der Luft über
Europa festgestellt hatten. Diese Werte sind inzwischen zurückgegangen.
In Mittel- und Westeuropa habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die
Bevölkerung bestanden, erklärten die Behörden.

Über die Ursache für die massiv erhöhte Strahlung konnte Anfang Oktober
nur spekuliert werden. Und auch jetzt machen die russischen Behörden
keine genauen Angaben über den Vorgang. Greenpeace Russland hat deshalb
die Atomfirma Rosatom aufgefordert, eine „tiefgehende Untersuchung über
die Vorgänge“ zu veröffentlichen. Gleichzeitig müsse geklärt werden, ob
es eine „Vertuschung eines nuklearen Unfalls“ gegeben habe.

Rosatom erklärte dagegen auf seiner Website, Majak sei sicher nicht die
Quelle der Strahlung. Das sei nur möglich, wenn es in einem
Atomkraftwerk oder bei der Behandlung von Brennelementen einen Fehler
gebe. Ein Atomunfall hätte aber andere Spuren hinterlassen und 2017
seien gar keine Brennelemente bearbeitet worden. „Die Emissionen an die
Außenwelt bewegen sich im üblichen erlaubten Rahmen“, heißt es. „Die
Hintergrundstahlung ist normal“.

Ursache für die Kontaminierung ist offenbar nicht ein Leck in einem
laufenden Atomkraftwerk, meinen Experten der deutschen Gesellschaft für
Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und des französischen
Nuklearforschungsinstituts IRSN. Eher wird vermutet, dass in der
Wiederaufbereitung von nuklearen Brennstoffen in der Atomanlage Majak
ein schwerer Fehler aufgetreten ist. Da nur Ruthenium-106 nachgewiesen
wurde, schließt das IRSN einen Vorfall in einem Reaktor aus, „der auch
andere Radionukleide freisetzen würde“, heißt es. Möglich wären als
Quelle Atomanlagen wie eine Wiederaufbereitungsanlage oder der Absturz
eines Satelliten mit Ruthenium-Antrieb.


            *Immer wieder Störfälle in Majak*

Den aber habe es nicht gegeben, schreiben die IRSN-Forscher. Bleibt also
nur eine Quelle in einer atomaren Einrichtung. Und deren Standort haben
die französischen Forscher anhand ihrer Messdaten von Oktober und den
Windverhältnissen zurückgerechnet. Ihre Karte zeigt die höchste
Wahrscheinlichkeit für die Region Tschelja­binsk im Ural. In dieser
Gegend liegen Argajash und die Atomfabrik Majak. In diesem Komplex (zu
deutsch „Leuchtturm“) ereignete sich am 29. September 1957 der
„Kyschtym-Unfall“, die bislang drittschwerste Atomkatastrophe der
Geschichte. Dabei wurden nach einer Explosion eines Containers mit
nuklearem Abfall 20.000 Quadratkilometer und 270.000 Menschen verseucht.
Auch in den folgenden Jahren wurden aus Majak immer wieder Störfälle
gemeldet.

Die aktuelle Belastung der Bevölkerung hätte nach IRSN-Angaben für
französische Verhältnisse eine Evakuierung nach sich ziehen müssen. „Ein
Unfall dieser Größe hätte lokale Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung in
einem Radius von einigen Kilometern rund um den Ort der Freisetzung
erfordert“, schreiben die Experten.

„Von dem, was wir bisher wissen, ist das ein wirklich schwerer Unfall“,
sagte gestern Mycle Schneider. Der Atomexperte stellte in Berlin seinen
jährlichen Statusbericht zur weltweiten Lage der Atomindustrie „World
Nuclear Industry Status Report“
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vor. In ihm bescheinigt er der Atomkraft einen weiteren Niedergang.
„Manche Neubauten von Erneuerbaren-Energien-Anlagen bringen billigeren
Strom als Atomkraftwerke, die sich schon amortisiert haben“, sagte
Schneider.


            *Wachstum fast nur noch in China*

Zwar sei 2016 die weltweite Produktion von Atomstrom um 1,4 Prozent
gestiegen, aber der Anteil an der Stromversorgung sei weiter von ihrem
Höhepunkt von 17,5 auf 10,5 Prozent gesunken. Neue Atomkraftwerke würden
kaum noch gebaut, von 53 Neubauten seien 37 in Zeitverzug oder
„Bauruinen“, die Laufzeiten würden gestreckt. Dynamik komme fast nur
noch aus China, wo im letzten Jahr 5 von weltweit 10 neuen Reaktoren ans
Netz gingen. „China dominiert den Markt seit einem Jahrzehnt, aber
vielleicht ist dieser Boom auch schon wieder dabei“, sagte Schneider,
der für seine Arbeit 1997 den alternativen Nobelpreis bekam.

Besonders betonte er die ökonomischen Probleme der Atomfirmen. 2016 ging
die größte Nuklearfirma, der US-Konzern Westinghouse, pleite. Die
französische Areva hat 12 Milliarden Euro an Verlusten aufgehäuft, die
Aktienkurse der Energie­konzerne RWE und Eon sind abgestützt.

Und die Kosten laufen erst recht aus dem Ruder, wenn etwas schiefgeht.
Der Unfall in Fukushima 2011 kostet die japanischen Steuerzahler und
-zahlerinnen offiziell 200 Milliarden US-Dollar, laut Schneider können
es aber auch zwischen 444 und 630 Milliarden sein. Und von Kosten für
den Störfall in Majak ist in dem Bericht noch gar keine Rede.

 
 
 
 
 



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