[fessenheim-fr] 8 Fehler in 1 Artikel
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Mo Sep 19 19:22:02 CEST 2016
Hallo Leute!
Heute erschien ein Artikel Stefan Brändle in der
Schweizer Tageswoche
www.tageswoche.ch/de/2016_38/international/730011/
unter dem Titel
'Ob Fessenheim abgeschaltet wird, ist doch wieder offen'
(Das ist schon mal Schwachsinn!)
- Text siehe unten
...und zugleich in der FR unter dem Titel
'Fessenheimer wollen AKW behalten'
Dieser Artikel enthält 8 gravierende Fehler.
Wer findet alle?
Ciao
Klaus Schramm
Atomstrom
Ob Fessenheim abgeschaltet wird, ist doch wieder offen
19.9.2016, 08:03 Uhr
François Hollande hat die Schliessung des ältesten französischen
Atomkraftwerks in Fessenheim versprochen. Doch nun läuft die Amtszeit
des Präsidenten ungenutzt ab. Frankreich kann sich partout nicht
zwischen Atomkraft und erneuerbaren Energien entscheiden.
Von Stefan Brändle
Das AKW Fessenheim bleibt vielleicht noch deutlich länger am Netz als
versprochen. (Bild: Keystone)
Es wäre ein beschaulicher Flecken der oberrheinischen Tiefebene, ein
Radlerparadies mit wogenden Feldern und schmucken Dörfern voller
«Winstuben» und bunten Hausfassaden, wie es hier im Elsass Brauch ist.
Und doch taucht Fessenheim in den wenigsten Fremdenführern auf.
Der Grund ist das lokale Atomkraftwerk. Dabei wird es nicht einmal durch
Kühltürme verunstaltet: Das Fliesswasser des Rheinseitenkanals kühlt die
Reaktoren zur Genüge. Dies bringt allerdings auch ein Problem mit sich.
«Die Meiler liegen neun Meter unterhalb des Kanals», sagt der
bekannteste Fessenheim-Gegner, der Atomphysiker Jean-Marie Brom, durch
seinen weissen Vollbart. «Wenn die Deiche brechen, könnte es zu einer
ähnlichen Überschwemmung wie in Fukushima kommen.»
Damit ist ein weiteres Problem angesprochen: Fessenheim liegt in einer
Erdbebenzone, die sich durch den Rheingraben zieht. Nicht gerade der
beste Standort für ein AKW. 1977, als der Doppelreaktor von Fessenheim
eröffnet wurde (und zwar als erster des 58-köpfigen AKW-Parks in
Frankreich), sah man geflissentlich darüber hinweg. Im Dorf tut man das
noch heute.
«Heute ist Fessenheim eines der sichersten Kernkraftwerke im Land.
Wirklich, die Einwände der AKW-Gegner sind blosses Geschwätz», behauptet
der Bürgermeister von Fessenheim.
«Das AKW wurde nachgerüstet, es würde sogar ein Erdbeben von 6,5 auf der
Richterskala aushalten, wie es 1356 die Stadt Basel in Trümmer legte»,
sagt der Bürgermeister von Fessenheim, Claude Brender. «Die Hälfte der
französischen Reaktoren liegen in seismischen oder Überschwemmungszonen.
Heute ist Fessenheim eines der sichersten Kernkraftwerke im Land. Und
eines der rentabelsten», fügt der joviale Ortsvorsteher an. «2015 hat es
die zweitbeste Leistung erbracht. Wirklich, die Einwände der AKW-Gegner
sind blosses Geschwätz.»
Immerhin verlangen die Regierungen Deutschlands und der Schweiz seit
Jahren und mit Nachdruck die Stilllegung von Fessenheim. Beide
Nachbarländer beziehen zwar seit jeher Strom aus dem AKW: Die EnBW in
Baden-Württemberg 17,5 Prozent der Produktion, Schweizer Stromkonzerne
(siehe Kasten) 15 Prozent. Die deutsche Umweltministerin Barbara
Hendricks erinnert aber auch daran, dass der Südwestwind die
radioaktiven Wolken nach einem Unglück direkt nach Stuttgart tragen
würden, wo Hunderttausende von Menschen leben.
Hollande hat hier keine Freunde mehr
2014 drangen 56 Greenpeace-Aktivisten in das AKW-Gelände ein, um vor den
Risiken der ältesten «centrale nucléaire» Frankreichs zu warnen. Eine
laufende, von 28'000 Personen unterzeichnete Petition (eine von vielen)
rechnet vor, dass bei einem «Fukushima-Szenario» eine Million Menschen
unter anderem aus Mulhouse, Colmar, Freiburg i.Br. oder Basel evakuiert
werden müssten.
2012 hatte der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande
dem Drängen der grünen Koalitionspartner nachgegeben und in Punkt 41
seiner Wahlversprechen schwarz auf weiss festgehalten: «Ich werde das
AKW Fessenheim abschalten.» Einmal im Elysée, nannte er als
Schliessungstermin des dienstältesten und umstrittenen Meilers Ende 2016.
Das Dorf Fessenheim lebt zu einem grossen Teil vom AKW. (Bild: Stefan
Bohrer)
Im Dorf und im AKW Fessenheim hat Hollande deshalb nicht mehr viele
Freunde. Vor dem hübsch begrünten Rathaus hängt ein Transparent über die
Strasse: «AKW geschlossen, Einwohner und öffentliche Dienste geopfert.»
Gegenüber meint die Bäckerin, im Fall einer Werksschliessung würden
nicht nur Hunderte von EDF-Angestellten das Dorf verlassen, sondern auch
die Boulangerie oder die Kleinläden dichtmachen. Und was sie nicht sagt:
Electricité de France (EDF), der mächtige staatliche Energiekonzern,
würde dann kaum mehr 70 Prozent des Gemeindebudgets tragen.
Nochmals zehn Jahre?
Hollandes Energiekonzept will den Atomanteil an der nationalen
Stromproduktion von heute 75 Prozent bis 2015 auf 50 Prozent senken. Ein
gigantisches Unterfangen. Ein «Energiewendegesetz» machte 2015 den
Beginn. Als Mittel zur CO2-Reduktion wird die Wind- und Sonnenenergie
genannt. Und die Atomkraft. Deren Nennleistung wird in dem Gesetz
plafoniert – allerdings auf 62,3 Gigawatt im Jahr, gleich viel wie heute.
«Damit könnten alle 58 Atomreaktoren am Netz bleiben», erboste sich
Greenpeace und rechnete vor, dass Frankreich nicht nur Fessenheim
schliessen müsste, sondern 15 weitere Meiler, wenn es die
Atomstromproduktion wirklich auf 50 Prozent herunterfahren möchte.
Umweltministerin Ségolène Royal sagte, die Laufzeit des französischen
AKW-Parks solle um zehn auf 50 Jahre verlängert werden. Und für den
Fall, dass Fessenheim trotzdem stillgelegt würde, schätzte die EDF seine
Entschädigungsforderungen an den Staat auf 4 Milliarden Euro. Darauf
meinte Royal, Fessenheim könne erst abgestellt werden, wenn in
Flamanville (Normandie) der neuartige Druckwasserreaktor EPR (die dritte
AKW-Generation) fertig gebaut sei.
Hollandes Versuch, sowohl die nationale Nuklearindustrie wie auch die
Umweltschützer zufriedenzustellen, wird für alle Seiten zum Desaster.
Das wird frühestens 2018 der Fall sein – wenn Hollandes Amtszeit
abgelaufen ist. Dass der unpopuläre Präsident wiedergewählt wird, ist
unwahrscheinlich. Und die konservativen Präsidentschaftsfavoriten
erklären, sie würden das AKW Fessenheim nicht stilllegen. Favorit Alain
Juppé hat dies sogar in einem Brief an Parteifreund Brender im Rathaus
von Fessenheim schriftlich festgehalten.
Hollandes Versuch, sowohl die nationale Nuklearindustrie wie auch die
Umweltschützer zufriedenzustellen, wird für alle Seiten zum Desaster.
Die grüne Partei EELV ist vor zwei Jahren wütend aus der Regierung
ausgetreten, und die verunsicherten Atomkonzerne EDF und Areva sind in
eine schwere Krise geschlittert.
Situation bleibt ungeklärt
Mit den nahenden Präsidentschaftswahlen (Mai 2017) will Hollande
wenigstens noch einen formellen Schliessungsentscheid durchdrücken. Im
August drängte er die EDF – an der die französische Regierung mit 85
Prozent der Anteile das Sagen hat – zu einem Abfindungsvertrag von
vorerst 400 Millionen Euro für die Fessenheim-Abschaltung. Mitte
September soll die AKW-Belegschaft über das Stilllegungsdekret
informiert werden.
Gewerkschaften und EDF-Chef Jean-Bernard Lévy setzen aber alles daran,
die Termine hinauszuzögern. Und selbst wenn es Hollande gelingen sollte,
das Fessenheim-Dekret noch vor Mai 2016 zu unterzeichnen, sind die
Folgen umstritten: Juristen sind sich uneins, ob ein neuer Präsident das
Dekret einfach aufheben könnte – oder das Genehmigungsverfahren neu
beginnen müsste.
Auch im Elsass ist niemand glücklich über die ungeklärte Situation.
Fessenheims Bürgermeister Brender ereifert sich über die «absurde Lage»,
die das AKW und seine Gemeinde zum Spielball ferner Pariser Interessen
mache.
Auf der Gegenseite klagt Aline Baumann vom Verein «Stop Fessenheim»
ihrerseits über das «politische Rumgedruckse», das die jahrelang
erkämpfte und endlich nahe geglaubte Stilllegung plötzlich wieder in
weite Ferne rücke. «Während Italien, Österreich, die Schweiz oder
Deutschland ihre Energiepolitik mutig revidiert haben», meint die
Vereinspräsidentin, «ist Frankreich schlicht unfähig, aus der Atomkraft
auszusteigen.»
Schweiz bezieht Strom aus Fessenheim
Bundesrätin Doris Leuthard hat ihre französische Amtskollegin Ségolène
Royal 2015 in Paris mit Nachdruck daran erinnert, dass die Region Basel
die raschestmögliche Schliessung des umstrittenen Atomkraftwerkes
wünsche. Was weniger bekannt ist: Seit der AKW-Inbetriebnahme 1977
bezieht die Schweiz selber Strom aus Fessenheim. Ein Konsortium aus den
drei Energieunternehmen Alpiq, Axpo und BKW hat mit der Betreiberin EDF
ein Strombezugsrecht vereinbart. Es umfasst 15 Prozent der Leistung
Fessenheims, rund 1800 Gigawattstunden im Jahr. Das ist etwas mehr, als
der Kanton Basel-Stadt an Strom konsumiert. Als Gegenleistung hat sich
das Konsortium an den Bau- und Investitionskosten beteiligt. Die
Schweizer Energieunternehmen sind allerdings nicht Aktionäre von
Fessenheim, wie der Konsortiumssprecher Andreas Meier auf Anfrage
betont. Zur Frage der Stilllegung werden die drei Schweizer
Stromproduzenten genauso wenig beigezogen wie die deutsche Energie
Baden-Württemberg (EnBW), die ihrerseits 17,5 Prozent des
Fessenheim-Stroms bezieht. Sollte Frankreich das AKW Fessenheim wirklich
stilllegen, wäre es «legitim, angesichts der getätigten Investitionen
über Entschädigungen zu reden», findet Meier weiter.
Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr