[fessenheim-fr] Erst 2020 Stilllegung des AKW Fessenheim?

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Do Okt 29 12:45:01 CET 2015


Hallo Leute!

Seit einigen Monaten fluten die Mainstream-Medien ihre
LeserInnen mit Meldungen zum AKW Fessenheim - im
Durchschnitt ein bis zwei Mal pro Woche. Informations-
Gehalt = Null. Deshalb war diese Flut auch für die
Mailingliste [fessenheim-fr] ohne Belang...

Hollande will sein Wahl-Versprechen, das AKW Fessenheim
bis 2016 stillzulegen, nun doch einhalten... oder doch
nicht... oder vielleicht erst 2016... aber ganz sicher
2018... Nein, doch nicht 2018, weil bis dahin der EPR-
Atom-Reaktor in Flamanville nicht fertig wird... Aber
Umwelt-Ministerin Royal hat gesagt... Jetzt hat sie ihre
Aussage zurückgenommen... Der Präsident widerspricht
seiner Ex-Gattin Royal... und dergleichen mehr an
heißer Luft.

Allerdings ist es durchaus beachtlich, mit welchem
Geschick hier aus Nichts hunderte und aberhunderte
Zeilen aufgepoppt werden! Offenbar ist der einzige
Zweck dieser Null-Berichterstattung, die eigenen
LeserInnen in einem Schwebezustand zwischen Hoffen
und Bangen zu halten (und nebenbei unterschwellig
- wie immer - die Mär mit einfließen zu lassen, in
Frankreich sei die Mehrheit der Bevölkerung für
Atomenergie!)

Beispielhaft für solch einen Artikel mit Null-Inhalt
ist der von der BZ-Journalistin Bärbel Nückles vom
11. Oktober, "Fessenheim: Das lange Warten auf das
Aus" (So manchen wäre es sicherlich ganz recht, wenn
die Menschen im Dreyeckland in passiven Warten
verharren würden!), der auf der Internet-Seite der
Anti-Atom-Gruppe Freiburg dokumentiert ist.

Heute erschien dieser Artikel ein klein wenig
abgeändert unter dem Titel "Atommeiler in Fessenheim:
Streit belastet Nachbarschaft" in der 'Stuttgarter
Zeitung':
www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.atommeiler-in-fessenheim-streit-belastet-nachbarschaft.26ae96dd-9a05-4d21-ba6a-138402c09f2b.html

(Text s.u.)
Wenigstens bietet der Artikel etwas zum Lachen:
Die Worte "wie diese Woche" sind aus dem Artikel v. 11.10.
unverändert übernommen.

Das einzig "Neue" darin: Jetzt wird das Datum 2020 als
Sau durchs Dorf gejagt!

Allerdings heißt es in Hinblick auf 2020: "EdF scheint sich zu
fügen". Na also, es gibt also wieder einen Grund, an das
"Primat der Politik über die Ökonomie" zu glauben! ;-)

Obwohl der Informations-Gehalt also erneut gleich Null ist,
lädt diese Jahreszahl 2020 denn doch zu einem Kommentar ein:

Bei dem sich rapide verschlechternden Zustand der 435 weltweit
in Betrieb befindlichen Atom-Reaktoren wird sich der nächste
Super-GAU sicher vor 2020 ereignen. Wenn wir uns vergegen-
wärtigen, wie die französischen BäuerInnen kürzlich bei ihrem
Protest auch Autobahnen in Frankreich blockierten (das erinnert
an den Atom-Ausstieg in Italien im Jahr 1987!), dürfte klar
sein, was in Frankreich geschehen wird, wenn sich - sagen wir mal -
im Februar 2016 der Super-GAU im AKW Blayais ereignet.
Dann ist durchaus realistisch anzunehmen, daß in Frankreich
noch vor Deutschland der Atom-Ausstieg durchgesetzt wird!

Bei rund 72 Prozent Atomstrom-Anteil und bislang nur marginal
(ca. 12 Prozent) ausgebauten erneuerbaren Energien würde ein
sofortiger Atom-Ausstieg in Frankreich allerdings ebenso
(für gewisse Kreise) einschneidende Auswirkungen haben, wie
jener, der in den vergangenen vier Jahren - de facto - in
Japan zu beobachten war...

Es wäre unseren NachbarInnen jenseits des Rheins also allein
schon aus ökonomischen Erwägungen anzuraten, mal nach und
nach die ältesten Atom-Reaktoren stillzulegen (sie müßten dies
ja - nach dem Vorbild der britischen Regierung, die in Hinblick
auf "Atom-Ausstieg" real mehr "geleistet" hat als die beiden
Merkel-Regierungen seit 2011; von Schröder und Trittin ganz
zu schweigen! - gar nicht "Atom-Ausstieg" nennen.). Warum aber
wäre eine solche (bei NGOs ja beliebte) Berater-Tätigkeit
für die Katz? Im zentralistisch regierten Frankreich wirkt
das "Primat der Ökonomie" noch weitaus direkter als in Berlin.
Hierzulande gab es im August 2011 im Sinne der deutschen
Semi-Demokratie ein (Nein, kein halbes!) Entgegenkommen, um
die Proteste von Hunderttausenden einschläfern zu können.

Hinter diesem "Primat der Ökonomie über die Politik" steht
der Zwang zur Profit-Maximierung - und damit zugleich und
als dessen zwangsläufige Konsequent (psychologisch betrachtet):
die Gier.

Ciao
    Klaus Schramm


     Baden-Württemberg

Atommeiler in Fessenheim
Streit belastet Nachbarschaft

Von Bärbel Nückles
29. Oktober 2015 - 08:35 Uhr

Die sozialistische Regierung will den alten Atommeiler in Fessenheim 
schnell abschalten. Oder doch nicht? In Fessenheim regt sich Widerstand 
gegen die Schließung. In Südbaden wächst dennoch Hoffnung. Grund ist 
eine Ansage des Betreibers EdF.

Im elsässischen Fessenheim gibt es auch Demonstrationen für das alte 
Atomkraftwerk´– so erst am Dienstag. Foto: AFP

Hartheim - Wer von Deutschland aus die einspurige Rheinbrücke bei 
Hartheim überquert, kurz vor der Schleuse auf den Damm fährt und dann 
einige Meter weiterspaziert, sieht ungeschützt auf die beiden 
Betonzylinder des Kernkraftwerks im elsässischen Fessenheim. Als könnte 
man mit dem Boot hinüber fahren und mal schnell guten Tag sagen. 
Aktivisten von Greenpeace haben das im Frühjahr vorigen Jahres 
tatsächlich gemacht. Sie haben Sicherheitszäune überwunden, sind an 
aufgeregtem Personal vorbeigerannt, danach auf einen der Reaktoren 
geklettert und haben bewiesen, wie schlecht die radioaktive Zeitbombe 
vor Eindringlingen geschützt ist.

Genauso fühlen sich die Menschen in der deutschen Nachbarschaft: dem 
Risiko schutzlos ausgeliefert. „Mit jeder Fehlermeldung aus Fessenheim“, 
sagt Kathrin Schönberger, Bürgermeisterin im badischen Hartheim, „wächst 
die Unruhe“. In Schönbergers Büro im Rathaus hängt ein Luftbild ihrer 
Gemeinde. Eigentlich geht es um Hartheim, Wohnhäuser, Agrarflächen und 
5000 Einwohner. Das Werk im Elsass liegt nur drei Kilometer Luftlinie 
entfernt. Oben rechts drängt es ins Bild.

Von der französischen Seite erscheint das Atomkraftwerk fast versteckt. 
In Fessenheim sieht man das ganz anders. Es ist ein verregneter 
Nachmittag. Das Dorf wirkt wie ausgestorben. In der Luft zwischen 
Kirchturm und Rathaus flattert ein Banner. „Vereint bewahren wir unser 
Atomkraftwerk“. Die Identifikation der knapp 2400 Einwohner mit der 
Anlage ist groß. Wenn es bei den badischen Nachbarn als Bedrohung 
schlechthin gilt, dann ist es für die Bewohner hier Synonym für 
Wohlstand und Sicherheit. „Ich bin dafür“, sagt Anne-Marie Pfeiffer, 
eine Rentnerin, die auf einen Bankautomaten zusteuert. „Ich lebe seit 
Jahrzehnten hier“, sagt sie. „Es wurde doch immer wieder technisch 
nachgebessert. So viele Millionen hat man investiert. Das kann doch 
nicht umsonst gewesen sein.“ Sie reagiert freundlich, nicht wie die 
Gewerkschafter aus dem AKW, die wütend gegen alle protestieren, die 
ihnen die Arbeitsplatz streitig machen.

Gastauftritt im Gemeinderat

Wie diese Woche, als in Colmar wieder einmal die lokale 
Überwachungskommission zusammentraf, in der der Kraftwerksbetreiber EdF 
und die französische Atomaufsicht ASN Politiker und Vertreter der 
Behörden und Umweltverbände aus dem Elsass und dem nahen Südbaden über 
aktuelle Planungen informieren.

Kathrin Schönberger, die Atomkraftgegnerin im Hartheimer Rathaus, hat 
das Unverständnis der elsässischen Nachbarn zu spüren bekommen. Im 
Frühsommer hatte die Bürgermeisterin an den französischen 
Staatspräsidenten geschrieben. Er möge doch bitte sein Wahlversprechen 
einlösen und für die Stilllegung des Pannenreaktors sorgen. Claude 
Brender, Bürgermeister von Fessenheim, bekam wohl über die französischen 
Kanäle vom Inhalt des Schreibens Wind und fühlte sich – vorsichtig 
gesprochen – brüskiert. Dabei hatte Schönberger ihm den Brief 
angekündigt. „Er ist in einer Gemeinderatssitzung erschienen und hat 
einen Text verlesen“, erzählt sie. Er stellte sich hin und verkündete, 
wie stolz sie alle auf ihr Atomkraftwerk seien. Ihr Eindruck war, er 
drohe damit, die Freundschaft aufzukündigen.

„Dabei ist es doch meine Aufgabe, die Sorgen der Bevölkerung hier ernst 
zu nehmen.“ Hinterher habe sie sogar von einer Dame aus Straßburg einen 
Brief erhalten, die sich für ihr Engagement bedankt habe. Nicht alle 
Elsässer seien also für das Kraftwerk. Doch die Verstimmung in der 
Städtepartnerschaft ist geschehen. Viele Konservative im Elsass halten 
am Atomkraftwerk in Fessenheim am Grand Canal d’Alsace fest. Sie glauben 
an seine Sicherheit und prangern den Verlust von mindestens 1000 
Arbeitsplätzen an. Mindestens das Doppelte an Jobs, wird geschätzt, 
könnte seine Schließung die Region kosten, rechnet man die Kaufkraft der 
Beschäftigten, die in und um Fessenheim leben und Infrastrukturen 
nutzen, mit ein.

Verstimmung ist greifbar

Paris hat bekanntermaßen andere Pläne. Seit die Sozialisten mit 
Unterstützung der Grünen 2012 die Regierung übernommen haben, 
versprechen sie, sie wollen Fessenheim abschalten. In den ersten Wochen 
nach der Sommerpause sendeten Staatspräsident François Hollande und 
seine Regierung zur Causa Fessenheim allerdings höchst widersprüchliche 
Signale. Bei einem Straßburg-Besuch Anfang September verschob 
Umweltministerin Ségolène Royal die Stilllegung auf 2018, also bis weit 
nach der Präsidentschaftswahl 2017. Der Grund waren Verzögerungen beim 
Bau des neuen EPR-Reaktors in Nordfrankreich.

Jetzt wurde bekannt, dass EdF in einem Brief an die Umweltministerin 
beantragt hat, den EPR möglicherweise erst 2020, also deutlich später 
und nach einem möglichen Regierungswechsel in Betrieb zu nehmen. Im 
selben Schreiben verpflichtet sich EdF-Chef Jean-Bernard Lévy jedoch, im 
Gegenzug die beiden Reaktoren in Fessenheim abzuschalten. Erforderlich 
wird die Stilllegung von Reaktoren durch ein Energiegesetz, das die 
zulässige Menge Atomstrom auf 50 Prozent des Bedarfs begrenzt. Bislang 
liefern Frankreichs Atomkraftwerke 75 Prozent des Stroms. EdF muss 
deshalb im Gegenzug für den EPR eine Anlage gleicher Leistung vom Netz 
nehmen.

EdF scheint sich zu fügen

EdF scheint sich den Plänen der regierenden Sozialisten inzwischen zu 
fügen. Umweltministerin Royal hat den Stromversorger aufgefordert, im 
kommenden Jahr entscheidende Schritte auf dem Weg zu Stilllegung und 
Rückbau des Atomkraftwerks in die Wege zu leiten. In der Sitzung der 
Fessenheim-Überwachungskommission am Dienstag sprach der Direktor der 
elsässischen Anlage zum ersten Mal, seit Staatspräsident Hollande 2012 
ans Ruder kam, über die geplante Stilllegung als Tatsache – wenn auch 
nur knapp. Seine Vorgänger hatten den Regierungswillen stets ignoriert.

Kathrin Schönberger wartet im Rathaus von Hartheim noch auf Antwort aus 
Paris und vertraut lieber auf Logik: „Wenn die Franzosen weniger 
Atomstrom wollen, müssen sie doch sowieso irgendwann anfangen, 
Atomkraftwerke zu schließen“, sagt sie. Warum also nicht mit dem 
ältesten anfangen?



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