[fessenheim-fr] Hilflos in Fukushima - Japanische Regierung bittet Ausland um Beistand

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So Okt 6 23:48:17 CEST 2013


6.10.2013

Der Betreiber-Konzern TEPCO bekommt die Probleme mit radioaktivem 
Wasser, das aus den Reaktor-Ruinen des AKW Fukushima Daiichi in den 
Pazifik strömt, offenbar nicht in den Griff. Die japanische Regierung 
gesteht nun erstmals ein, Hilfe aus dem Ausland zu benötigen.

Auf einer internationalen Konferenz zu Energie- und Umweltfragen in 
Kyoto sagte der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe am heutigen 
Sonntag: "Mein Land benötigt Ihr Wissen und Ihre Expertise." Japan 
wolle Wissen aus dem Ausland einbinden, um die Probleme mit drei 
geschmolzenen Reaktor-Kernen in dem weitgehend zerstörten 
Atomkraftwerk in den Griff zu bekommen. Die Lage vor Ort muß also 
äußerst kritisch sein, wenn die traditionell auf irrationalem Stolz 
beharrende japanische Regierung nun um ausländische Hilfe bittet.

Seit März 2011 wird in die Ruinen von drei Atom-Reaktoren relativ 
ungezielt Wasser eingeleitet, um die geschmolzenen Reaktor-Kerne zu 
kühlen. Dabei ist jedoch offenbar wegen der hohen Strahlung, die eine 
nähere Untersuchung vor Ort unmöglich macht, bis heute unbekannt, wo 
exakt sich die Kernschmelzen befinden. Um eine Kühlung zu 
gewährleisten, müssen aus den Ruinen zugleich gigantische Mengen 
radioaktiv kontaminierten Wassers abgepumpt werden. Wegen des hohen 
Wasserstandes in den überfluteten Kellern der Reaktor-Ruinen dringen 
durch Risse permanent große Mengen Wasser in den Untergrund und 
fließen zusammen mit Grundwasser in das nahegelegene Meer.

Um diesen unhaltbaren Zustand zu kaschieren, lancierte TEPCO in den 
vergangenen Wochen massiv Meldungen, um das öffentliche Augenmerk auf 
Leckagen oberirdischer Tanks - und damit auf ein zweitrangiges 
Problem - zu lenken. Auch Meldungen über zeitweilige aktive 
Einleitungen radioaktiv kontaminierten Wassers und die fiktiven 
Pläne, den Boden um die Reaktor-Ruinen einzufrieren, um so einen 
weiteren Abfluß einzudämmen, sollen offenbar von der tatsächlichen 
Hilflosigkeit vor Ort ablenken.

Mittlerweile gestehen TEPCO-Sprecher und die japanische Regierung 
ein, daß mit dem Super-GAU von Fukushima eine bislang einzigartige 
Lage eingetreten ist, da große Teile der Reaktor-Ruinen für 
ArbeiterInnen und InspekteurInnen allein wegen der hohen 
Strahlenbelastung nicht zugänglich sind. Für den Umgang mit einem 
Unfall dieser Art und Größenordnung gebe es zudem keine 
Erfahrungswerte.

Lange Zeit hatten TEPCO und die japanische Regierung versucht, über 
ihre "Informationspolitik" der Öffentlichkeit zu suggerieren, den 
Super-GAU unter Kontrolle gebracht zu haben. Dies ist jedoch nach 
Einschätzung von neutralen WissenschaftlerInnen und BeobachterInnen 
in Japan nicht der Fall.

In den vergangenen Wochen zirkulierten zudem Gerüchte, wonach das 
Lagerbecken von Reaktor-Block 4 mit abgebrannten Brennelementen akut 
vom Einsturz bedroht sei. Tatsächlich ist dieses Lagerbecken mit über 
tausend abgebrannten Brennstäben, das sich in über 30 Meter Höhe in 
der Ruine von Reaktor 4 befindet seit dem 11. März 2011 instabil. 
Zwischenzeitlich wurden zwar laut TEPCO-Mitteilungen notdürftig 
zusätzliche Verstrebungen angebracht, doch bei einem weiteren 
schweren Erdbeben ist mit einer Katastrophe zu rechnen. Offenbar sind 
die TEPCO-TechnikerInnen vor Ort nicht in der Lage, das brisante 
Inventar, das bei einer Freisetzung große Teile Japans radioaktiv 
kontaminieren kann, zu evakuieren. Es kursiert ein weltweit 
lancierter Aufruf, daß sich WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen 
der japanischen Regierung zur Verfügung stellen sollen, um das 
Brennelemente-Lager rechtzeitig zu räumen. Da jedoch bislang keine 
objektiven Informationen über die Situation vor Ort an die 
Öffentlichkeit gelangen, ist schwer einzuschätzen, wie kritisch diese 
derzeit ist. Zugleich wird Panikmache betrieben und es ist von einer 
akuten Bedrohung für das Überleben der Menschheit auf dem gesamten 
Planeten die Rede.

LINKSZEITUNG

 Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Japan: Kein AKW in Betrieb
      Es geht auch ohne Atomkraft (15.09.13)

      Unterirdischer Abfluß aus Fukushima
      größer als bislang zugegeben (1.09.13)

      Super-GAU von Fukushima
      Immer mehr Kinder mit Krebserkrankungen
      TEPCO will Hilfe von IAEA (22.08.13)

      AKW-Ruine Fukushima
      Immer mehr radioaktives Grundwasser fließt ins Meer (8.08.13)

      Super-GAU von Fukushima
      Dramatischer Anstieg der Radioaktivität im Grundwasser 
(10.07.13)

      Fukushima: Strontium im Grundwasser
      (19.06.13)

      Gerichtsurteil in Japan:
      Kinder müssen in verstrahlter Region bleiben (24.04.13)

      AKW-Ruine Fukushima
      Notkühlung ausgefallen (19.03.13)

      Fukushima mahnt
      IPPNW-Report über Folgen des Super-GAU (6.03.13)

      Zwei Jahre nach Fukushima
      Fünf Groß-Demos in Deutschland (4.03.13)

      Fisch im Küstengebiet vor Fukushima
      auch nach 18 Monaten stark radioaktiv belastet (26.10.12)

      Fukushima
      "Falsches Gefühl der Sicherheit" (23.10.12)

      General Electric: Atomenergie zu teuer
      Das Ende des Atomenergie-Zeitalters (30.07.12)

      Erneut 200.000 beim Anti-Atom-Protest
      Diskussion um Strategie in Japan (29.07.12)

      200.000 demonstrieren in Tokio
      gegen Atomenergie (16.07.12)

      Erneut 160.000 bei Demo in Tokio
      Polizei-Absperrungen vergeblich (14.07.12)

      160.000 in Tokio: "Saikado Hantai"
      Protest gegen Neustart der Atomenergie (7.07.12)

      Fukushima: 36 % der Kinder
      haben veränderte Schilddrüsen (5.07.12)

      200.000 in Tokio gegen Atomenergie
      AKW Oi wird hochgefahren (30.06.12)

      45.000 auf Demo in Tokio
      "Nein zum Neustart der Atomenergie!" (23.06.12)

      11.000 protestieren in Tokio
      gegen Neustart der Atomenergie (16.06.12)

      Atomkraftwerke in Japan
      Alle Reaktoren abgeschaltet (5.05.12)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      "Kaltabschaltung" obsolet - Temperatur steigt (13.02.12)

      Japan: Nur noch 3
      von 54 Atom-Reaktoren am Netz
      Internationale Anti-Atom-Konferenz in Yokohama (30.01.12)

      AKW Fukushima Daiichi jetzt sicher?
      Groteske Informationspolitik in Japan (16.12.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Kernschmelze gravierender als zugegeben (2.12.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Hinweise auf fortdauernde Kernspaltung (2.11.11)

      Hohe Radioaktivität in Tokio
      Behörden leugnen Zusammenhang mit Fukushima (13.10.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Wie viele Menschen sind bisher betroffen? (7.09.11)

      Der permanente Super-GAU von Fukushima
      Regierung verteilt Radioaktivität über Japan (27.08.11)

      Steigende Strahlungswerte
      in Atom-Ruine Fukushima (2.08.11)

      Stark erhöhte Radioaktivität
      in Fukushima (4.06.11)

      Fukushima: Der permanente Super-GAU
      TEPCO bestätigt Kernschmelze in 3 Reaktoren (24.05.11)

      Explosionsgefahr in Fukushima
      Situation weitaus schlimmer als bislang dargestellt (12.05.11)

      Aktuelle Hintergrund-Informationen
      zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima
      US-ExpertInnen befürchten negative Entwicklung
      in den kommenden Monaten
      Fotos von cryptome.org (6.04.11)

      Japanischer AKW-Experte:
      Reaktor I vermutlich schon am 11. März leck (29.03.11)

      Fragen zur Situation in Japan,
      zur Atomenergie und zu Deutschland (25.03.11)

      Gesellschaft für Strahlenschutz:
      Super-GAU ist längst Realität (23.03.11)

      Die Situation in den havarierten japanischen AKW
      Stand: Sonntag 16 Uhr (13.03.11)

      Notkühlfall in japanischem AKW
      Situation in Reaktor Fukushima Daiichi I spitzt sich zu         
    (11.03.11)






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