[fessenheim-fr] Baden-Wuerttemberg bleibt schwarz
klausjschramm at t-online.de
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Sa Jan 14 19:23:12 CET 2012
14.01.2012
Baden-Württemberg bleibt schwarz
Atomenergie unangefochten,
Erneuerbare gebremst
Daß sich mit dem Wechsel von "Schwarz-Gelb" zu "Grün-Rot" in Baden-
Württemberg im März 2011 nichts zum Positiven verändert, dringt
allmählich ins Bewußtsein breiterer Kreise ein. So wurden 2011 sogar
weniger Windräder im "Ländle" errichtet als 2010. Heute wurde der
pseudo-grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann zudem von
"Stuttgart-21"-GegnerInnen mit Schuhen beworfen.
Mit dem "arabischen Frühling" und der weltweiten Sympathie für die
Demokratie-Bewegungen in Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten hält
offenbar eine aus dem islamischen Kulturraum importierte Protestform
verstärkt Einzug in deutsche Demonstrationsgebräuche: Der zum Protest
hoch in die Luft gehaltene Schuh. Dies oder gar der Wurf mit einem
ausgelatschten Treter galt bislang vor allem jenseits des
Mittelmeeres als Ausdruck ärgster Verachtung und Beleidigung.
Der pseudo-grüne baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann
mußte heute in Stuttgart fast selbst Bekanntschaft mit einem
fliegenden Schuh machen. Vor Beginn des Neujahrsempfangs erwarteten
ihn "Stuttgart-21"-GegnerInnen, die das gezinkte Spiel mit
Schlichtungs-Farce und Volksabstimmung nicht einfach auf sich beruhen
lassen wollten. Und trotz der Desinformation der Mainstream-Medien
verbreitet sich unaufhaltsam das Wissen, daß die "grün-rote"
Landesregierung durchaus über rechtliche Mittel verfügt, um das Mega-
Projekt zu stoppen. So soll etwa entgegen dem ursprünglichen
Planfeststellungsbeschluß mehr als die doppelte Menge an Grundwasser
aus der für den Bau eines unterirdischen Bahnhofs vorgesehenen
Baugrube abgepumpt werden.
Der fliegende Schuh traf leider einen der "Bodyguards". Zumindest in
einer Hinsicht ist der für seine politische Flexibilität gerühmte
Kretschmann stets konsequent geblieben, denn von der in der
Anfangszeit der pazifistischen Grünen als eines von vier politischen
Grundsätzen hochgehaltenen Gewaltfreiheit hatte Kretschmann nie etwas
gehalten: Bombenwürfe, Polizeiknüppel und schlagkräftige "Bodyguards"
hatte er schon immer befürwortet.
Wie kaum anders zu erwarten enttäuscht die Kretschmann-Regierung auch
den Teil der WählerInnen, die ohne nähere Kenntnis der Karriere der
heutigen Führungs-Clique der Pseudo-Grünen am 27. März 2011 ihr
Kreuzchen-Malen mit der Hoffnung verbanden, wenigsten im Hinblick auf
das Umwelt-Thema sei auf die Farbe Grün noch Verlaß. Doch im
vergangenen Jahr wurden in Baden-Württemberg insgesamt nur 6
Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 13 Megawatt errichtet.
Im Jahr 2010 - also unter der "Regentschaft" von Stefan Mappus, der
die Richtlinienkompetenz des Atomstrom-Konzerns EnBW allzu
ungeschminkt exekutierte - waren es immerhin noch 8 Windräder.
Um das im Koalitionsvertrag festgelegte und von den Mainstream-Medien
als "ehrgeizig" gefeierte Ziel von 10 Prozent Windenergie an der
Stromerzeugung bis 2020 zu erreichen, müßten allerdings jährlich 100
Windräder mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt errichtet werden.
Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt - ebenfalls ein Binnenland - konnte
selbst unter einem "schwarzen" Ministerpräsidenten längst ein Anteil
der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von über 40 Prozent
durchgesetzt werden. Und in Baden-Württemberg liegt zudem ein
gewaltiges Potential an Wasserkraft an kleinen Flüssen brach. Doch
auch der Ausbau dieser erneuerbaren und umweltverträglichen
Energieform wird in Baden-Württemberg weiterhin skrupellos blockiert.
Auch ein Einsatz der Kretschmann-Regierung für einen Atom-Ausstieg
ist offenbar nicht zu erwarten. In den vergangenen neun Monaten ging
von der neuen baden-württembergischen Landesregierung keinerlei
gesetzliche Initiative aus. Trotz Merkels angeblichem Atom-Ausstieg
dürfen die baden-württembergischen Atom-Reaktoren Neckarwestheim II
(versprochener Stilllegungs-Zeitpunkt: 2022) und Philippsburg II
(versprochener Stilllegungs-Zeitpunkt 2021) de facto unbefristet
weiterbetrieben werden. Eine Äußerung der pseudo-grünen
Führungspolitikerin Bärbel Höhn macht schon heute klar, daß auch im
Falle einer Neuauflage von "Rot-Grün" nach der kommenden
Bundestagswahl im Jahr 2013 kein Atom-Ausstieg zu erwarten ist: Es
soll an der in 2011 von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" beschlossenen
Terminplanung festgehalten werden. Und in dieser Terminplanung ist
zwischen 2013 und 2017 keine AKW-Stilllegung vorgesehen. Nach der
Bundestagswahl im Jahr 2017 kann dann "Schwarz-Gelb" den niemals
ernsthaft erwogenen Atom-Ausstieg um weitere vier Jahre verschieben.
Kretschmanns politisches Vorbild Joseph Fischer hatte sich als
hessischer "Turnschuh-Minister" in den 1980er-Jahren - von der
Parteibasis gedrängt - immerhin noch Gefechte mit den damaligen Atom-
Ministern Walter Wallmann und Klaus Töpfer unter dem "schwarz-gelben"
Bundeskanzler Helmut Kohl geliefert. Um die Gefährlichkeit des
hessischen AKW Biblis zu belegen, waren die Gesetzesinitiativen
damals mit ausführlichen Gutachten unterfüttert worden. Der heutige
baden-würtembergische Ministerpräsident kann sich an jene Jahre in
Hessen sicherlich noch lebhaft erinnern. Er wurde damals von Fischer
Dank guter KBW-Connnection als veritabler Ministerialrat eingestellt.
Mitte der 1980er-Jahre waren die beiden Blöcke des AKW Biblis gerade
einmal zehn Jahre alt. Reaktor II des AKW Philippsburg hat die
ursprünglich vorgesehene maximale Betriebsdauer von 25 Jahren bereits
2009 überschritten. Im Falle von Block II des AKW Neckarwestheim -
des "jüngsten" deutschen Atomreaktors - wird diese Grenze bereits im
Januar 2014 erreicht sein.
Die Beziehungen der neuen baden-württembergischen Landesregierung zum
Atomstrom-Konzern EnBW gestalteten sich hingegen schon Anfang
vergangenen Jahres in bestem Einvernehmen. Bereits wenige Tage nach
der Wahl hatte sich "Grün-Rot" darauf geeinigt, daß die frühere
Bundesvorsitzende der Pseudo-Grünen, Gunda Röstel, einen
Aufsichtsratsposten bei EnBW erhält (Siehe unseren Bericht vom 19.
April). Bereits im Jahr 2000 war Röstel nach dem erfolgreichen Deal
mit den Atomstrom-Konzernen, der in den Mainstream-Medien zum ersten
deutschen Atom-Ausstieg veredelt worden war, mit einem Managerposten
bei der E.on-Tochter Gelsenwasser versorgt worden. Die neue Rolle
Röstels besteht ersichtlich darin, dem baden-württembergischen AKW-
Betreiber ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Im PR-Jargon wird dies
als Greenwashing bezeichnet.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Stimmungsmache gegen Erneuerbare
im Dienste der "Großen Vier" (13.01.12)
Solon insolvent
Rückschlag für erneuerbare Energien (15.12.11)
David gegen Goliath
8KU in Konkurrenz zu den "Großen Vier" (17.10.11)
Energiewende - Neue Speichermethode
für Wasserstoff entdeckt (26.09.11)
Neuartiges Energie-Projekt
Kombination von Wind- und Wasserkraft (18.09.11)
Strom-Importe wegen Merkels "Atom-Ausstieg"?
Lügen! Lügen! Lügen! (12.09.11)
Erneuerbare bei über 20 Prozent
Energiewende dennoch gebremst (29.08.11)
David gegen Goliath
Neckargemünd kann Stromnetz kaufen (20.08.11)
Steuergelder für CO2-Schleudern
Kohlekraftwerke weiterhin subventioniert (14.07.11)
Atom-Ausstieg?
Lügenpack! (1.07.11)
Merkels "Atom-Ausstieg"
Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
Wie Kretschmann 2002 einen
"politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)
Atom-Ausstieg teuer?
Im Gegenteil: Ersparnis von jährlich
mehr als 8 Milliarden Euro (10.05.11)
Grünes Recycling?
Greenwashing bei EnBW (19.04.11)
David gegen Goliath
Titisee-Neustadt übernimmt Stromnetz (6.04.11)
Landtagswahl
Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)
Erneuerbare Energien
Auszeichnung für Planegg (27.01.11)
Erfolgsmeldung: RWE steigt
steigt aus AKW-Projekt Cernavoda aus (21.01.11)
Madagaskar
Solarenergie für die Rettung der Wälder (18.01.11)
Vattenfall
Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)
Bürger-Energie Alpirsbach
mit zweiter Photovoltaik-Anlage (19.12.10)
86 Prozent der Deutschen:
Erneuerbare Energien sind wichtig
Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)
Photovoltaik statt Atomenergie
Zwentendorf wird Forschungszentrum (11.10.10)
Verbände fordern Energieeffizienz
und zukunftsweisendes Energiekonzept (24.08.10)
Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)
Umweltverbände warnen vor Hype um Elektro-Auto:
"Potemkinsches Dorf der Elektromobilität" (29.04.10)
Konkurrenz für die Großen Vier
Kommunen drängen auf den Strom-Markt (14.04.10)
Energie-Kommune Wildpoldsried im Allgäu
Dreimal soviel Ökostrom wie Eigenverbrauch (8.04.10)
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