[fessenheim-fr] AKW Mühleberg
klausjschramm at t-online.de
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Mo Jul 4 22:36:37 CEST 2011
4.07.2011
AKW Mühleberg abgeschaltet
Schwere Vorwürfe gegen Schweizer Atom-Aufsicht ENSI
Die Schweizer Atom-Aufsicht ENSI hat offenbar lange Zeit beide Augen
zugedrückt. Nach einem alarmierenden Gutachten der Eidgenössischen
Technischen Hochschule Zürich (ETH) mußte das AKW Mühleberg vom Netz
genommen werden.
Spätestens seit einem schwerwiegenden Vorfall im französischen AKW
Cruas (siehe unseren Bericht vom 2. Dezember 2009) ist bekannt,
welche Gefahren von einem Verstopfen des AKW-Kühlsystems durch
Treibgut ausgehen. Auch die Schweizer Atom-Aufsicht ENSI
("Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat") hätte wissen
müssen, daß der Fluß Aare, der zur Ableitung von zwei Dritteln der
vom Reaktor produzierten Wärme genutzt wird, bei starkem Regen oder
Hochwasser Treibgut mit sich führt, das die Kühlwasser-Leitungen
verstopfen kann.
In der Nacht vom 1. auf 2. Dezember 2009 kam es in einem der vier
Blöcke des AKW Cruas wegen angeschwemmten Treibguts aus der Rhone zu
einer Notabschaltung und in der Folge zur Auslösung eines
"Notfallplans". Der Vorfall mußte selbst von der französischen Atom-
Aufsicht ASN als der Schwerste der vier vorangegangenen Jahre
eingstuft werden. Wie die Reaktor-Katastrophe von Fukushima
eindringlich gezeigt hat, kann ein Ausfall der Reaktor-Kühlung zum
Super-GAU führen.
Das Schweizer Recht schreibt vor, daß die Atom-Aufsicht ENSI bei
einem gravierenden Vorfall im Ausland eine entsprechende Sicherheits-
Analyse der Schweizer Atomkraftwerke vornehmen muß. Das ENSI hat
jedoch keine solche Analyse angeordnet. Wäre bereits damals ein ETH-
Gutachten angefordert worden, hätte das AKW Mühleberg im Schweizer
Kanton Bern schon vor einem Jahr abgeschaltet werden müssen.
Das ENSI hatte ganz im Gegenteil den vier Schweizer Atomkraftwerken
mit insgesamt fünf Reaktoren einen Persilschein ausgestellt. In einem
Forschungsbericht vom Januar 2010 schrieb das ENSI, "die Auslegung
der Kernkraftwerke in der Schweiz deckt derartige Störfallszenarien
ab." Das in der vergangenen Woche veröffentlichte ETH-Gutachten hat
das Gegenteil bewiesen. Das AKW Mühleberg mußte vom Netz genommen
werden und das ENSI trug dem Betreiber BKW, Bernische Kraftwerke,
auf, "die Mängel" zu beheben.
Auch nach dem Super-GAU von Fukushima hatte das ENSI nichts von einer
Verstopfungsgefahr des Kühlsystems von Atomkraftwerken wissen wollen.
Noch am 8. April hatte das ENSI auf eine entsprechende Anfrage der
Schweizer 'SonntagsZeitung' geantwortet, die Wasserfassung in
Mühleberg sei so angelegt, daß "eine Verstopfung praktisch
ausgeschlossen werden kann."
WissenschaftlerInnen der ETH Zürich haben jedoch im Gegensatz zur
ENSI genau geprüft und anhand von Modellversuchen festgestellt: "Im
Falle Extremhochwassers, das rechnerisch alle 10.000 Jahre auftritt,
besteht eine Verstopfungsgefahr der Kühlwasserentnahme." Es sei daher
klar, daß das Problem behoben werden muß. Und es ist nun auch klar,
daß das ENSI das AKW Mühleberg schon vor über einem Jahr hätte vom
Netz nehmen müssen. Bekannt ist zudem, daß nicht nur bei einem
"rechnerisch alle 10.000 Jahre" auftretenden Hochwasser Gefahr
besteht, sondern auch bei einem Dammbruch. Denn das AKW Mühleberg
liegt nur 1,3 Kilometer hinter der Staumauer des bald 100-jährigen
Wohlenseedamms.
Nicht etwa im März oder April, erst nach dieser ETH-Veröffentlichung
erkennt das ENSI nun ein "ernsthaftes Problem". ENSI-Vize Georg
Schwarz greift zu Ausflüchten wie etwa: "Daß die Verstopfungsgefahr
genauer zu analysieren ist, steht seit längerer Zeit auf der Agenda.
Nun hat Fukushima Druck erzeugt."
Doch auch die Erdbeben- und Überflutungsgefahr wurde vom ENSI nach
dem Super-GAU von Fukushima nicht geprüft. Markus Kühni von Fokus-
Anti-Atom, der die Gefahr durch verstopfte Kühlwasser-Leitungen
publik gemacht hatte, hat japanische Unfallberichte über die Reaktor-
Katastrophe von Fukushima genau studiert: Während der Katastrophe
wurde es im Containment rund um den Reaktor extrem heiß. Deshalb
verdunstete das Wasser in den Meßgeräten - die Kraftwerks-Betreiber
hatten keine oder falsche Angaben über den Stand des Kühlwassers.
"Ausgerechnet während der kritischsten Momente herrschte Blindflug,"
sagt Kühni. Ihm fehle das Vertrauen, daß das ENSI diese und weitere
Sicherheitsfragen, die sich aus Fukushima ergeben, gründlich
analysieren werde.
Doch nicht nur wegen der Verstopfungsgefahr steht das ENSI in der
Kritik. Auch die Zuganker, welche Risse im Reaktordruckbehälter des
AKW Mühleberg stabilisieren sollen, sind laut ExpertInnen ein
erhebliches Sicherheitsrisiko. Atomkraft-GegnerInnen sprechen
sarkastisch von "Büroklammern". Dennoch erhielt das AKW im Dezember
2009 eine unbefristete Betriebsbewilligung.
Der Ende Mai von der Schweizer Regierung verkündete "Atom-Ausstieg"
sorgt dabei ebenso wenig für Beruhigung wie etwa Merkels "Atom-
Ausstieg" im baden-württembergischen Heilbronn. So garantiert der
Schweizer "Atom-Ausstieg", daß die Menschen im Umkreis von hundert
Kilometern um das AKW Mühleberg noch bis zum Jahr 2022 mit der Gefahr
leben sollen. Ebenso wie die Menschen in Heilbronn und Umgebung, die
sich unter einem Atom-Ausstieg etwas anderes vorstellten, als noch
bis zum Jahr 2022 mit der Bedrohung durch Block II des AKW
Neckarwestheim leben zu müssen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Atom-Ausstieg in der Schweiz?
Regierung versucht Volksverdummung (26.05.11)
20.000 beim AKW Beznau
Größte Schweizer Anti-AKW-Demo seit 25 Jahren (22.05.11)
AKW Leibstadt
Mitarbeiter verstrahlt (18.02.11)
Schweizer Studie:
AKW-Neubau unwirtschaftlich (8.06.10)
5000 bei Schweizer Anti-AKW-Demo
Für Abschaltung des AKW Gösgen und gegen neue AKW (25.05.10)
Schlechte Noten für Schweizer Atomkraftwerke
Verfahren gegen zwei AKW-Betreiber (6.05.10)
Schweizer AKW Mühleberg bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag?
Unbefristete Betriebsgenehmigung ohne BürgerInnenbeteiligung
(22.12.09)
Notabschaltung im französischen AKW Cruas
Hauptkühlsystem verstopft (2.12.09)
August 2009: "Panne" im AKW Beznau
Zwei Angestellte verstrahlt - bis heute verharmlost (9.11.09)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Patt bei Atomenergie in der Schweiz
Hauptstadt Bern will auf erneuerbarre Energien umsteigen
(29.05.09)
Demo gegen Schweizer
Atom-Endlager in Benken (20.09.08)
Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
(4.01.08)
'Stopp-Atom'-Allianz in der Schweiz gegründet
Breites Bündnis unter Federführung von Greenpeace Schweiz
(31.08.07)
Neuformierung der Anti-Atom-Bewegung in der Schweiz
Mehrjährige Kampagne gegen AKW-Neubau geplant
Kein Kampf um Atomausstieg? (3.07.07)
Benken: Schweizer Kirchenvertreter kritisieren
geplantes Endlager für Atommüll (26.10.05)
Schweiz: Alternativen zu Atom-Endlager Benken? (29.09.04)
Demo gegen Atomares Endlager im Schweizerischen Benken
(20.07.04)
Öko-Institut schadet Schweizer Atomkraft-GegnerInnen (3.02.04)
Die Schweiz zwischen Atom und "direkter Demokratie" (10.03.01)
Atomklo Würenlingen
extreme Rechenfehler unfähiger Nuklearexperten (25.10.2000)
Hier strahlt die Schweiz: Atomklo Hochrhein
Die Geschichte der Atom-Unfälle
Folge 7 der Info-Serie Atomenergie
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