[fessenheim-fr] Fwd: Hintergrundartikel: Die Atomaußenpolitik der deutschen Bundesregierung
klausjschramm at t-online.de
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Di Jan 25 11:43:07 CET 2011
iz3w 322 | Januar/Februar 2011
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Atomkraft
Corporate Killers
Die Atomaußenpolitik der deutschen Bundesregierung
von Regine Richter
Der Anteil der Atomkraft an der weltweiten Energieproduktion macht
nur
sechs Prozent aus. Und voraussichtlich werden in den kommenden Jahren
weltweit mehr alte AKW abgeschaltet als neue gebaut. Doch damit ist
die
Geschichte der Atomenergie noch lange nicht besiegelt, denn die
deutsche
Atomindustrie blickt auf den Weltmarkt.
Der vieldiskutierten Renaissance der Atomkraft steht in Deutschland
eine
Renaissance der Anti-Atom-Bewegung gegenüber. Die Proteste und
Kampagnen
nehmen primär die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in
Deutschland
ins Visier. Auch die Politik konzentriert sich in ihren Statements
auf
dieses Thema. Von der Atomaußenpolitik der Bundesregierung oder dem
internationalen Geschäft rund um die Kerntechnologie ist hingegen
wenig
die Rede.
Dabei sind die weltweit geäußerten Pläne für AKW-Neubauten
erschreckend.
Die World Nuclear Association listet von Argentinien bis zu den
Vereinigten Arabischen Emiraten zahlreiche Länder auf, die neue AKW
bauen
wollen. Dazu gehören alte Atommächte wie Frankreich oder England und
solche, die es werden wollen, etwa Aserbaidschan und Vietnam. Selbst
in
Schweden, wo bereits Anfang der 1980er Jahre der Atomausstieg
beschlossen
wurde, hat die konservative Regierung nun den Neubau von AKW als
Ersatz
für stillzulegende Reaktoren erlaubt.
In den nächsten Jahren werden jedoch voraussichtlich mehr Reaktoren
aus
Altersgründen vom Netz gehen, als neue AKW ihren Betrieb aufnehmen
werden
(1). Ein Grund dafür ist das enorme wirtschaftliche Risiko beim
Neubau von
Atomkraftwerken. So erklärten im November 2009 die Analysten der
Citibank:
>New Nuclear - The Economics Say No< (2). Sie warnen vor fünf großen
Risiken, denen Atomkraftwerksbauer ausgesetzt sind: Die Planung
(dauert
lange), der Bau (dauert immer viel länger als geplant und die Kosten
explodieren), der Strompreis (ist oft nicht hoch genug, um die
Baukosten
wieder hereinzubekommen), der Betrieb (insbesondere wenn aufgrund von
Problemen die Kraftwerke runtergefahren werden müssen) und der (sehr
teure) Rückbau. Die Risiken Bau, Strompreis und Betrieb bezeichnet
die
Citibank als >Corporate Killers<, die selbst größte
Energieunternehmen
finanziell in die Knie zwingen könnten. Das Papier sagt den
britischen
Atomplänen voraus, dass sie ohne Staatsbürgschaften nicht realisiert
werden können.
Öffentlich gefördert ...
Tatsächlich hängt der Bau neuer AKW in Form von Bürgschaften am
staatlichen Tropf. Ohne massive staatliche Unterstützung und
politischen
Willen hätte die Atomenergie nie den Anteil am Strommix erhalten, den
sie
heute hat. In Deutschland werden 22 Prozent der gesamten elektrischen
Energie in Atomkraftwerken erzeugt, in Frankreich sind es 87 Prozent.
Die direkte Unterstützung beschränkt sich jedoch nicht auf nationale
Atompläne durch Subventionen. Auch der Export von Atomtechnologie ins
Ausland wird gefördert, in Deutschland mittels so genannter
Hermesbürgschaften. Mit diesen Bürgschaften versichert die
Bundesregierung
Exporte deutscher Unternehmen in so genannte ,schwierige Märkte'
gegen
politische und wirtschaftliche Risiken. Eine Firma, die Turbinen,
Schaltanlagen, Bauleistungen oder Flugzeuge vor allem in Entwicklungs-
und
Schwellenländer exportieren will, kann eine Hermesbürgschaft dafür
beantragen. Sie zahlt wie bei einer Versicherung eine Prämie. Kann
der
Käufer dann nicht zahlen, wird die Bürgschaft fällig und Euler Hermes
zahlt im Auftrag der Bundesregierung. Wenn nur wenige Bürgschaften
fällig
werden, kann Euler Hermes diese aus seinen Prämieneinnahmen
begleichen.
Gerade in Zeiten der Krise kann es jedoch zu enormen Ausfällen
kommen, die
dann von den SteuerzahlerInnen getragen werden.
Bis 2001 gab es in Deutschland eine lange Tradition der
Exportförderung
für Atomreaktoren: so erhielten die Kernkraftwerke Atucha in
Argentinien,
Angra in Brasilien, Bushehr im Iran, Mochovce in der Slowakei und
Lianyungang in China Hermesbürgschaften. Bushehr, ein AKW des
iranischen
Atomprogramms, wurde von Siemens begonnen, wofür der Konzern in den
1970er
Jahren Bürgschaften erhielt. Wegen der iranischen Revolution wurden
die
Bauarbeiten eingestellt, inzwischen soll das russische
Atomunternehmen
Rosatom den Reaktor fertig bauen.
... staatlich verschuldet
Die AKW Atucha und Angra 2 sind zwei Beispiele aus einer langen Liste
der
geförderten Atomprojekte im Ausland, die für ein weiteres Merkmal der
Atomexportförderung stehen: für Verschuldung. Hinter den
Hermesbürgschaften steht als Absicherung zunächst der Bundeshaushalt,
doch
darüber hinaus werden oft Gegenbürgschaften in den Bestellerländern
verlangt, wo zum Beispiel das dortige Finanzministerium eine
Gegengarantie
gibt. Wenn das Geschäft dann dem - zum Beispiel brasilianischen -
Käufer
zu teuer wird und er nicht zahlen kann, wird die Bürgschaft fällig,
sprich, sie wird zu einem Schadensfall. Dann verwandeln sich die
Schulden
des brasilianischen Käufers erst in Schulden gegenüber dem deutschen
Bundeshaushalt, werden dann umgehend dem brasilianischen Haushalt
aufgeladen und somit zu bilateralen Schulden zwischen Brasilien und
Deutschland.
Das ist ein klassischer Fall einer Kollektivierung von Verlusten.
Damit
werden die Bürgschaften zu einem hohen finanziellen Risiko für die
Bestellerländer. So musste Brasilien für das Atomkraftwerk Angra 2
insgesamt 1,4 Milliarden Euro Schulden allein aus geplatzten
Hermesbürgschaften gegenüber Deutschland abstottern. Und Argentinien
häufte 1,5 Milliarden Euro Schulden aus geplatzten Hermesbürgschaften
für
das Atomkraftwerk Atucha an. 950 Millionen Euro sind noch offen, seit
2002
kann Argentinien diese wegen der Wirtschaftskrise nicht mehr bedienen
(3).
Im Jahr 2000 sorgte eine Hermesbürgschaft für das chinesische AKW
Lianyungang sowie eine Liste mit insgesamt vierzehn Atomprojekten,
für die
Hermesbürgschaften vergeben werden sollten, für Wirbel in der
Öffentlichkeit und großen Knatsch in der rot-grünen Koalition. Als
Reaktion entstanden 2001 so genannte Umweltleitlinien für die Vergabe
von
Hermesbürgschaften. Diese schlossen die Exportförderung für
Nukleartechnologie aus. Umweltorganisationen haben von Anfang an
gewarnt,
dass das Wort >Nukleartechnologien< einigen Interpretationsspielraum
lässt. Siemens trat den Beweis an. Im Jahr 2003 beantragte der
Konzern
eine Bürgschaft für Turbinen für das finnische Atomkraftwerk
Olkiluoto.
Siemens argumentierte, dass die Turbinen schließlich keine
>Nukleartechnologie< und deshalb vom Ausschlusskriterium nicht
betroffen
seien. Der Fall gelangte an die Öffentlichkeit und sorgte für Wirbel.
Nachdem klar war, dass die Bürgschaft abgelehnt werden würde, zog
Siemens
den Antrag kurz vor der Entscheidung zurück.
Mit den Wahlen 2009 und der neuen Bundesregierung gelang es den
AtomkraftbefürworterInnen jedoch, die alten Umweltleitlinien
kurzerhand
abzuschaffen. Dies war im Koalitionsvertrag so vorgesehen, und
bereits im
November 2009 stellte Areva/ Siemens einen Antrag auf eine
Hermesbürgschaft für das brasilianische AKW Angra 3. Gegen das
Projekt
sprechen zahlreiche Gründe, unter anderem seine Lage in einer
erdbebengefährdeten Region und an der einzigen Straße, die für
Evakuierungen genutzt werden kann, die jedoch wegen Erdrutschen immer
wieder unpassierbar ist. Die Atomaufsichtsbehörde in Brasilien ist
nicht
unabhängig, sie hat über eine Tochtergesellschaft direkte
kommerzielle
Interessen an Angra 3. Und Brasilien hat das Zusatzprotokoll des
Atomwaffensperrvertrags nicht unterschrieben und weigert sich immer
wieder, Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde in seine
Anlagen zu lassen. Hohe Regierungsmitglieder träumen laut vom Besitz
einer
Atombombe. Dies alles beeindruckte die Bundesregierung nicht, sie
bewilligte im Februar 2010 Areva/ Siemens grundsätzlich eine
Hermesbürgschaft über 1,3 Milliarden Euro für Angra 3.
Intransparente Bankgeschäfte
Damit ist die Angelegenheit für Areva/ Siemens allerdings noch nicht
abgeschlossen. Denn endgültig wird die Bürgschaft erst, wenn die
Kreditverträge abgeschlossen sind. Dafür schafft die Bürgschaft
überhaupt
erst die Voraussetzung, da hermesverbürgte Geschäfte für Banken
relativ
sicher sind. Für Angra 3 verhandelt Areva/Siemens vornehmlich mit
französischen Banken, BNP Paribas ist der aussichtsreichste Kandidat.
BNP Paribas ist nicht nur bei Angra 3 involviert, sondern insgesamt
ein
bedeutender Finanzier der Atomindustrie. Generell spielen Banken bei
der
Geldbeschaffung für die Atomindustrie eine große Rolle. Und gerade in
diesem heiklen Bereich halten sie das Bankgeheimnis sehr hoch,
Finanzdienstleistungen für die Atomindustrie gehören zu den wenig
transparenten Geschäftsbereichen. Um Licht in dieses Dunkel zu
bringen,
haben einige europäische Umweltorganisationen eine Recherche bei dem
Forschungsinstitut Profundo beauftragt, das auf Finanzinstitute
spezialisiert ist. Identifiziert wurden 80 Firmen, die der weltweiten
Atomindustrie zuzurechnen sind und vom Uranabbau, der
Brennelemente-Produktion, bis hin zum Reaktorbau, -betrieb und dem
Management radioaktiver Abfälle alles abdecken.
Das Ergebnis der Studie listet die Top Ten der >radioaktiven Banken<,
angeführt von BNP Paribas, Barclays und Citi (4). Die Deutsche Bank
steht
auf Platz sieben. Sie zählt fast alle großen Atomkonzerne zu ihren
Kunden
und war (gemeinsam mit der Landesbank Baden-Württemberg und
Unicredit/Hypovereinsbank sowie zahlreichen anderen internationalen
Banken) an einem großen Kredit über 2,5 Milliarden US-Dollar für
Areva
beteiligt. Areva erwarb damit das südafrikanische Uranunternehmen
Uramin,
um seine Uranaktivitäten in Afrika auszubauen. Wohin dies führt,
zeigt
sich im Falle Nigers: 40 Jahre Areva-Aktivitäten haben der
Bevölkerung
keinen Vorteil, sondern viele ökologische und soziale Probleme
eingebracht.
Regine Richter ist Mitarbeiterin der Organisation urgewald (5).
(1) http://www.bmu.de/44832
(2) http://www.citigroupgeo.com/pdf/SEU27102.pdf
(3) http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/004/1700494.pdf#page=25
(4) http://www.nuclearbanks.org/
(5) http://www.urgewald.de/
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