[fessenheim-fr] Energiewende

klausjschramm at t-online.de klausjschramm at t-online.de
Fr Jul 30 20:59:01 CEST 2010


Hallo Leute!

Eigentlich ist diese Mailingliste nicht für das Thema
Erneuerbare Energien vorgesehen. Wegen der Resonanz
am Dienstag hier aber mein Vortragstext und die URL
des ersten Teils der dreiteiligen Info-Serie Energiewende:

www.netzwerk-regenbogen.de/enererinfo01.html

Hier ist auch die erste Grafik zu finden. Achtet auf
den kleinen Punkt rechts unten! (Das ist nicht
unser Ausgangspunkt)

Ciao
   Klaus Schramm


Wie stehen die Chancen für eine Energiewende?

In der Diskussion über die herannahende Klimakatastrophe wird gerne 
und häufig als unabänderliche Gewißheit verkauft: In der 
Energiepolitik seien nur langsame, graduelle Veränderungen, es sei 
aber keine Wende möglich.

Wir sollten uns von der PR aus Politik und aus Mainstream-Medien 
nicht einreden lassen, wir würden uns bereits in die richtige 
Richtung bewegen. So schreibt beispielsweise Hermann Scheer, 
Präsident von Eurosolar, der sicherlich keiner "fundamentalistischen" 
Position verdächtig ist in seinem 2005 erschienenen Buch 
"Energieautonomie - für eine neue Politik der erneuerbaren Energien":

"Tatsächlich sind die Zuwachsraten bei fossiler Energienutzung nach 
wie vor deutlich höher als bei aktiv genutzten erneuerbaren Energien. 
1990 lag nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA) der 
Weltverbrauch an fossilen Energien (Erdöl, Kohle, Gas) bei 5,63 
Milliarden Tonnen Rohöleinheiten (dem international üblichen 
Vergleichsmaß für alle Energien); 2002 waren es bereits 8,13 
Milliarden Tonnen Rohöleinheiten, was einer Steigerung um 44 Prozent 
in nur zwölf Jahren entspricht. (...) Zehn politische Weltkonferenzen 
zum Klimaschutz, die zwischen 1995 und 2002 stattfanden, haben an 
dieser Entwicklung nichts zu ändern vermocht. Der fossile 
Weltenergieverbrauch wuchs rasanter als je zuvor. In derselben Zeit 
stieg der Anteil erneuerbarer Energien von 1,04 auf 1,38 Milliarden 
Tonnen Rohöleinheiten, also um 33 Prozent. Die Differenz zwischen der 
Nutzung fossiler und erneuerbarer Energien weitete sich in nur zwölf 
Jahren von 4,59 auf 6,74 Milliarden Tonnen aus. Erst wenn der fossile 
und ebenso der atomare Energieeinsatz tatsächlich und unumkehrbar 
zugunsten der erneuerbaren Energien schrumpft, wird das Zeitalter der 
erneuerbaren Energien begonnen haben."

Zu den politischen Bedingungen für die Realisierung einer 
Energiewende zählt primär der Einfluß der etablierten 
Energiekonzerne. Dieser ist jedoch sogar noch gewachsen - wie auch 
Hermann Scheer übereinstimmend feststellt - und deren tiefe 
Mißachtung der erneuerbaren Energien hat sich in der Praxis nicht 
verändert. Das Engagement von Weltkonzernen in erneuerbare Energien 
wird immer wieder gerühmt - beispielsweise häufig und gerne von Franz 
Alt. Im Geschäftsjahr 2004 hatte BP einen Umsatz von 233 Milliarden 
US-Dollar. Der Umsatzanteil von BP Solar jedoch lag mit 330 Millionen 
US-Dollar bei 0,14 Prozent.

Grafik 1: Größenvergleich BP zu BPsolar

Shell hatte einen Gesamtumsatz von 269 Milliarden US-Dollar. Der 
Umsatzanteil von Shell Solar lag mit 292 Millionen US-Dollar bei 0,11 
Prozent. Das Engagement solcher Konzerne im Bereich erneuerbarer 
Energien hat allein drei Gründe:

1. Sie versuchen so, die Entwicklung unter Kontrolle zu halten.

2. Sie erzielen einen optimalen Werbeeffekt für das eigene Image, 
indem sie ihre Millionen für erneuerbare Energien herausstreichen - 
und

3. Sie können - was nicht selten geschah - erfolgversprechende Firmen 
aufkaufen und nach einer gewissen Schamfrist sang- und klanglos 
stilllegen.

Obwohl es die EU-Kommission nicht an Rhetorik für erneuerbare 
Energien fehlen läßt, ist ihre reale Praxis nach wie vor stärker auf 
die Atomenergie als auf erneuerbare Energien ausgerichtet: Die 
EURATOM-Finanzmittel werden weiterhin gesteigert und übertreffen die 
Finanzmittel für erneuerbare Energien um ein Vielfaches. Ebenso ist 
es bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben der OECD-Länder: 
Während die Mittel für erneuerbare Energien seit etwa drei 
Jahrzehnten bei rund acht Prozent liegen, liegt der Anteil der 
Atomforschung im Durchschnitt der OECD-Länder bei 51 Prozent. Dieses 
Zahlenverhältnis würde noch deutlicher zugunsten der Atomenergie und 
zu Lasten der erneuerbaren Energien ausfallen, wenn die von der IEA 
erstellte Statistik auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der 
EU-Kommission und hier insbesondere für die EURATOM-Behörde sowie die 
nicht veröffentlichten Ausgaben Frankreichs einbeziehen würde.

Leider nimmt ein großer Teil der VerfechterInnen der erneuerbaren 
Energien nicht wahr oder nicht ernst, daß sich im etablierten 
Energiesystem die Kräfte gegen die erneuerbaren Energien verstärkt 
international formieren. Die jahrzehntelangen Konflikte sind 
keineswegs gegenstandslos geworden. Denn bei einer Energiewende, beim 
Wechsel zu erneuerbaren Energien, geht es um nicht weniger als um den 
tiefgreifendsten und weitreichendsten wirtschaftlichen Strukturwandel 
seit Beginn der industriellen Revolution. Nur Naive glauben, dieser 
sei reibungsfrei und im Konsens mit den Trägern der überkommenen 
Energieversorgung realisierbar - gar auf der Grundlage gemeinsamer 
Werte. Der "energiewirtschaftliche Komplex" ist immerhin der größte 
und politisch einflußreichste Sektor der Weltwirtschaft. Die von ihm 
ausgehenden Widerstände gegen erneuerbare Energien werden in dem Maße 
wachsen, wie deren Mobilisierung so weit vorankommt, daß sie die 
atomaren und fossilen Energien nicht nur partiell ergänzen, sondern 
beginnen, diese real abzulösen.

Daß allenthalben Sympathie für erneuerbare Energien geäußert wird, 
gehört mittlerweile zur political corectness in der Energiediskussion 
- dies sagt jedoch nichts darüber aus, welcher Stellenwert den 
erneuerbaren Energien tatsächlich beigemessen wird - ein erst-, zweit-
 oder drittrangiger. Ein echter oder ein geheuchelter.

Wie wenig bisher tatsächlich noch von den Implikationen einer 
Energiewende bekannt ist, zeigt sich beispielhaft darin, wie wenig 
meist dem Argument von der Notwendigkeit von Großkraftwerken entgegen 
gesetzt werden kann.

So heißt es immer wieder mit nahezu einem Anspruch auf Unfehlbarkeit 
und in Anspruchnahme eines unhinterfragten Common Sense, der 
Mengenbedarf einer großindustriellen und urbanisierten 
Massengesellschaft sei ohne großtechnische Kraftwerke, Raffinerien, 
Tankschiffe, Pipelines und die zugehörige Infrastruktur nicht zu 
befriedigen. Erneuerbare Energien mit ihrer Affinität zu kleinen, 
dezentralen Anlagen könnten diese niemals vollständig ersetzen, 
sondern allenfalls ergänzen.

In der Hauptsache sprechen fünf Gründe für eine Energiewende:

1. Der Einsatz der Atomenergie und der fossilen Energieträger Öl, Gas 
und Kohle bedingt massive Umwelteingriffe. Angefangen bei der 
Förderung und Gewinnung der Rohstoffe und der damit verbundenen 
Vergiftung und Zerstörung der Umwelt, den Risiken und der 
Verschmutzung - zu denken sei nur an geborstene Pipelines, 
Tankerkatastrophen und die größte Umwelt-Katastrophe in der 
Geschichte der USA, die mit dem Untergang der Bohrinsel 'Deepwater 
Horizon' am 20. April 2010 erst begann und noch mindestens zehn Jahre 
andauern wird - bei Transport und Verteilung, den Emissionen in 
Gewässer, Luft und Erdatmosphäre beim Betrieb der Kraftwerke und die 
damit provozierte Veränderung des globalen Klimas und die ungeklärte 
Endlagerproblematik bei der Atomenergie.
Die erneuerbaren Energien sind dagegen praktisch schadstoff-frei und 
weitgehend umweltverträglich.

2. Sowohl die fossilen Energieträger als auch Uran sind erschöpflich. 
Dies zeigt sich nunmehr besonders drastisch annachlassenden 
Fördermengen, was einen drastischen Preisanstieg nach sich ziehen 
wird. Die fortgesetzte Nutzung endlicher Ressourcen führt 
unweigerlich zu Versorgungsengpässen und -notständen.
Allein die praktisch unerschöpflichen erneuerbaren Energien eröffnen 
allen Menschen auf dieser Erde eine dauerhafte und sichere 
Energieversorgung.

3. Sowohl die fossilen Energieträger als auch Uran liegen in relativ 
wenigen Förderregionen auf diesem Planeten, so daß für deren Nutzung 
lange internationale Bereitstellungsketten erforderlich sind. Dies 
bedingt unvermeidlich einen hohen Infrastrukturaufwand, führt zu 
wachsenden Abhängigkeiten und provoziert Kriege.
Die erneuerbaren Energien hingegen sind natürliche Umgebungsenergie, 
die überall mit technischen Hilfsmitteln unmittelbar gewonnen werden 
kann. Sie vereinen wirtschaftliche Effizienz mit einer Gewähr für 
politische Unabhängigkeit und Friedenssicherung.

4. Fossile Energien und Atomenergie werden durch die Verknappung der 
Ressourcen immer teurer - sowohl in Hinblick auf die direkten als 
auch auf die indirekten Kosten.
Die erneuerbaren Energien jedoch werden - da von der Sonne quasi 
kostenlos zur Verfügung gestellt - im Zuge ihrer laufenden 
technologischen Verbesserungen, industrieller Massenfertigung und 
intelligenter Anwendungsformen immer preiswerter.

5. Sowohl durch die globale Verteilung auf wenige Fördergebiete als 
auch durch die nur bei ihnen mögliche Effizenzsteigerung in zentralen 
Großanlagen bieten sowohl fossile Energien und als auch die 
Atomenergie optimale Voraussetzungen für dem Zugriff und das 
Verfügungsmonopol großer multinationaler Konzerne. Diese konnten sich 
so der Kontrolle nationaler Regierungen nach und nach völlig 
entziehen - einer der entscheidenden Gründe, weshalb schon lange 
nicht mehr von einem "Primat der Politik über die Ökonomie" 
gesprochen werden kann.
Die erneuerbaren Energien hingegen sind ungeeignet, um 
wirtschaftliche Macht konzentrieren zu können. Für Konzerne ist es 
ebensowenig möglich wie für politische Regime, überall zugleich 
präsent zu sein, um die Gewinnung erneuerbarer Energien unter ihrer 
Kontrolle halten zu können.

Können die erneuerbaren Energien heute überhaupt den schier ins
Unermeßliche gewachsenen Energiehunger stillen. Reichen
sie hierfür aus?

Der  jährliche kommerzielle Stromverbrauch liegt bei weltweit rund 17 
Billionen Kilowattstunden. Um diese Strommenge ausschließlich mit 
Windkraft bereit zu stellen, müßten - ausgehend von 2,5-MW-Anlagen, 
die unter mittlerer Windgeschwindigkeit 6 Millionen kWh im Jahr 
erzeugen - weltweit 2,8 Millionen Windkraftanlagen errichtet werden.  

Um dieselbe Strommenge mit Photovoltaik-Anlagen zu erzeugen, müßten 
unter realistischen Bedingungen 230.000 Quadratkilometer Solarzellen 
installiert werden. Dies ist deutlich weniger als die allein in der 
EU überbaute Fläche, in die Solarzellen vielfältig integriert werden 
könnten.  

Um den gegenwärtigen Wärmeenergiebedarf der Weltbevölkerung
durch Sonnenwärme zu decken, würden rund 15.000 Quadratkilometer
Solarkollektoren genügen.

Dies sind Hochrechnungen, die nur jeweils eine einzige Option 
erneuerbarer Energien berücksichtigen. Bekanntlich ist das Spektrum 
erneuerbarer Energie-Technologien sehr breit und umfaßt Wasserkraft-
Anlagen, Gezeiten-Kraftwerke, Biogasanlagen und nachwachsende 
pflanzliche Rohstoffe, die als Kraftstoffe und für Heizungszwecke 
einsetzbar sind, thermische Solaranlagen und Photovoltaik. 

Ein weites Feld eröffnet sich durch solar erzeugten Wasserstoff, der 
als Speichermedium und ebenfalls als Kraftstoff und für 
Heizungszwecke eingesetzt werden kann.  

Insgesamt liefert die Sonne täglich mehr als 15.000 mal so viel 
Energie wie derzeit in Form von fossiler und Atomenergie genutzt 
wird. Es ist also völlig lächerlich, von einem mangelnden 
Energiepotential zu reden. Und es ist auch Unsinn, von einer durch 
die Technik gesetzten Grenze zu sprechen, denn es geht bei dem 
erforderlichen Produktionsvolumen für Anlagen um eine Größenordnung, 
die in anderen industriellen Bereichen keinerlei Herausforderung 
darstellt. Selbst die Energie, die für die Produktion von Kraftwerken 
der erneuerbaren Energienutzung benötigt wird, wird künftig durch 
erneuerbare Energieanlagen zur Verfügung gestellt werden. Dies ist 
beispielsweise bereits heute von einem der führenden Produzenten von 
Wasserkraftanlagen, der Wasserkraft Volk AG in Gutach realisiert: Das 
gesamte Werk wird durch den Strom aus der eigenen Wasserkraftanlage 
versorgt.  

In welchem Zeitraum wäre eine Energiewende in Deutschland unter 
realistischen Bedingungen machbar?

Alle erneuerbaren Energien - die Wasserkraft ausgenommen - haben 
zusammen haben im Zeitraum der vergangenen 20 Jahre im Schnitt um 24 
Prozent zugelegt.

Legen wir - wie bei Wachstumsprozessen in der Prognostik üblich - 
einen exponentiellen Ansatz zugrunde, haben wir in nur 8 Jahren 
bereits soviel Strom aus erneuerbaren Energien, daß Deutschland zu 
100 Prozent versorgt werden könnte.

Betrachten wir einmal das Wachstum der erneuerbaren Energien in Bezug 
auf ihren Anteil an der Stromproduktion:

grafik 2

Von 2006 auf 2007 stieg der Anteil der erneuerbaren Energien um rund 
21 Prozent. In der obigen Grafik ist die y-Achse nur bis 16 Prozent 
abgetragen, um so die Dynamik der Entwicklung sichtbar zu machen. Ein 
wenig düster wirkt das Bild, wenn das Verhältnis von 14,3 Prozent zu 
100 Prozent in folgender Grafik deutlich wird:

grafik 3

Die Stromerzeugung aus Biomasse ist in den 16 Jahren von 1990 bis 
2006 von 1,4 TWh (Terawattstunden) auf 12,9 TWh gewachsen. Daraus 
ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 15 
Prozent. Bei der Windenergie ist zwischen 1990 und 2007 eine 
durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 51 Prozent zu 
verzeichnen. Sie erreichte 2007 insgesamt rund 39 TWh. Die höchste 
Zuwachsrate ist bei der Photovoltaik zu beobachten, die in den Jahren 
1990 bis 2006 jährlich um durchschnittlich 61 Prozent wuchs. Die 
Stromproduktion der Photovoltaik erreichte 2006 in Deutschland einen 
Stand von rund 2 TWh.

Diese Zahlen erscheinen im Vergleich zum - relativ konstanten - 
jährlichen Stromverbrauch in Deutschland mit rund 620 TWh noch recht 
bescheiden. In den genannten Wachstumsraten steckt jedoch eine enorme 
Dynamik:

Wenn wir - wie bei Wachstumsprozessen (oder auch bei der 
Guthabenverzinsung) üblich - eine Exponentialfunktion zu Grunde 
legen, um diese Entwicklung in die Zukunft hochzurechnen, entspricht 
beispielsweise eine Zuwachsrate von 51 Prozent einem Wachstumsfaktor 
a = 1,51.

grafik 3a

Der allgemeine Ansatz lautet: E(t) = B0 * a^t ("B Null mal a hoch t")
Hierbei ist t die Zeit in Jahren und B0 der Anfangsbestand.

Setzen wir den Stand von 30 TWh bei der Windenergie im Jahr 2006 als 
Anfangsbestand B0 ein, ergibt dies eine Funktion
E(t) = 30 * 1,51^t

Für t = 10 ergibt diese Funktion eine prognostizierte Stromproduktion 
der Windenergie im Jahr 2016 von 1.849 TWh - also rund drei mal so 
viel wie der heutige Strombedarf. Der jährliche Stromverbrauch liegt 
seit über 10 Jahren in Deutschland - relativ konstant - bei jährlich 
rund 620 TWh.

Die hier am Beispiel Windenergie dargelegte rechnerische Grundlage 
für eine Prognose der Entwicklung erneuerbarer Energien wurden 
beispielsweise von Andreas Henze von der Solarwerkstatt Freising auf 
verschiedene Teilbereiche angewandt und zudem die verfügbaren 
Potentiale berücksichtigt. So könnte nach seinen vorsichtigen 
Berechnungen auf der Grundlage von 2008 im Jahr 2016 mit 
Windkraftanlagen 309 TWh Strom produziert werden, mit Biomasse 109 
TWh und mit Photovoltaik 465 TWh. Die erneuerbaren Energien könnten 
den Strombedarf im Jahr 2016 also leicht decken. Würden die 
bisherigen politischen Hindernisse endlich aus dem Weg geräumt, 
könnte 100 Prozent Ökostrom sogar in weniger als 8 Jahren erreicht 
werden.  

Bei dieser Prognose ist der Ausbau der Wasserkraft noch gar nicht 
eingerechnet. Gerade in Baden-Württemberg liegt ein gewaltiges 
Potential an Wasserkraft kleiner Flüsse und Bäche bisher brach. Ein 
weiteres gewaltiges Potential ist ebenso wenig eingerechnet: Die 
technologischen Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und 
Stromeinsparung. So ist es völlig unsinnig, eine hochwertige Energie 
wie Strom für die Wärmebereitstellung einzusetzen. Der Betrieb von 
Elektroherden, Waschmaschinen mit elektrischen Heizstäben oder gar 
Nachtstrom-"speicher"-Öfen müßten längst verboten sein. Die 
Umstellungskosten für die Beseitigung dieses technologischen 
Irrsinns, der allein der Profitsteigerung der Strom-Konzerne diente, 
müßte von diesen zu 100 Prozent übernommen werden. Allein mit der 
Vermeidung von Standby-Verlusten kann der Stromverbrauch um rund 18 
TWh/a gesenkt werden.

Würden die gigantischen Finanzmittel in Höhe von jährlich mehr als 17 
Milliarden Euro, die allein in Deutschalnd nach wie vor in die 
Subventionierung der Atomenergie fließen, für eine 
Anschubfinanzierung von Energie-Effizienz-Technologie im Bereich der 
industriellen Produktion eingesetzt, könnte innerhalb weniger Jahre 
der heutige Strombedarf um die Hälfte reduziert werden. Um so 
schneller wäre somit eine Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom 
möglich. Die folgende Grafik zeigt ein Szenario aus den 1980er 
Jahren, das noch auf einem sehr bescheidenen und linear 
prognostizierten Wachstum der erneuerbaren Energien aufbaut.  

grafik 4

Ein realistisches Szenario für eine Energiewende ab dem Jahr 2008 bis 
zum Jahr 2016 stellte sich wie in dieser Grafik dar:

grafik 5

Entgegen immer wieder in den Medien lancierter Propaganda der Energie-
Konzerne stellt eine Vollversorgung des Strombedarfs mit erneuerbaren 
Energien kein "Flächenproblem" dar. Allein die derzeitige 
landwirtschaftliche Stillegungsfläche Deutschlands von rund 2 
Millionen Hektar würde ausreichen, um ausschließlich mit Photovoltaik-
Anlagen rund 900 TWh/a - also weit mehr als den derzeitigen 
Strombedarf - zu decken.

Sicherlich sollen nicht die gesamten Stillegungsflächen für 
Photovoltaik genutzt werden. Und sicherlich ist es auch nicht 
sinnvoll, den gesamten Stromverbrauch komplett mit Solarstrom decken 
zu wollen. Einzelne Potential-Abschätzungen gehen beispielsweise von 
84 TWh aus, wobei lediglich die nach Süden ausgerichteten Dachflächen 
- und auch hiervon nur ein Teil - in die Berechnung eingingen. Im 
dargestellten Energiewende-Szenario 2016 sind hiervon lediglich 80 
TWh ausgeschöpft. Das nach der Studie von Andreas Henze bei maximal 
336 TWh veranschlagte Potential der Windenergie ist lediglich bis 260 
TWh ausgereizt. Biomasse wäre bis 2016 mit 40 TWh zu knapp einem 
Drittel ihres Potentials von 131 TWh genutzt und auch bei Wasserkraft 
ist lediglich ein moderater Ausbau bis 50 TWh eingeplant. Zusammen 
ergibt dies eine Produktion von 430 TWh Ökostrom im Jahr 2016. 190 
TWh müssen bis 2016 durch Effizienzsteigerung und Stromeinsparung 
gewonnen werden.

Auch wenn sie mit Blick auf die herannahende Klimakatastrophe nur 
eine geringe Bedeutung haben kann, muß die Frage nach den Kosten 
einer Energiewende beantwortet werden. Da im dargestellten Szenario 
von den bisher zu beobachtenden Wachstumsraten ausgegangen wird, 
müssen für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien lediglich 
die Kosten des EEG angesetzt werden. Von diesen Kosten sind die 
vermiedenen externen Kosten abzuziehen, die bei einer Stromerzeugung 
mit dem heutigen Energiemix pro TWh anfallen. Die Daten über die 
externen Kosten stammen vom Bundesumweltministerium. Dabei 
produzieren die heutigen Kraftwerke auf fossiler und atomarer Basis 
im Schnitt 548,5 g CO2 pro kWh Strom. Das Bundesumweltministerium 
geht von 70 Euro pro Tonne CO2 aus. Damit ergeben sich externe Kosten 
von 4,07 Cent pro kWh Strom. Diese eingesparten externen Kosten 
werden den erneuerbaren Energien gutgeschrieben. Außerdem werden den 
erneuerbaren Energien die vermiedenen Erzeugungskosten des auf 
fossiler und atomarer Basis erzeugten Stroms gutgeschrieben. Ihre 
eigenen externen Kosten werden hinzugerechnet.

Nach Berechnungen von Andreas Henze würden erneuerbare Energien über 
einen Zeitraum von 13 Jahren Mehrkosten von knapp 20 Milliarden Euro 
verursachen. Dies muß ins Verhältnis gesetzt werden zur 
Subventionierung der Atomenergie, die in Deutschland nach wie vor 
über 17 Milliarden Euro pro Jahr beträgt.

Ab 2027 wäre auf der Grundlage des Energiewende-Szenarios 2016 die 
Vollversorgung mit erneuerbaren Energien billiger als mit dem 
heutigen Strom-Mix. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß in den 
kommenden Jahren bei einer weiteren Verknappung der fossilen 
Energieträger die Stromerzeugung auf der Basis dieser Energieträger 
drastisch teurer wird. Nur erneuerbare Energien können auf Dauer 
stabile Preise garantieren.

Wie bereits dargestellt, ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß von 
Seiten der Parteipolitik und der großen Energie-Konzerne die 
Wachstumsbedingungen der erneuerbaren Energien verbessert werden. Im 
Gegenteil muß in den kommenden Jahren mit einem verschärften Kampf 
und mit weiteren Kürzungen der Finanzmittel für die erneuerbaren 
Energien gerechnet werden. Um so wichtiger ist es, daß sich Menschen, 
die die Notwendigkeit einer Energiewende erkannt haben, auch hierfür 
einsetzen.

Eines der wichtigsten Mittel hierbei sind direkte finanzielle 
Investitionen etwa in Bürgerkraftwerke, bei denen Anteile in der 
Größenordnung von 3000 Euro aufwärts erworben werden können. Dabei 
ist nicht allein an Windkraftanlagen zu denken, die heute schon für 
"Besserverdienende" mit ihren steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten 
als Finanzanlage interessant sind, sondern gerade auch beispielsweise 
an Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen, für die die Fördermittel 
kürzlich vollständig gekappt wurden. Nicht zu unterschätzen ist 
jedoch auch, daß die Finanzmacht der Großen Vier zu einem nicht 
unerheblichen Teil darauf beruht, daß immer noch rund 90 Prozent der 
deutschen Privat-Haushalte ihren Strom von diesen beziehen. Die 
Großen Vier, das sind E.on, RWE, Vattenfall und EnBW, die als 
Oligopole den deutschen Strommarkt beherrschen. Wir alle, die wir 
Strom beziehen, auch die Rentnerin mit weniger als 900 Euro monatlich 
oder der Erwerbslose mit ALG II in Höhe von 359 Euro monatlich, haben 
die Möglichkeit, unseren Strom von einem der Ökostrom-Anbieter zu 
beziehen. Mit einem massenhaften Wechsel zu den vertrauenswürdigen 
Ökostrom-Anbietern würde den Großen Vier die finanzielle Basis 
entzogen und die dringend nötige Energiewende wäre sogar in einem 
Zeitraum von weniger als 8 Jahren realisierbar.



Siehe auch unsere Info-Serie Atomenergie

  1 Grundlagenwissen

  2 Der deutsche "Atom-Ausstieg"

  3 Die Subventionierung der Atomenergie

  4 Der siamesische Zwilling: Atombombe

  5 Umweltverbrechen Uran-Abbau

  6 Uran-Ressourcen und die Zukunft der Atomenergie

  7 Die Geschichte der Atom-Unfälle

  8 Die stille Katastrophe

  9 Der italienische Atom-Ausstieg

10 Schwedens "Atom-Ausstieg"

11 Atomenergie in Frankreich

12 Das ungelöste Problem der Endlagerung 
 



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