[fessenheim-fr] 150.000 gegen Atomkraft
klausjschramm at t-online.de
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Di Apr 27 12:51:04 CEST 2010
Hallo Leute!
Hier leider wegen technischen Problemen ein
wenig verspätet ein Artikel zu den Demos vom
Samstag.
Ciao
Klaus Schramm
24.04.2010
150.000 gegen Atomkraft
Aufschwung für Anti-AKW-Bewegung
Foto: Biblis
Am heutigen Samstag beteiligten sich mehrere tausend Menschen am
Treck von Gorleben zum AKW Krümmel, 7.000 nahmen an der Demo gegen
das Zwischenlager bei Ahaus teil, 20.000 kamen zum AKW Biblis und
120.000 Menschen reihten sich in die Menschenkette zwischen dem AKW
Brunsbüttel und dem AKW Krümmel ein. Auch wenn es Unmut über einige
von keinerlei Selbstkritik getrübten Auftritte von PolitikerInnen
gab, prägte die Forderung nach einem Atom-Ausstieg das Bild. Anlaß
des gemeinsamen Protests war nicht allein der Tschernobyl-Jahrestag
am 26. April, sondern zugleich die Sorge vieler Menschen in
Deutschland, daß der versprochenen Atom-Ausstieg immer weiter in die
Zukunft verschoben wird.
Gorleben - Krümmel
Die wendländischen AtomkraftgegnerInnen waren zu einem dreitägigen
Treck, mit einem zusätzlichen Fahrräder- und Trecker-Konvoi und
zahlreichen Bussen nach Krümmel aufgebrochen. Am AKW haben sie die
Demonstration und Kundgebung mit geprägt. Auch hier wurde Kritik an
einer "parteipolitischen Instrumentalisierung der Menschenkette"
laut. Parteipolitisische Fensterreden waren aber am AKW Krümmel nicht
vorgesehen. Auffallend waren die rund 70 Traktoren und Gespanne, die
aus dem Wendland rund um Gorleben gekommen waren.
Ahaus
Um 14 Uhr setzte sich ein Protestzug von rund 7.000 Menschen in
Bewegung. Dominierend unter den Fahnen waren solche mit dem sonnigen
"Atomkraft?-Nein Danke!"-Symbol, das mittlerweile mehr als 30 Jahre
auf dem Buckel hat und dennoch frisch und frech wie am ersten Tag
wirkt. Keinen Kontrast hierzu bildete daher das Alter der Demo-
TeilnehmerInnen, die oft deutlich jünger als die strahlende Anti-AKW-
Sonne waren.
Heiner Möllers vom Demo-Komitee mußte gleich zu Beginn die anwesende
Pateien-Prominenz ermahnen, sich nicht an die Spitze des Zuges zu
setzen. Hier solle kein Wahlkampf gemacht werden, es gehe den
DemonstrantInnen um den Atom-Ausstieg. Gekommen waren auch Atomkraft-
GegnerInnen aus den Niederlanden, Frankreich und Rußland. Kritisiert
wurden insbesondere die Transporte von Uranhexafluorid von
Deutschland nach Rußland.
In den kommenden Monaten sollen hunderte Atommüll-Transporte ins
Zwischenlager Ahaus rollen. In seiner Rede äußerte Möllers die
Befürchtung, daß der radioaktive Müll wegen eines fehlenden Endlagers
aus Dauer in Ahaus bleiben soll. Er erinnerte an die großen Erfolge
der Anti-AKW-Bewegung die von ursprünglich rund sechzig geplanten
Atomanlagen nahezu vierzig verhindern konnte. Möllers rief: "Wir
werden uns zu wehren wissen!" Die DemonstrantInnen antworteten mit
heftigem Beifall und einem ohrenbetäubenden Konzert von
Trillerpfeifen.
Biblis
Weitaus mehr Menschen als erwartet kamen zum hessischen AKW Biblis.
Dort läuft der im Jahr 1974 in Betrieb genommenen Reaktor Biblis A,
der älteste Meiler Deutschlands, dessen Abschaltung nach dem "rot-
grünen Atom-Ausstieg" für das Jahr 2006 angekündigt war. Aufgerufen
hatten zur Demo am AKW Biblis Anti-AKW-Initiativen aus mehreren
Bundesländern, Umweltorganisationen und Parteien.
Matthias Weyland vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erklärte
in seinem Redebeitrag: "Die Bevölkerung ist die Trickserei der
Betreiber und der Politik leid, die Wut ist enorm." Am AKW Biblis war
es keinen Parteien-VertreterInnen vergönnt, Reden zu halten und
vermeintliche Erfolge anzupreisen. Der Arzt Michael Wilk vom
Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden begrüßte in seinem Redebeitrag
ausdrücklich die anwesenden Menschen von der Basis der verschiedenen
Parteien. Mit diesen habe die Anti-AKW-Bewegung in den vergangenen
Jahren durchweg positive Erfahrungen gemacht und diese hätten bei der
Vorbereitung der heutigen Demo kräftig mitangepackt. Dennoch müsse
ausgesprochen werden, daß "S"PD und Pseudo-Grüne wegen des
Atomkompromisses eine Mitschuld daran tragen, daß das Biblis A und 16
weitere Reaktoren in Deutschland immer noch am Netz seien. Die Anti-
AKW-Bewegung könne aber sehr wohl unterscheiden zwischen den
einfachen Mitgliedern an der Basis und "den sogenannten
Parteispitzen". Von diesen "Parteispitzen" sei wohl gar zu erwarten,
daß sie einen mit Biodiesel betriebenen "ökologischen Kampfpanzer"
zum Einsatz für vermeintliche deutsche Interessen am Hindukusch
begrüßen würden. Auf dem Platz anwesende Parteiprominenz wie die
rheinland-pfälzische "Umwelt"-Ministerin Margit Conrad ("S"PD), der
hessische "S"PD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel und die
hessischen Vorsitzenden der Pseudo-Grünen Kordula Schulz-Asche und
Tarek Al-Wazir quittierten die Kritik Michael Wilks mit hörbarem
Gegrummele. Der starke Applaus zeigte jedoch, daß viele
DemonstrantInnen Wilk zustimmten. Wilk richtete zudem deutliche
Kritik an die Adresse der Atom-Konzerne. Diese würden von Kriminellen
geleitet und bereits der sogenannte Normalbetrieb von Atomkraftwerken
sei nichts anderes als Körperverletzung.
Die Menschenkette um das AKW Biblis war ein voller Erfolg. Die vier
Kilometer lange Strecke konnte problemlos vollständig besetzt werden.
Vom sogenannten Abluft-Kamin des AKW wurde die Aktion offenbar
interessiert beobachtet. Auch der recht kostenintensive Start eines
Polizei-Hubschraubers vom AKW-Gelände aus war dem hessischen
Ministerpräsidenten Roland Koch trotz maroden Landeshaushalts
offenbar nicht zu teuer. Am Freitag, einen Tag vor der Demo, hatte
der Hessische Verwaltungsgerichtshof einen kurz zuvor auf Betreiben
Kochs an die VeranstalterInnen gerichteten Kostenbescheid
abgeschmettert. Die VeranstalterInnen hätten wegen der "Abwehr von
Unfall- und Gesundheitsgefahren allgemeiner Art" bei der Demo rund
2.600 Euro bezahlen sollen. "Das ist ein riesiger Erfolg für uns und
für alle zukünftigen Demonstrationen", erklärte Matthias Weyland vom
BUND. Der Versuch, die Ausübung des Demonstrationsrechts vom
Geldbeutel der Veranstalter abhängig zu machen und damit erheblich
einzuschränken, sei gescheitert.
Menschenkette Brunsbüttel - Krümmel
An der 120 Kilometer langen Strecke vom AKW Brunsbüttel quer durch
Hamburg bis zum AKW Krümmel demonstrierten 120.000 Menschen für einen
Atom-Ausstieg in Deutschland. "Es ist gelungen: Die Kette steht. Dies
zeigt, daß die Mehrheit der Bevölkerung aus der gefährlichen
Atomenergie aussteigen will. Die Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel
müssen endgültig stillgelegt werden. Und auch der Betrieb der anderen
Atomkraftwerke ist nicht länger zu verantworten. Der heutige Tag wird
eine bundesweite Kettenreaktion des Protests und Widerstands
auslösen, sollte die Bundesregierung in der Atompolitik nicht
einlenken", erklärten die Veranstalter, ein breites Bündnis von
Umweltverbänden, Bürgerinitiativen, Erneuerbare-Energien-Verbänden,
kirchlichen Organisationen, Jugendverbänden, Gewerkschaften und
Parteien.
"Das Engagement der vielen Hundert ehrenamtlichen Helferinnen und
Helfer und der Zuspruch von engagierten Menschen aus allen Teilen der
Bundesrepublik und quer durch alle gesellschaftlichen Milieus waren
enorm," sagte der BUND-Atomexperte Thorben Becker, einer der Sprecher
der Aktion. "Und auch beim CASTOR-Transport nach Gorleben im November
rechnen wir mit weiter wachsenden Protesten," erklärte Jochen Stay,
einer der Sprecher des Trägerkreises.
Menschen aus fast allen gesellschaftlichen Schichten nahmen am
Protest teil, Bäuerinnen und Bauern mit Traktoren, Familien auf
Fahrrädern. Die Wut der Menschen richtet sich vor allem gegen
"Schwarz-Gelb", denn von dieser Seite ist nun offen davon die Rede,
daß die 17 deutschen Atommeiler viele weitere Jahre in Betrieb
bleiben sollen. Dabei sind die beiden Atomkraftwerke Krümmel und
Brunsbüttel, die beide seit Juni 2007 nahezu ununterbrochen
abgeschaltet sind, symbolträchtig.
In Elmshorn trug Sigmar Gabriel, derzeitiger "S"PD-Vorsitzender und
Atom-Minister der "schwarz-roten" Regierung von 2005 bis 2009, eine
Rede vor. Er warnte die TeilnehmerInnen der Menschenkette vor einer
weiteren Verlängerung der Betriebszeiten. 300.000 Arbeitsplätze in
der Branche der erneuerbaren Energien seien dadurch gefährdet.
Unerwähnt ließ er dabei, daß sowohl in den "rot-grünen" Jahren von
1998 bis 2005 als auch in seiner Amtszeit als Atom-Minister die
Atomenergie jährlich mit über 7 Milliarden Euro subventioniert wurde,
während die erneuerbaren Energien lediglich mit einigen Millionen
Euro gefördert wurden.
Zusammen mit seinem Vorgänger als Atom-Minister, dem pseudo-grünen
Jürgen Trittin, reihte sich Gabriel auf der Bundesstraße 431 zwischen
Elmshorn und Glückstadt in die Menschenkette ein. Trittin sagte: "Die
Anti-AKW-Initiativen kämpfen wieder gemeinsam mit uns, weil sie
erkannt haben, daß dies der schnellste Ausstieg der Welt ist." Beide
wiesen auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai hin und
versuchten mit Hilfe der Mainstream-Medien die Menschenkette zu einer
Wahlveranstaltung für die Landtagswahl umzufunktionieren. So soll das
Bild einer Renaissance von "Rot-Grün" haften bleiben.
Auch der Auftritt des Linkspartei-Politikers Klaus Ernst bei Brokdorf
stieß bei den TeilnehmerInnen der Menschenkette nicht auf ungeteilte
Zustimmung. Nach den Erfahrungen mit Schröder, Fischer, Gabriel und
Trittin, die mal von zehn, mal von zwanzig, schließlich von 32 Jahren
redeten, traf der Linkspartei-Politiker einen wunden Punkt, als er in
seinem Redebeitrag sagte: "Die Atomkraftwerke müssen so schnell wie
möglich abgeschaltet werden."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Sanitär-Kosten für Biblis-DemonstrantInnen?
Roland Koch will Anti-AKW-Demo verteuern (22.04.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
Biblis A - Lug und Trug
Demo am 24. April (27.03.10)
Der deutsche "Atom-Ausstieg"
Folge 2 der Info-Serie Atomenergie
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