[fessenheim-fr] Unfall in der UAA Gronau

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So Jan 24 22:31:39 CET 2010


Hallo Leute!

Hier leider ein bißchen verspätet ein Artikel aus der
gestigen Ausgabe von REGENBOGEN NACHRICHTEN.

Ciao
   Klaus Schramm


23.01.2010

Unfall in der UAA Gronau
Arbeiter radioaktiv verstrahlt

Am Donnerstag, 21. Januar, wurde bei einem Unfall in der 
Urananreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau ein 
Arbeiter radioaktiv verstrahlt. Die Öffentlichkeit wurde erst am 
Freitag informiert. Präzise Angaben über den Unfall-Hergang wurden 
bislang nicht freigegeben. Zugleich wird in absurder Weise 
verharmlost: Von dem kontaminierten Arbeiter gehe "keine Strahlung 
aus", heißt es unter Berufung auf einen Strahlenmediziner in den 
Mainstream-Medien. Diese Aussage, die offenbar lediglich zur 
Beruhigung der Öffentlichkeit dient, ist ebenso adäquat wie etwa die 
Aussage, der Arbeiter werde nun nicht die Cholera bekommen. Beide 
Aussagen sind nicht falsch, haben aber in einem Fall, bei dem ein 
Mensch unter Umständen strahlende Stoffe in die Lunge aufgenommen 
hat, keinerlei Relevanz. Alpha-Strahler wie etwa Plutonium-Atome, die 
sich in der Lunge befinden, sind von außen nicht meßbar - lösen aber 
mit hoher Wahrscheinlich Krebs aus.

Die Aufsichtsbehörde im Wirtschaftsministerium von Nordrhein-
Westfalen erklärte, ein als "leer und gewaschen" deklarierter 
Behälter sei nicht vollständig leer gewesen. Dadurch sei es zu einer 
Freisetzung von radioaktivem Uranhexafluorid gekommen. Laut 
Greenpeace muß dieses Bruchstück einer Information über den Unfall-
Hergang mißtrauisch machen. Es sei bekannt, daß die verwendeten 
Behälter nie vollständig entleert werden können. "Daher sind immer 
besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich", erklärt Heinz Smital, 
Atomphysiker bei Greenpeace. Die Information lasse auf erhebliche 
Probleme in der Sicherheitskultur schließen. Selbst Bruchteile eines 
Gramms Uranhexafluorid (UF 6) in der Atemluft können tödlich sein. 
Ein einzelner Uranbehälter enthält 12,5 Tonnen UF 6.

Tödliche Risiken gehen in der Atomenergie nicht nur von Reaktoren 
aus, sondern von der gesamten Produktionskette. Schon im Umkreis von 
Uranminen kommt es zu großflächiger radioaktiver Kontamination. 
Ungeschützte Transporte mit Brennstäben und anderem gefährlichem 
Nuklearmaterial rollen beinahe täglich durch Deutschland. Deutsche 
Atomkraftwerke sind nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze 
geschützt, mit denen eine Reaktor-Katastrophe ausgelöst werden kann.

Nach wie vor existiert weltweit kein Endlager für hochradioaktiven 
Atommüll. Ungeachtet dessen verhindert "Schwarz-Rot-Grün-Gelb" in 
Deutschland im Dienste von E.on, RWE, Vattenfall und EnBW seit Jahren 
den Atom-Ausstieg.

Die UAA Gronau wird vom deutsch-britisch-niederländisches Konsortium 
Urenco betrieben. Eine Urananreicherungsanlage versorgt die 
Atomindustrie mit hochangereichertem Uran. Dieses wird zu Brennstäben 
verarbeitet, die im Reaktorkern von Atomkraftwerken mit Hilfe von 
Kernspaltung zur Erzeugung von Wärme eingesetzt werden. Die deutschen 
AKW-Betreiber E.on und RWE halten an Urenco jeweils 16,5 Prozent der 
Anteile. Nach eigenen Angaben versorgt Urenco rund 25 Prozent des 
weltweiten Bedarfs an Brennstäben. Wenig bekannt ist bis heute, daß 
im Jahr 2003 unter "Rot-Grün" ein Ausbau der UAA Gronau mit einer 
Verdreifachung der Produktionskapazität genehmigt wurde. Die 
Urananreicherung ist in den vergangenen Jahren ins Blickfeld der 
Öffentlichkeit geraten, nachdem das iranische Regime das "Recht" auf 
Urananreicherung beansprucht. Die Beispiele Pakistan und Nordkorea 
zeigen jedoch, daß jeder weitere Staat, der die Technologie der 
Urananreicherung mit hintereinandergeschalteten Gaszentrifugen 
beherrscht, diese auch nutzte, um in den Besitz der Atombombe zu 
gelangen.

Abgereichertes Uranhexafluorid wird seit Jahren aus Gronau nach 
Rußland transportiert. Bislang wurden rund 30.000 Tonnen mit der Bahn 
und auf Schiffen an die russische Firma Tenex geliefert. Dort wird es 
zum Teil erneut angereichert, so daß es in Deutschland wieder zu 
Brennelementen verarbeitet werden kann. Allerdings verbleiben 80 bis 
90 Prozent der ursprünglich gelieferten Menge in Rußland. Es lagern 
also rund 25.000 Tonnen Atommüll aus Deutschland bei Tenex - nach 
einem Bericht des ZDF[1] größtenteils in korrodierenden Fässern und 
Behältern unter freiem Himmel. Uranhexafluorid reagiert mit 
Feuchtigkeit zu gefährlicher Flußsäure. Diese ist weitaus aggressiver 
als Salzsäure und frißt sich sogar Glas hindurch.

Anti-AKW- und Umwelt-Initiativen fordern nach dem Unfall vom 
Donnerstag erneut die sofortige Stilllegung der UAA Gronau. Der 
Vorfall erinnere an die Verseuchungen in den Hanauer Atomfabriken, 
die letztlich alle stillgelegt werden mußten. Das Aktionsbündnis 
Münsterland gegen Atomanlagen erinnert daran, daß der 1988 
stillgelegte Versuchsreaktor des Forschungszentrums Jülich nach wie 
vor das bevölkerungsreichste Bundesland der BRD bedroht. Durch einen 
Störfall, der sich schon 1978 ereignete, aber zwanzig Jahre 
verschwiegen wurde, ist der Untergrund unter dem Reaktor radioaktiv 
verseucht. Dessen Betreiber, die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor 
(AVR), will den 2.100 Tonnen schweren Reaktorkern nun in einer 
weltweit einmaligen Aktion um 200 Meter auf einem Luftkissenschlitten 
versetzen lassen. Daraufhin soll der Untergrund dekontaminiert 
werden. Der Rückbau der stillgelegten Anlage gestaltet sich insgesamt 
als äußerst schwierig.

Offenbar plant die AVR, hinter der als einziger Gesellschafter das 
Bundesfinanzministerium steht, auch ein oberirdisches Endlager: Schon 
heute rechnen die WissenschaftlerInnen des Forschungszentrums Jülich 
mit einer "Abklingzeit von mehr als 60 Jahren" für den Reaktorkern. 
So steht es auf deren Homepage. Weiter heißt es dort, daß die 
Einlagerung in das Endlager Konrad (sofern zu diesem Zeitpunkt noch 
in Betrieb), ebenfalls nicht in überschaubarer Zeit in Frage komme. 
Der Reaktorkern ist mit radioaktiven Isotopen wie Cäsium-137 und 
Strontium-90 verstrahlt. "Für den Reaktorkern gibt es derzeit keine 
Zerkleinerungstechnik", so der Sprecher des Forschungszentrums, Peter 
Schäfer

Die teilweise abgebrannten Brennelemente aus Jülich sollen noch in 
diesem Jahr ins Zwischenlager Ahaus transportiert werden. Proteste 
sind bereits angekündigt. Felix Ruwe von der Bürgerinitiative 'Kein 
Atommüll in Ahaus' wertet diese Transporte als "rein politisch 
motiviert". Die Verlagerung des Atommülls gefährde die Menschen 
entlang der Transportstrecke quer durch Rheinland, Ruhrgebiet und 
Münsterland. Für den heutigen Samstag sind gegen die CASTOR-
Transporte Proteste mit einem "Autobahnaktionstag" angekündigt.


REGENBOGEN NACHRICHTEN


Anmerkungen

[1] Siehe hierzu unseren Artikel:

      21.000 Tonnen Yellow Cake nach Sibirien
      ZDF: 3 Tote bei Atom-Unfällen (12.06.07)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
      Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)

      Endlagerstandort Gorleben
      Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle (10.01.10)

      Aus für AKW Ignalina
      Zahl der Reaktoren weltweit sinkt auf 435 (2.01.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      Reaktor konnte nicht hochgefahren werden (27.12.09)

      Schweizer AKW Mühleberg bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag?
      Unbefristete Betriebsgenehmigung ohne BürgerInnenbeteiligung
      (22.12.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)

      Schacht Konrad angeblich verfassungskonform
      Gericht nahm Beschwerde nicht zur Entscheidung an (26.11.09)

      Morsleben-Kongreß
      Forderung nach Offenlegung einer geheimen Studie
      zur Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls (21.11.09)

      CASTOR-Transporte ins Zwischenlager Ahaus
      Der Weg zum illegalen Endlager (14.11.09)

      Anti-AKW-Demo in Italien:
      "Es bleibt beim Atom-Ausstieg!" (4.11.09)

      Streit um die neue Atomkraftwerks-Linie EPR
      Sicherheitsbehörden kritisieren elektronisches Steuerungs-
System
      (3.11.09)

      Atommüll-Lager Morsleben
      Chance zur Stilllegung per Öffentlichkeitsbeteiligung 
(23.10.09)

      AKW in den USA zeigen deutliche Material-Probleme
      Laufzeiten von 40 Jahren utopisch / Zunehmende Gefährdung
      (11.10.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Decke eingestürzt (9.10.09)

      EU: Siemens an Kartell beteiligt
      Straffreiheit wegen Kooperation (7.10.09)

      BUND fordert Bau-Stop am AKW Mochovce
      Slowakei baut Uralt-Reaktoren sowjetischer Bauart (6.10.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich (2.10.09)

      Endlagerpläne in Schweden hinfällig
      Auch Kupfer hält nicht dicht (30.09.09)

      Verstärkter Laugeneinbruch
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)

      Karlsruhe: "Atomsuppe" wird verglast
      Verbleib nach wie vor ungeklärt (17.09.09)

      Gorleben: Regierung Kohl setzte 1983
      Gutachter unter Druck (9.09.09)

      Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?
      Areva droht mit Baustop (1.09.09)

      Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
      im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)

      Sargnagel für Endlager Gorleben
      Verträge laufen 2015 aus (22.08.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
      MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)

      6 Atomkraftwerke vom Netz
      Gehen nun in Deutschland die Lichter aus? (24.07.09)

      Drohen längere Laufzeiten
      der Atomkraftwerke nach der Bundestagswahl? (18.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)

      AKW-Laufzeitverlängerung in Spanien
      "Sozialistischer" Regierungs-Chef Zapatero
      bricht Wahl-Versprechen (3.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)

      Terrorziel Atomkraftwerk
      TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht (17.06.09)

      Asse II: Strom-Konzerne drückten
      die Sicherheits-Standards (3.06.09)

      Patt bei Atomenergie in der Schweiz
      Hauptstadt Bern will auf erneuerbarre Energien umsteigen
      (29.05.09)

      Illegaler Ausbau unter Gorleben
      1,5 Milliarden Euro bereits für Ausbau als "Endlager" 
investiert
      (28.05.09)

      Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
      Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
      in den Inventar-Listen (7.05.09)

      Uran-Transport von "Eichhörnchen" gestoppt
      Bedeutung der Urananreicherungs-Anlage Gronau
      ins Blickfeld gerückt (29.04.09)

      Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
      (29.04.09)

      Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
      Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an (24.04.09)

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Das Atomkraftwerks-Projekt THTR
      ist auch in Südafrika gescheitert
      Wie in Deutschland: ein Milliardengrab (14.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Schwedische Regierung wünscht neue Atomkraftwerke
      Kommt nun doch die "Renaissance der Atomenergie"? (5.02.09)

      Weltwirtschaftskrise trifft Energie-Konzerne
      Keine Investitionen für AKW-Neubauten (4.02.09)

      Siemens steigt bei Areva aus
      Ist das Atomkraftwerk-Modell EPR am Ende? (27.01.09)

      Bulgarisches AKW Kosloduj
      soll wieder ans Netz (23.01.09)

      Slowakei verzichtet auf Wiederinbetriebnahme
      des AKW Bohunice (22.01.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Stillgelegtes slowakisches AKW Bohunice
      soll wieder in Betrieb genommen werden
      Gas-Streit dient als Vorwand (11.01.09)

      Renaissance der Atomenergie?
      Wo in aller Welt? (7.01.09)

      Atom-Ausstieg selber machen!

      Der deutsche "Atom-Ausstieg"
      Folge 2 der Info-Serie Atomenergie

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Folge 3 der Info-Serie Atomenergie

      Das ungelöste Problem der Endlagerung
      Folge 12 der Info-Serie Atomenergie 





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