[fessenheim-fr] Kampf ums Strom-Netz

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Sa Okt 24 14:49:56 CEST 2009


23.10.2009

Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen
EnBW lockt Bürgermeister mit Gänsebraten

Der Strom-Konzern EnBW versucht mit einem neuen Konstrukt, einer 
"gemeinsamen Netzgesellschaft", die Kontrolle über das Strom-Netz in 
der Hand zu behalten. Bereits heute sollte es im Hau-Ruck-Verfahren 
und mit Gänbsebraten für die Bürgermeister durchgesetzt werden. Ende 
September hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem 
aufsehenerregenden Urteil[1] dem Oligopol der Großen Vier auf dem 
deutschen Strom-Markt einen schweren Schlag versetzt. Nach diesem 
Grundsatzurteil bleiben die Strom-Konzerne nicht die Eigentümer des 
Strom-Netzes, wenn ein neuer Anbieter die Konzession erhält. Damit 
wird die Machtbasis der Großen Vier, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, 
untergaben und Dezentralisierung gefördert.

Das Konstrukt der "gemeinsamen Netzgesellschaft", das EnBW auf die 
Schnelle aus dem Hut zauberte, sieht vor, daß EnBW ihr Strom-Netz in 
eine GmbH &Co.KG einbringt, an der sie selbst mit 49 Prozent 
beteiligt ist. Den Rest sollen sich die Kommunen (35,9 Prozent) und 
der Neckar-Elektrizitätsverband NEV (15,1 Prozent) teilen. Über 
seinen Einfluß auf den NEV kann EnBW bei diesem Modell auch in 
Zukunft nach Belieben im Strom-Netz schalten und walten und so die 
eigene Machtbasis sichern - zumal von Vorneherein festgelegt ist, daß 
die Vergabe der Betriebsführung des Strom-Netzes an EnBW erfolgen 
soll.

Der Wert des Strom-Netzes soll 500 Millionen Euro betragen. Den im 
NEV zusammengeschlossenen 168 Gemeinden wird eine Rendite von 9,4 
Prozent versprochen. Bei dieser "gemeinsamen Netzgesellschaft" wären 
dann  168 Städte und Gemeinden sowie neun Landkreise zwischen 
Heilbronn und Reutlingen beteiligt. Der Metzinger Oberbürgermeister 
Ulrich Fiedler bemerkte sogleich, daß der Plan offenbar mit "heißer 
Nadel" gestrickt sei.

Der Schorndorfer Bürgermeister Matthias Klopfer kündigte heute 
(Freitag) bei einer Zweckverbands-Sitzung in der Stauferlandhalle in 
Salach bei Göppingen an, das neue Konstrukt der EnBW nicht ungeprüft 
zu akzeptieren. Der Gänsebraten, den EnBW bei dieser Sitzung den 
Bürgermeistern auftischte, scheint seine Wirkung auf Klopfer verfehlt 
zu haben. Atomkraftgegner Klopfer fragt, warum er bei einem 
Unternehmen mitmachen sollte, an der Schorndorf 0,18 Prozent hält, 
die atomlastige EnBW aber 49. Sein Einfluß tendieren dann gegen Null. 
Auch ein bereits vorliegendes Gutachten der NEV, verspreche Vieles, 
lasse noch mehr im Vagen und lege zugleich einige wichtige Punkte 
fest, die nach Ansicht Klopfers offen bleiben müßten.

Klopfer ließ das NEV-Gutachten durch die Stuttgarter Kanzlei Wahle 
prüfen. Das Ergebnis ist vernichtend. Das Vorgehen, urteilen die 
renommierten Juristen, könne sich als "vorsätzlicher Verstoß" gegen 
gültige Gesetze darstellen. Zentraler Kritikpunkt: die geplante 
Vergabe der Betriebsführung an die EnBW, die damit weitere 20 Jahre 
darüber befinden könnte, wie das Kernland Württembergs mit Strom 
versorgt wird. Daß es dafür einer europaweiten Ausschreibung bedarf, 
haben die NEV-Gutachter offenbar übersehen.

Eine ganze Reihe von Bürgermeistern, die sich anscheinend an alte 
Seilschaften nicht mehr gebunden fühlen, haben sich bereits dem 
Schorndorfer Bürgermeister angeschlossen: Christof Bolay 
(Ostfildern), Ulrich Fiedler (Metzingen), Jürgen Kessing (Bietigheim-
Bissingen), Michael Makurath (Ditzingen) und Roland Klenk (Leinfelden-
 Echterdingen). Sie eint dasselbe Ziel und dasselbe Selbstbewußtsein: 
die Autonomie bei der Energie und die Distanz zur EnBW. Immer stärker 
macht sich ein Paradigmenwechsel bemerkbar: Weg von unbeweglichen 
Zentralstrukturen und hin zu einer flexiblen, eigenständigen und 
dezentralen Energieversorgung. Klopfer setzt auf sein Regionalwerk 
Rems, Fiedler auf sein Regionalwerk Ermstal und Bolay auf sein 
Regionalwerk Filder. Die jungen Bürgermeister sprechen von 
Arbeitsplätzen und Gewinnen vor Ort, von einer umweltschonenden und 
nachhaltigen Daseinsvorsorge und überzeugen damit immer mehr 
Menschen. Das zeigt das Beispiel Albwerk in Geislingen: Das 
genossenschaftlich organisierte Unternehmen setzt auf Wind- und 
Wasserkraft, Fotovoltaik und Biogas und macht 170 Millionen Euro 
Umsatz.
 

REGENBOGEN NACHRICHTEN


Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      Zukunftsweisender Gerichtsentscheid gegen Strom-Konzerne
      BGH erzwingt Dezentralisierung und stärkt Erneuerbare Energien
      (29.09.09)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      100-Prozent-Solarhaus in Kappelrodeck erneut ausgezeichnet
      Energieeffizienz und gute Architektur (26.07.09)

      Wind-Energie - ein Beispiel,
      welches Potential in den Erneuerbaren steckt (23.06.09)

      Ausbau der Wasserkraft in Deutschland gebremst
      Wasserkraft-Anlagen verbessern Gewässer-Ökologie (3.02.09)

      USA legt bei Windenergie zu
      Nummer Eins vor Deutschland (5.01.09)

      Wachstum der Windenergie weiter behindert
      Halbierung des Zuwachses gegenüber 2002 (18.09.08)

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Folge 3 der Info-Serie Atomenergie

      Globaler Energie-Vergleich:
      13 mal soviel Zubau an Windenergie wie an Atomenergie 
(20.07.08)

      EEG bremst erneuerbare Energien:
      Wachstum der Photovoltaik stagnierte 2007 in Deutschland 
(6.05.08)

      China erobert Spitzenposition
      auf internationalem Solarmarkt (31.03.08)

      100 Prozent Ökostrom in 8 Jahren
      Eine realistische Perspektive für die Energiewende? (15.03.08)

      Erneuerbare Energien bei 14 Prozent
      Schlechte Aussichten für weiteres Wachstum (9.01.08)

      Bundesregierung blockiert beim Klimaschutz
      Kraft-Wärme-Kopplung per Gesetz ausgebremst (14.11.07)

      E.on, RWE, EnBW und Vattenfall treiben die Strompreise hoch
      Kartellamt sitzt auf brisanten Ermittlungsdaten (5.11.07)

      Solarer Wasserstoff
      Seit über 20 Jahren eine praktikable Alternative (3.11.07)

      Bundesregierung predigt Klimaschutz
      und bremst Ökostrom
      Zuwachs bei Blockheizkraftwerken wird weiter blockiert 
(24.10.07)

      Kommt Baden-Württemberg endlich aus dem Windschatten?
      14 neue Windräder bei Calw eingeweiht (7.10.07)

      Kabinettsklausur in Schloß Meseberg
      Ein Gipfel an Klima-Heuchelei (25.08.07)

      Erneuerbare Energien
      mit gebremstem Wachstum (8.07.07)

      Ökosteuer wirkungslos
      Heuchelei beeindruckend (16.04.07)

      Anstieg beim Kohlendioxidausstoß
      Seit Jahren nur leere Versprechen (2.04.07)

      Europa und Euratom (25.03.07)

      EU bremst Klimaschutzt
      Die Ankündigung von Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin
      hat lediglich Propaganda-Charakter (9.03.07)

      Wachstum von Solarstrom auf niedrigem Niveau (13.03.04)

      EEG: Trittin fördert die Atom-Konzerne (22.08.03) 



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