[fessenheim-fr] Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?

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Di Sep 1 22:00:39 CEST 2009


Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?
Areva droht mit Baustop

Bereits im März 2008 mußte Siemens-Areva bestätigen, daß die 
ursprünglich auf 3,2 Milliarden Euro veranschlagten Baukosten für den 
Bau eines neuen Atomkraftwerks vom Typ EPR im finnischen Olkiluoto um 
1,5 Milliarden Euro überschritten wurden. Mittlerweile ist offiziell 
von Mehrkosten von 2,3 Milliarden die Rede. Und diese können dem 
finnischen Auftraggeber TVO nicht in Rechnung gestellt werden, da 
sich Siemens-Areva - ursprünglich aus Prestige-Gründen - vertraglich 
auf ein schlüsselfertiges Projekt zum Fixpreis festgelegt hatte. 
Nachdem im Siemens im Januar wegen immer größeren Schwierigkeiten mit 
Überschreitungen vorgesehener Bauzeiten um insgesamt mehr als drei 
Jahre und explodierenden Kosten aus dem Gemeinschaftsunternehmen 
ausgestiegen ist, drohte Areva gegenüber der finnischen TVO mit 
Milliardenklagen und nun - ultimativ - auch mit einem Baustop.

Ursprünglich sollte das neue Atomkraftwerk an der finnischen 
Westküste mit mit einer Leistung von 1600 Watt schlüsselfertig 3,2 
Milliarden Euro kosten. Und eigentlich sollte es seit Juli 2009 Strom 
in die Netze des finnischen Stom-Konzerns Teollisuuden Voima Oy (TVO) 
einspeisen. Doch inzwischen wagt Areva weder eine neue 
Kostenschätzung zu nennen noch die zwischenzeitlich versprochene 
Fertigstellung bis 2012 zu bestätigen. Sechsmal mußte Siemens-Areva 
in den vergangenen fünf Jahren Geld für Kostenüberschreitungen bereit 
stellen. Der operative Ertrag der Areva SA brach wegen der 
Rückstellungen von 550 Millionen Euro im ersten Halbjahr von 539 
Millionen auf 16 Millionen Euro ein. Der Überschuß sackte von 760 auf 
161 Millionen Euro ab.

Hinzu kommt, daß Areva wegen des Ausstiegs von Siemens 2,05 
Milliarden Euro aufwenden muß. Das trieb die Nettoverschuldung im 
ersten Halbjahr 2009 rechnerisch von 5,5 auf 6,41 Milliarden Euro in 
die Höhe. Das Eigenkapital sank parallel von 7,29 auf 6,69 Milliarden 
Euro. Areva und Siemens wollten sich aber Zeit zur Regelung des 
Ausstiegs lassen, erklärt Areva. Der Konzern benötigt bis 2012 acht 
bis zwölf Milliarden Euro für Investitionen und will nach dem Siemens-
Ausstieg Partner wie Mitsubishi Heavy Industries ins Boot holen. 
Bisher hält der französische Staat 90 Prozent der Anteile.

Nach wie vor will der französische Energie-Konzern EdF ein 
entsprechendes EPR-Atomkraftwerk in Flamanville von Areva 
fertigstellen lassen. Doch auch an diesem Bauplatz werden die 
vorgesehenen Bauzeiten nicht eingehalten und die Kosten laufen aus 
dem Ruder. Noch im Jahr 2005 hieß es, der Neubau in Flamanville werde 
bis 2012 fertiggestellt. Mittlerweile ist vom Jahr 2015 die Rede.

Doch Areva versucht, die Schuld für Verzögerungen und Mehrkosten auf 
der Baustelle Olkiluoto der TVO in die Schuhe zu schieben. Die TVO 
benötige zur Bearbeitung von Dokumenten elf statt zwei Monate und 
geschlossene Vereinbarungen würden nicht eingehalten. Das mache auch 
Kosten und Fristen für die ausstehenden Arbeiten unsicher. Die TVO 
hält dagegen, Areva und Siemens hätten die Verzögerungen zu 
verantworten. Die Finnen verlangen deshalb sogar von den 
Konsortialpartnern 2,4 Milliarden Euro Schadenersatz. Areva und 
Siemens fordern umgekehrt eine Milliarde Euro von der TVO.

Da dies offenbar bislang nicht gefruchtet hat, droht Areva nun 
ultimativ mit einem Baustop. Wenn die TVO nicht neue Regeln für 
Arbeit, Fristen und Kosten akzeptiere, wollen die Franzosen die 
Arbeiten bereits ab kommender Woche auf Eis legen. Vorgesehen war im 
Zeitplan das Gießen der Reaktorkuppel. "Wir wollen das Projekt nicht 
stoppen", versichert Areva-Chefin Anne Lauvergeon. "Wir wollen nur 
erst mit den Schlußphasen der Arbeit beginnen, wenn die TVO den 
Vorschlägen zugestimmt hat."

Das Aus für den AKW-Neubau in Olkiluoto wäre ein schwerer Schlag für 
Areva. Der weltgrößte Atomtechnik-Konzern setzt auf den 
Atomkraftwerks-Typ EPR und Olkiluoto ist das Schaufenster für die 
Kunden weltweit. Lauvergeon hat gerade mit der indischen NPCIL eine 
Vereinbarung über bis zu sechs Reaktoren geschlossen. Verhandlungen 
in den USA und England sind angeblich weit fortgeschritten. Italiens 
Ministerpräsident Berlusconi hat - trotz fehlender Milliarden - 
Interesse bekundet. Und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy preist 
das "Atomkraftwerk der dritten Generation" rund um den Globus als 
Lösung gegen die Klimakatastrophe an.

Doch die Weltwirtschaftskrise erschwert die Finanzierung der Projekte 
und Olkiluoto und Flamanville zeigen die Höhe der Risiken. In China 
wurde der auf acht Milliarden Euro veranschlagte Bau von zwei 
Reaktoren verschoben. Pläne in Südafrika haben sich zerschlagen. Doch 
Siemens-Chef Peter Löscher prophezeite kürzlich in 'Newsweek' einmal 
wieder die "Renaissance der Atomenergie" und verkündete, weltweit 
würden 400 neue Atomkraftwerke gebaut. Und während Löscher sich 
bereits vor Monaten mit Vorverträgen mit dem russischen 
Staatsunternehmen Rosatom zum Einstieg in den gemeinsamen Bau von 
Atomkraftwerken brüstete, hieß es im Juli vom russischen 
Energieminister, ein Vertrag mit Siemens komme frühestens zum 
Jahresende zustande.

Die Börse reagiert auf Löschers Prophezeiungen längst nicht mehr 
euphorisch: Die Areva-Aktie verlor heute (Dienstag) drei Prozent auf 
388,6 Euro. Die Analysten von Natixis Securites nahmen ihr Kursziel 
für die Areva-Aktie von 466 auf 421 Euro zurück. Und die Analysten 
von Sal. Oppenheim und andere Experten senkten die Gewinnerwartung 
für Siemens-Aktien.




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