[fessenheim-fr] Info-Serie Atomenergie - Folge 5
klausjschramm at t-online.de
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Sa Jul 25 17:48:09 CEST 2009
Info-Serie Atomenergie
Folge 5
Umweltverbrechen Uran-Abbau
Zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke wird Uran-235
benötigt. Dieses Uran-Isotop ist im Natur-Uran (einem Gemisch von
verschiedenen Isotopen) jedoch nur zu rund 0,7 Prozent enthalten.
Uran kann als Erz im Tagebau gewonnen werden, sein Anteil in den
Trägerschichten liegt in der Regel jedoch unter 0,5 Prozent, vielfach
sogar unter 0,05 Prozent. Dies bedeutet, daß mehr als 99 Prozent des
Geförderten unbrauchbar sind. Um 33 Tonnen Uran-235, den Jahresbedarf
eines 1300-MW-Reaktors, zu erhalten, fallen 407.000 Tonnen
strahlender Abraum, radioaktive Schlämme und Abfälle an.
Uran ist radioaktiv. Auch die Folgeprodukte, die aus dem Zerfall des
Urans entstehen, strahlen. Radon-222, eines der Zwischenprodukte,
breitet sich beim Uranerz-Abbau und der weiteren Bearbeitung leicht
in der Umwelt aus. Das Risiko, im Laufe des Lebens an Lungenkrebs zu
erkranken, ist darum auch für die in der Umgebung des Abbaugebiets
lebende Bevölkerung deutlich erhöht. Von den gesundheitlichen Folgen
des Uran-Abbaus sind vor allem indigene Völker betroffen, da sich 70
Prozent der weltweiten Uran-Vorräte in von ihnen bewohnten Regionen
befinden.
Die Uran-Lieferanten sind Australien, Kanada, Niger, Namibia,
Südafrika und die USA. Die Folgen des Uranerz-Abbaus sind desaströs
für Umwelt und Menschen. Große Mengen radioaktiv und chemisch
verseuchter Gruben-Abwässer werden in die nächstliegenden Flüsse und
Seen gepumpt. Bei Stilllegung von Uran-Bergwerken werden diese oft
einfach geflutet. Radioaktiv und mit Schwermetallen verseuchte
Grubenabwässer gelangen ins Grundwasser.
Nach Beendigung des Uranerz-Abbaus strahlen die entstandenen riesigen
Abraum-Halden für Jahrhunderte weiter. Die Sanierung dieser Gebiete
ist, wenn überhaupt, nur mit sehr großem Aufwand möglich. Allein die
nur notdürftige Sanierung des Uran-Tagebaugebiets Wismut, einer
Altlast der DDR, kostete 6,6 Milliarden Euro an Steuergeldern. Die
weltweit für die Sanierung von Uran-Abbaugebieten aufzuwendenden
Kosten, in die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Atomenergie
einbezogen, würden diese noch weit über die in Folge 3 genannten 2
Euro pro Kilowattstunde hinaus erhöhen.
Bislang werden die Umwelt- und Gesundheitsfolgen der Uran-Gewinnung
weit überwiegend von den Herkunftsländern getragen. Darunter sind
auch wirtschaftlich schwache wie der nord-westafrikanische Staat
Niger - unter den uranexportierenden Staaten weltweit die Nummer
Sechs. Laut Human Development Index (HDI) des Entwicklungsprogramms
der Vereinten Nationen (UNDP) ist Niger eines der ärmsten Ländern der
Welt. Die Wirtschaftsleistung liegt bei etwa 150 Euro pro Kopf. Das
wichtigste Exportgut ist Uran.
Dem unabhängigen französischen Institut CRIIRAD gelang es - trotz
offensichtlicher Sabotageversuche ihrer Untersuchungen durch die
Beschlagnahmung verschiedenster Meßgeräte auf dem Flughafen -
zwischen 2003 und 2005 eine Untersuchung der Umweltfolgen von Uran-
Abbau im Niger durchzuführen. CRIIRAD stellte dabei fest
* eine überhöhte Strahlenbelastung (nach WHO Standard) von
Trinkwasserproben
* hohe Belastung der Minenarbeiter und Bevölkerung in der Region
durch Radon-Freisetzung aus der Mine sowie aus den Tailings
* unzulängliches Abfallmanagement für Abraum und Tailings:
keinerlei Kennzeichnung der Lagerstätten, kein Zaun um die
Lagerstätten, keinerlei Abschirmung der Lagerstätten gegenüber der
Luft
* unzulängliche Beseitigung der Folgen eines Unfalls (2004) beim
Transport von angereichertem Uran, noch einen Monat später war die
deutlich erhöhte Strahlenbelastung meßbar
* radioaktiv belastetes Altmetall wird nicht angemessen entsorgt.
Es findet sich, wie auch andere Studien bestätigen, regelmäßig auf
den Märkten in der Umgebung zum Verkauf
Im Jahr 2007 eskalierte der Konflikt der vom Uran-Abbau betroffenen
Tuareg mit der Zentralregierung des Niger. Zwölf Jahre nach der
Beilegung der letzten Tuareg-Rebellion nimmt die Zahl der bewaffneten
Auseinandersetzungen zwischen der Armee und einer "Bewegung der
Nigerier für Gerechtigkeit" (MNJ) stetig zu. Am 22. Juni 2007 kamen
bei einem Angriff der MNJ mindestens 15 Soldaten ums Leben und 72
Armeeangehörige gerieten in Gefangenschaft. Zuvor waren drei Tuareg-
Zivilisten verhaftete und getötet worden.
Offenbar wurden auch Zusagen und Vertragsverpflichtungen von Seiten
der Zentralregierung wie schon vor Beginn der Tuareg-Krise in den
Jahren 1991 bis 1995 nicht eingehalten. Im Zentrum des Konflikts
stehen nach wie vor die massiven wirtschaftlichen, ökologischen,
gesundheitlichen und sozialen Folgen des Uran-Abbaus im Norden des
Staates Niger. Im April 2007 hatte die MNJ mit einem Überfall auf das
größte Uran-Bergwerk des Landes, das vom nigerischen Tochter-
Unternehmen des französischen Areva-Konzerns betrieben wird, für
Aufsehen gesorgt. Ein Mensch kam dabei ums Leben.
Umweltschutz-Organisationen werfen den Unternehmen vor, Umwelt-
Standards zu ignorieren und ArbeiterInnen radioaktiver Strahlung
auszusetzen, welche die von der Weltgesundheitsorganisation WHO
festgelegten Werte um das 40-fache überschreite. Zudem ist die lokale
Bevölkerung - weit überwiegend Tuareg - unzureichend über die
medizinischen Risiken informiert.
Die Tuareg fordern nicht nur Aufklärung über die ökologischen und
gesundheitlichen Folgen des Uran-Abbaus, sondern verlangen auch, daß
die lokale Bevölkerung etwas von dem offensichtlich aus dem Abbau
resultierenden Reichtum abbekomme. So müßten mehr Arbeitskräfte aus
der Region eingestellt werden und der Gewinn aus dem Uran-Abbau solle
auch der armen Nord-Region zugute kommen. Seit Jahrzehnten beklagen
die Tuareg die Vernachlässigung des Nordens.
Shinkolobwe ist bekannt als der Herkunftsort des Urans, das von den
USA für die Ende des Zweiten Weltkriegs auf Hiroshima abgeworfenen
Atombombe verwendet wurde. Offiziell ist die Uran-Mine Shinkolobwe im
afrikanischen Staat DR ("Demokratische Republik") Kongo längst
stillgelegt, doch illegal wird dort weiterhin abgebaut. So wurde
Anfang November 2007 bekannt, daß am Mura-Fluß im Süden der DR Kongo
18 Tonnen radioaktives Material abgekippt worden waren, die aus der
Atombomben-Mine Shinkolobwe stammten.
Ein Minister der Kabila-Regierung erklärte allerdings, zur Herkunft
des Materials gebe es bislang nur Spekulationen. Es sei eine
Untersuchung eingeleitet worden. Doch Maßnahmen gegen die Verseuchung
des Flusses sind von der Regierung nicht zu erwarten.
Die Fundstelle liegt in der Nähe der Stadt Likasi, wo sich auch die
ehemalige Uran-Mine Shinkolobwe befindet. In der Region gibt es
weitere Uranfunde und trotz des offiziellen Verbots arbeiten immer
noch Tausende Bergleute dort. Es ist ein offenes Geheimnis, daß eines
der zahlreichen Bergbauunternehmen in der Region in den
Atommüllskandal verwickelt ist. Die Gegend ist zudem reich an Kobalt,
Kupfer und Uran.
Bereits Ende 2007 wurde der mögliche Verlauf des Umwelt-Verbrechens
rekontruiert: Anlaß war vermutlich eine zerstörte Brücke über den
Mura-Fluß. Vier LkWs, die mit Uranerz beladen waren, konnten das
vorgegebene Ziel nicht erreichen und kippten am 26. Oktober die rund
18 Tonnen radioaktiven Materials kurzerhand in den Fluß. Kurze Zeit
zuvor waren die Fahrer vor den Toren Likasis, zehn Kilometer vom
Fundort entfernt, in eine Kontrolle geraten. Sie waren wegen der
gefährlichen Fracht von Beamten angehalten worden. Die Aussagen sind
wenig plausibel. Zumindest wurde festgestellt, daß das Material
falsch deklariert war: als Kupfer- und Kobalterz. Zudem wurde eine
erhöhte Radioaktivität festgestellt: Mitarbeiter des Kongolesischen
Kontrollamtes OCC maßen eine Radioaktivität von bis zu 15
Microsievert pro Stunde. Dies entspricht ungefähr das Ausmaß der
Verstrahlung in der Umgebung des AKW Tschernoby.
Bereits kurze Zeit später war die Abladestelle stark verstrahlt -
doch die AnwohnerInnen wurden nicht informiert. Offenbar gehen die
Behörden davon aus, daß Menschen in der DR Kongo das Thema
Radioaktivität kalt läßt. Viele Menschen in armen Regionen Afrikas
sind tatsächlich durch die Vielfalt der Gefahren relativ fatalistisch
geworden.
Zuweilen stürzt eine der illegalen oder legalen Minen ein und begräbt
die Bergleute unter sich. Die Uran-Mine Shinkolobwe ähnelt vielen
Bergwerken in der DR Kongo. Die zerstörte Ökonomie des Landes erlaubt
vielerlei, was sonst weltweit längst verboten ist.
Allein im südkongolesischen Bergbaurevier von Katanga wird die Zahl
der Schürfer in verlassenen industriellen Bergwerken auf rund 600.000
geschätzt. Die Bergleute sind häufig gegen die Gefahren abgestumpft:
"Wir sind doch schon Leichen, und eine Leiche muß keine Angst vor
Radioaktivität haben", zitiert ein kongolesischer Zeitungsbericht
einen Bergmann. Ein anderer sagt: "Jeder sucht sich aus, woran er
stirbt. Der eine stirbt an Malaria, der andere an den Kugeln von
Rebellen. Ich entscheide mich für die radioaktive Verseuchung."
Das Uran von Shinkolobwe ist ein Mythos. Die Tagebauminen befinden
sich auf Abbauhalden alter belgischer Kolonialminen. Denn früher
wurden im Kupferbergbau andere Erze achtlos weggeworfen, die heute
wertvoll sind - zum Beispiel Uranerze. Die reichhaltigeren Uran-
Vorkommen liegen viel tiefer unter der Erde, und da kommt kein
Schürfer heran. Dennoch meinten im November 2007 UN-Experten: Das
Risiko erzwinge eine endgültige Schließung der Mine, da die Menschen
"möglicherweise chronisch der Radioaktivität ausgesetzt" seien.
Auch die Weiterverarbeitung des Uran-Erzes ist eine Quelle
gigantischer Umweltzerstörung. Beim sogenannten Miling wird das Uran-
Erz zu einem gelben Pulver, dem "yellow cake" zermahlen. Während die
Hälfte des im Gestein eingeschlossenen gesundheitsgefährdenden
Radongases schon beim Abbau freigesetzt wird, löst sich der Rest beim
Mahlprozess. Das Edelgas Radon ist ein Produkt der natürlichen Uran-
und Thorium-Zerfallsreihen. Für Radon-Belastungen ist in erster Linie
Radon-222 verantwortlich. Die Radon-Konzentrationen in Deutschland
liegen im Mittel bei 50 Becquerel pro Kubikmeter in Wohnräumen.
An Orten mit Uranerzabbau treten allerdings Spitzenwerte von 2.000
bis 3.000 Becquerel pro Kubikmeter, vereinzelt alarmierende Werte von
100.000 Becquerel pro Kubikmeter auf. Deutlich erhöhte
Lungenkrebsraten sind die Folge. Zwischen 1946 und 1990 starben in
der damaligen DDR 7.163 Bergleute an Lungenkrebs hervorgerufen durch
entwichenes Radongas. Sie arbeiteten in den Uranminen der Wismut AG.
Bereits seit über einem Vieteljahrhundert ist bekannt, daß bei 16
Prozent der US-amerikanischen Bergarbeiter, die zwischen 1946 und
1968 in Uran-Minen arbeiteten, Krebs festgestellt wurde.
Die Wismut AG war ein bedeutender Uranproduzent. Die Minen sind aber
aus wirtschaftlichen wie aus ökologischen Gründen nach der
Wiedervereinigung geschlossen worden. In 5.237 der Lungenkrebs-Fälle
wurde wurde Radioaktivität als Ursache offiziell anerkannt. Für die
Produktion von 220.000 Tonnen Uran wurden von 1945 bis 1990 ganze 500
Millionen Tonnen radioaktiver Müll mitproduziert, gelagert auf
Abraumhalden, die eine Fläche von 32 Quadratkilometer bedecken.
Insgesamt gelten 168 Quadratkilometer als verseucht, weitere 1000
Quadratkilometer sollen erst genauer untersucht werden.
Das Gesteinsmehl wird danach chemisch aufbereitet, wobei als Abfall
feiner Schlamm zurückbleibt, der in Absetzbecken geleitet wird. Diese
sogenannten Tailings enthalten bis zu 85 Prozent Radioaktivität,
bestehen aus langlebigen Isotopen und stellen eine langjährige Gefahr
dar. Oft wurden und werden ganze Täler damit aufgefüllt. Weltweit
lagern bereits über 1 Milliarde Tonnen Tailings, jährlich kommen
weitere 20 Millionen Tonnen hinzu. Neben dem Entweichen von Radongas
sind Tailings anfällig für Winderosion, so daß der gefährliche Staub
auch über größere Strecken verblasen werden kann. Teilweise ist das
Wissensmanagment der Tailings äußerst bedenklich. So wurden in den
USA immer wieder die Sande von trockenen Tailings zum Hausbau
verwendet. Immer wieder brechen Dämme von Tailings, so daß
radioaktives Material ausläuft. Darüber hinaus enthalten Tailings
nicht nur radioaktive Stoffe, sondern auch Schwermetalle wie Arsen.
Im nächsten Verarbeitungsschritt wird der yellow cake in
Uranhexafluorid (UF6) umgewandelt - eine sehr giftige, chemisch
aggressive Substanz. Da es nur wenige Konversionseinrichtungen gibt,
wird UF6 über weite Distanzen transportiert. Auch während der
Konversion fällt ungefähr so viel Atommüll wie Uranhexafluorid an.
Natürlich vorkommendes Uran enthält nur rund 0,7 Prozent des
spaltbaren Isotops Uran-235 (U-235). Die meisten Reaktortypen
benötigen aber Brennstoff mit einem Anteil an U-235 von 3 bis 3,5
Prozent. Daher ist als weiterer Verarbeitungsschritt die sogenannte
Anreicherung nötig. Bei diesem Prozeß fällt viel "abgereichertes"
Uran an. Uran hat ein höheres spezifisches Gewicht als Blei. Daher
wird dieser Atommüll zur Panzerung und als panzerbrechende Munition
verwendet, die beispielsweise im Golf- und Kosovokrieg verschossen
wurde.
Uranhexafluorid wird weiter in Urandioxid umgewandelt, in
Tablettenform gepreßt ("pellets") und schließlich zu Brennstäben
verarbeitet. Die in der Regel röhrenförmigen Brennstäbe enthalten
diese Tabletten und bestehen aus dem Material Zirkaloy, einer
Zirkonium-Legierung. Brennstäbe werden wiederum zu Brennelementen
gebündelt.
Je nach Reaktortyp werden für die Stromproduktion 30 bis 100 Tonnen
angereichertes Uran als Brennstoff benötigt. Meist wird pro Jahr ein
Drittel der Brennstoffladung ausgetauscht. Das ergibt bei weltweit
rund 440 Reaktoren in Atomkraftwerken jährlich rund 10.000 Tonnen
abgebrannter Brennelemente, in denen auch Plutonium enthalten ist.
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Die übrigen Folgen der Info-Serie:
1 Grundlagenwissen
2 Der deutsche "Atom-Ausstieg"
3 Die Subventionierung der Atomenergie
4 Der siamesische Zwilling: Atombombe
6 Uran-Ressourcen und die Zukunft der Atomenergie
7 Die Geschichte der Atom-Unfälle
8 Die stille Katastrophe
9 Der italienische Atom-Ausstieg
10 Schwedens "Atom-Ausstieg"
11 Atomenergie in Frankreich
12 Das ungelöste Problem der Endlagerung
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