[fessenheim-fr] Info-Serie Atomenergie - Folge 2
Burning Beds
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Do Jul 9 12:33:51 CEST 2009
Info-Serie Atomenergie
Folge 2
Der deutsche
"Atom-Ausstieg"
Etwas stimmt nicht mit der Demokratie, wenn eine
Industrie Leben und Gesundheit von Millionen bedroht - gegen deren
mehrheitlich bekundeten Willen zu einem Atom-Ausstieg.
In anderen europäischen Ländern sind die Regierungen von der
Bevölkerung gezwungen worden, sich - wie es in einer Demokratie zu
erwarten wäre - nach dem Willen der Mehrheit zu richten: Norwegen,
Dänemark und Portugal stiegen nicht in die kommerzielle Nutzung der
Atomenergie ein. In Dänemark gab es in den 70er Jahren eine der stärksten
europäischen Anti-Atom-Bewegungen. 1978 konnte die österreichische
Bevölkerung noch während des Baus des ersten österreichischen
Atomkraftwerks in Zwentendorf mit einer Volksabstimmung den Atom-Ausstieg
gegen den Willen des damaligen SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky erzwingen. In
Italien sprachen sich bei einer Volksabstimmung 1987 72 Prozent der
ItalienerInnen für den Atom-Ausstieg aus. Drei Atomkraftwerke wurden noch
1987 stillgelegt und ein nahezu fertiggestelltes Atomkraftwerk wurde auf
Gas-Öl-Betrieb umgerüstet.
Anders hingegen in Schweden: Dort wurde zwar bereits 1980 bei
einer Volksabstimmung der Atom-Ausstieg beschlossen. Der schwedische
Reichstag weichte diesen Beschluß alsbald jedoch wieder auf. Als bis 1997
immer noch keine Konsequenzen gezogen wurden, beschloß der schwedische
Reichstag, einen der beiden Reaktoren des Atomkraftwerks Barsebäck bis zum
1. Juli 1998, den zweiten bis zum 1. Juli 2001 stillzulegen, hielt sich
dabei jedoch ein Hintertürchen offen. Von 12 Reaktoren an 4 Standorten
wurden bisher lediglich Basebäck 1 am 29.11.99 und Barsebäck 2 im Jahr
2005 abgeschaltet. Auch ein früherer Beschluß über die Stillegung aller
schwedischen Atomkraftwerke bis spätestens zum Jahr 2010 wurde aufgehoben.
Hat die deutsche Bundesregierung im Jahr 2000 den
Atom-Ausstieg beschlossen?
Mit der als Atom-Ausstieg bezeichneten Vereinbarung zwischen
"Rot-Grün" und den Energie-Konzernen wurden für jedes der 19 in Betrieb
befindlichen deutschen Atomkraftwerke und für das wegen nachgewiesen
unzureichendem Erdbebenschutz per Gerichtsentscheid stillgelegten AKW
Mülheim-Kärlich - nicht etwa Restlaufzeiten, sondern - Reststrommengen
festgelegt. Der zentrale Satz der Vereinbarung lautet: "Die Bundesregierung
gewährleistet den ungestörten Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren
Entsorgung." Die Betreiber von Atomkraftwerken dürfen vereinbarungsgemäß
noch 2.623.300 Gigawattstunden Strom erzeugen. Dies ist ungefähr die
Strommenge, die seit Inbetriebnahme des ersten Reaktors 1968 bis 2000 in
deutschen Atomkraftwerken erzeugt wurde. Die politischen Diskussionen
orientierten sich während der Verhandlungen an den Restlaufzeiten. Im
Vertrag selbst wurde jedoch kein Termin für die Abschaltung des letzten
Atomkraftwerks festgeschrieben.
Atom-Konsens:
Die Reststrommengen der Atomkraftwerke in Deutschland
Legende:
(1) bisherige Laufzeit in Jahren (gerundet)
(2) produzierte Strommenge in Terawattstunden* seit Betriebsbeginn bis
31.12.1999
(3) Reststrommenge (gezählt ab 1.1.2000). Jeweils auf andere
Kraftwerke übertragbar
* 1 Terawattstunde (TWh) = 1 Milliarde Kilowattstunden (KWh)
Inbetriebnahme
Name
(1)
(2)
(3)
10/1968
Obrigheim
32
76,0
8,70
1/1972
Stade 29
134,0
23,18
8/1974
Biblis A
26 179,5
62,00
4/1976
Biblis B
24 177,5
81,46
6/1976
Neckar-1
24 137,5
57,35
6/1976
Brunsbüttel
24 87,6
47,67
12/1977
Isar-1 23
127,2
78,35
10/1978
Unterweser-1
22 193,3
117,98
5/1979
Philippsburg-1
21 119,3
87,14
12/1981
Grafenrheinfeld
18
174,4 150,03
9/1983
Krümmel
17 137,8
158,22
3/1984
Gundremmingen B
16
142,9 160,92
11/1984
Gundremmingen C
16
134,1 168,35
9/1984
Grohnde 16
169,4
200,90
12/1984
Philippsburg-2
16
159,7 198,61
10/1986
Brokdorf
14 137,3
217,88
1/1988
Isar-2 13
125,7
231,21
4/1988
Emsland 12
128,3
230,07
1/1989
Neckar-2
12 118,5
236,04
3/1986
Mülheim-Kärlich
2*
11,3 107,25
* davon 13 Monate Stromlieferung;
seit 1988 aus juristischen Gründen außer Betrieb
2670,3
bisher insgesamt produziert
2623,30
vereinbarte Reststrom-
menge
Tabellen-Daten gemäß dpa-Grafik 3329
Unter der hypothetischen Voraussetzung, daß die
Atomkraftwerke ohne Unterbrechung in Betrieb wären, ergäbe sich eine
Gesamtlaufzeit von über 32 Jahren. Die wirkliche Verfügbarkeit beträgt
jedoch im Durchschnitt nur 78 Prozent, womit sich die Betriebsdauer auf
mindestens 35 Jahre erhöht. Konzipiert sind die deutschen Atomkraftwerke
jedoch nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren.
Diese Berechnungen lassen die Alterung der Reaktoren und damit
deren sinkende Verfügbarkeit außer acht. Infolge immer häufigerer
Abschaltungen streckt sich die "Rest"-Laufzeit in unbekannte Länge. Dieser
Irrsinn bedeutet faktisch, daß die Reaktoren um so länger betrieben
werden dürfen, je maroder sie werden, da die Stillstandszeiten den
Zeitpunkt des Abschaltens entsprechend hinauszögern. Den Betreiberfirmen
bleibt es zudem freigestellt, die Strommengen von alten auf neue Meiler zu
übertragen. Im Falle des AKW Obrigheim (Baujahr 1968), das entsprechend
der veröffentlichten Vereinbarung im Oktober 2002 stillgelegt hätte
werden sollen, kam es unter Berufung auf angebliche Geheimabsprachen zu
einer Übertragung von neu auf alt und damit zu einer Laufzeitverlängerung
bis 2005. Es wurde am 11. Mai 2005 nach knapp 37 Jahren Betriebszeit
stillgelegt.
Die wirtschaftliche Lebensdauer von Atomkraftwerken war bisher
wesentlich geringer als im Konsens vereinbart. So wurde das AKW Würgassen
1995 nach 20 Jahren Laufzeit abgeschaltet, weil sich der Weiterbetrieb
nicht mehr rechnete. Auch der neu vereinbarte "Verzicht" auf den Neubau von
Atomkraftwerken ist kein Erfolg der im Jahr 2000 geschlossenen
Vereinbarung. Seit der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl 1986 sind keine
neuen Atomkraftwerke in Deutschland beantragt worden. (Und 1989 ging mit
Block 2 des AKW Neckarwestheim der letzte vor 1986 beantragte Reaktor ans
Netz.)
Im November 2003 feierte Atom-Minister Trittin mit viel
Medien-Getöse und Sekt-Empfang die Stilllegung der AKW Stade als
Realisierung des Atom-Ausstiegs. Tatsächlich hatte die Betreiber-Firma HEW
- inzwischen im Energie-Konzern Vattenfall aufgegangen - bereits vor der
Regierungsübernahme von "Rot-Grün" 1998 das AKW Stade in internen
Beurteilungen als unwirtschaftlich bezeichnet. Eine Stilllegung und der
Ersatz durch ein modernes Gaskraftwerk hätte HEW einen Kostenvorteil
eingebracht. Daß diese Stilllegung dennoch nicht erfolgte, hatte allein
den Grund, daß die Energie-Konzerne damit eine defensive Position
vermieden.
Suggestiv wurde die Stilllegung des AKW Stade mit Hinweis auf
das AKW Mülheim-Kärlich gar als "zweiter Schritt" des phänomenalen
Atom-Ausstiegs dargestellt. Doch auch die Stilllegung des 13 Monate Strom
liefernden und per Gerichtsbeschluß 1988 - zehn Jahre vor dem Start der
"rot-grünen" Bundesregierung - gestoppten AKW Mülheim-Kärlich kann nicht
ernstlich als Erfolg des "rot-grünen" Atomkonsenses bezeichnet werden.
Betrachten wir beispielsweise die "Pannen"-Serie des AKW
Gundremmigen im Jahr 2004. So war etwa am 13. August, erst acht Tage
verspätet, von der offiziellen Homepage des AKW Gundremmingen zu erfahren,
daß Block C des AKWs bereits am 5. August abgeschaltet worden war -
nachdem er bereits mehrmals in den Monaten zuvor hatte abgeschaltet werden
müssen. Allein in den Monaten Juli und August waren sechs meldepflichtige
"Pannen" zu verzeichnen. Die beiden seit 1984 im Betrieb befindlichen
Reaktorblöcke B und C, beides Siedewasser-Reaktoren mit einer Leistung von
1.244 MW, zeigen in ihrem zwanzigsten Betriebsjahr deutliche
Alterungserscheinungen.
Um die "Rest"-Laufzeiten für beiden Blöcke B und C der AKW
Gundremmingen abzuschätzen, müssen wir die bisherige jährliche
Stromproduktion in die Zukunft fortrechnen. Block B hatte bis zum Stichtag
31.12.1999 in 16 Betriebsjahren insgesamt 142,9 TWh (Terawattstunden) Strom
produziert. Als "Atom-Ausstieg" wurde eine "Rest"-Strommenge von 160,92 TWh
für den Zeitraum ab 1.01.2000 vereinbart. Bei GLEICHBLEIBENDER
Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein rechnerisch eine
"Rest"-Laufzeit von 18 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit von 34 Jahren,
die bis 2019 reichen würde.
Block C hatte bis zum Stichtag 31.12..1999 in 16
Betriebsjahren insgesamt 134,1 TWh Strom produziert. Als "Atom-Ausstieg"
wurde eine "Rest"-Strommenge von 168,35 TWh ab 1.01.2000 definiert. Bei
gleichbleibender Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein
rechnerisch eine "Rest"-Laufzeit von 20 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit
von 36 Jahren, die bis 2021 reichen würde.
Diese Vertrags-Vereinbarungen werden uns nun mit nahezu
uneingeschränkter medialer Unterstützung als "Atom-Ausstieg"
präsentiert.
Der Atom-Kritiker und Besteller-Autor Holger Strohm
kommentiert dies so: "(...) Dabei waren Atomkraftwerke anfangs nur für 25
Jahre Betrieb ausgelegt. Seit über einem Jahrzehnt ist kein neues
Atomkraftwerk mehr ans Netz gegangen. Das heißt, die Atomkraftwerke laufen
länger als ursprünglich geplant, und das wird uns als Ausstieg verkauft.
Wir werden arglistig getäuscht!"1
Und der VIAG-Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Simson, der an den
Konsens-Gesprächen mit der Bundesregierung beteiligt war, sagte bereits im
Jahr 2000 ganz offen, mit der Vereinbarung von Regierung und Atom-Industrie
sei das "Ende der Kernkraft keineswegs besiegelt". Nicht der Atom-Ausstieg
sei beschlossen worden, sondern "nur eine Laufzeitbegrenzung der
existierenden Kraftwerke".
Und als bemerkenswerte Ausnahme im Einheits-Konzert der
deutschen Medien, die den "Atom-Ausstieg" als Erfolg der Regierung
feierten, schrieb W. Mauersberg, "Kernenergie-Befürworter" und
Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, (HAZ) in einem
Kommentar am 16.06.2000:
Falsches Etikett
In der Politik gibt es manchmal merkwürdige Signale. Sie
zeigen das Gegenteil von dem an, was wirklich passiert. So verhält es sich
auch mit dem so genannten Atomkonsens. Von freiwilliger Übereinkunft kann
keine Rede sein. Die beiden Vertragspartner hatten einander erpreßt: Die
Koalition von SPD und Grünen drohte mit einem Gesetz gegen Atomkraftwerke,
und die Stromkonzerne drohten mit Klagen auf Entschädigung. Am Ende haben
sich die Konzerne auf ganzer Linie gegen die rot-grüne Bundesregierung
durchgesetzt.
Wenn die grüne nordrhein-westfälische Umweltministerin
Bärbel Höhn sich für zufrieden erklärt, weil der Ausstieg nun wirklich
in die Tat umgesetzt werde, dann ist das lediglich die Schutzbehauptung
eines Verlierers. Es gibt keinen Ausstieg aus der Kernenergie. Die Nutzung
der umstrittenen Energiequelle ist vielmehr auf Jahrzehnte festgeschrieben.
Längere Laufzeiten als die jetzt vereinbarten hätte die Energiewirtschaft
auch ohne "Konsens" nicht einkalkuliert, und seit Jahren ist kein neuer
Atommeiler geplant und beantragt worden.
Regierung beurkundet Sicherheit
Mit den Stimmen der grünen Minister hat die Regierung
zugesichert, daß sie alles in ihren Kräften Stehende tun werde, um den
ungestörten Betrieb der Kraftwerke zu gewährleisten. Weil der Bund in der
Atompolitik das letzte, entscheidende Wort hat, kann er die Bundesländer
anweisen, entsprechend zu verfahren. Dazu ist er jetzt nach dem Vertrag
sogar verpflichtet.
Nebenbei hat die rot-grüne Bundesregierung beurkundet, daß
sie den Betrieb der Kraftwerke für verantwortbar und sicher hält, so daß
keine wesentlichen neuen Sicherheitsvorkehrungen benötigt werden. Wenn die
deutschen Kernkraftwerke so sicher sind, daß sie ohne Probleme noch
Jahrzehnte betrieben werden können, leuchtet jedoch nicht ein, weshalb
Deutschland in Zukunft überhaupt auf Kernenergie verzichten soll. Die
Antwort auf diese Frage ist wohl nur noch mit Rechthaberei und Ideologie zu
erklären.
Aus Sicht der Konzerne stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Außer verbalen Zugeständnissen, die sie außerdem noch mit einem
Vorbehalt versehen haben, mußten sie auf so gut wie gar nichts verzichten,
dürfen sogar ihre immensen Geldrücklagen behalten. Dafür, daß sie ihre
Unterschrift unter ein Papier mit der Überschrift "Ausstieg" gesetzt
haben, bekommen sie von der Regierung ein umfassendes Leistungspaket, das
Roten und Grünen noch viel Ärger mit ihren eigenen Anhängern einbringen
wird. Denn die werden sich von dem merkwürdigen Produkt nicht täuschen
lassen, bei dem außen auf der Packung "Ausstieg" steht und innen ein
ungestörter Weiterbetrieb der Atomenergie enthalten ist. (...)
Bilanz des Konsens-Vertrages:
1. Er erlaubt eine Verdoppelung des Atommüllberges, ohne daß
bisher eine sichere Lagerung der radioaktiven abgebrannten Brennelemente
und der stahlenverseuchten Reaktorteile und Baumaterialien auch nur in
Sicht wäre.
2. Mit den zugeteilten "Reststrommengen" wird die
durchschnittliche Laufzeit der AKWs um mindestens zehn Jahre über die
anlagenbedingte Betriebsdauer von 25 Jahren verlängert.
3. Es soll ein von Einsprüchen und Protesten ungestörter
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gewährleistet werden.
4. Die Haftungssumme wurde zwar pro Reaktor auf 2,5 Mrd. Euro
erhöht. Dies ist jedoch nach wie vor völlig unzureichend. Laut Auskunft
von Michail Gorbatschow belief sich allein der volkswirtschaftliche Schaden
der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl auf rund 250 Mrd. Euro. ExpertInnen
schätzen des Gesamtschaden auf rund 5.000 Mrd. Euro.
Ein Blick auf Litauen
Symptomatisch für den Stand des Atom-Ausstiegs in Europa ist
die aktuelle Situation in Litauen. Entsprechend einer Vereinbarung mit der
EU wurde am Freitag, 31.12.2004, mit dem Herunterfahren eines der beiden
Reaktoren im einzigen litauischen AKW begonnen. Der Reaktor vom Bau-Typ des
Tschernobyl-Reaktors hatte damit 18 Jahre lang seit der Katastrophe von
1986 die Bevölkerung Europas dem Risiko einer nochmaligen radioaktiven
Verseuchung ausgesetzt.
Wie der Leiter des AKW Ignalia, Viktoras Sevaldinas,
mitteilte, wurde der Reaktor langsam heruntergefahren und am 3. Januar 2005
gegen 19 Uhr komplett stillgelegt. Die beiden Blöcke des AKW Ignalia
lieferten bis dato - nach offiziellen Angaben - rund 70 Prozent des
Strombedarfs aller drei baltischen Staaten. Laut ExpertInnen verfügt
Litauen jedoch nach wie vor über starke Überkapazitäten an elektrischer
Energie, so die österreichische Tageszeitung 'Der Standard' in der Ausgabe
vom 4. Januar. Beachtenswert ist darüber hinaus, daß die Stillegung von
Ignalia I in den deutschen Massenmedien unterschlagen, jedoch in
österreichischen Medien wie dem 'Standard' Beachtung fand.
Bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt hatte sich Litauen
verpflichtet, einen der beiden Reaktoren des AKW Ignalia bis Ende 2004, den
anderen bis 2009 abzuschalten. Erkauft wurde diese Zusage von der
europäische Atom-Industrie gegen eine "finanzielle Unterstützung" aus
EU-Mitteln in unbekannter Höhe, von der nach offiziellen Angaben bereits
200 Millionen Euro geflossen sind. Zudem ist durch den Vertrag nicht
ausgeschlossen, daß auf dem Gelände des AKW Ignalia ein neuer Reaktor
errichtet wird. Im Gespräch ist dabei der unter anderem vom Atom-Konzern
Siemens entwickelte "Euro-Reaktor" EPR (european pressurized water
reactor). Konkrete Pläne zum Bau solcher Reaktoren bestehen bereits an den
AKW Standorten Flamanville an der französischen Kanalküste und im
finnischen Olkiluoto.
In den österreichischen Medien wurde auch mit Interesse
vermerkt, daß derzeit noch nicht feststehe, ob in Litauen ein
Atom-Ausstieg vollzogen, oder ob "ein modernes Atomkraftwerk in Ignalia
errichtet" ('Der Standard') werde. So hängt Litauen in einem
Schwebezustand zwischen einem versprochenen Atom-Ausstieg und einem von der
Atom-Industrie erhofften Wiedereinstieg.
Ist ein sofortiger Atom-Ausstieg möglich?
Nach wie vor sind die Stromerzeugungs-Kapazitäten in
Deutschland weit höher als der tatsächliche Verbrauch. Insgesamt stehen
rund 110 Gigawatt an Kraftwerksleistung zur Verfügung. Selbst bei
Spitzenlast wurden kaum je mehr als 75 Gigawatt in Anspruch genommen. Diese
nur im Winter erreichte Spitzenlast könnte durch ein Verbot der
energetisch völlig unsinnigen Stromheizungen zudem drastisch reduziert
werden. Die Gesamtleistung aller deutschen Atomkraftwerke betrug
rechnerisch maximal 23 Gigawatt. Selbst wenn also eine gewisse
Sicherheits-Reserve von 10 Gigawatt als nötig erachtet würde, könnten
sämtliche deutschen Atomkraftwerke ohne Verlust an Versorgungs- sicherheit
abgeschaltet werden. Daß die Energie-Konzerne dennoch mit Zähnen und
Klauen an einem Weiterbetrieb festhalten, liegt einzig darin begründet,
daß nahezu alle Atomkraftwerke bereits vollständig abgeschrieben sind und
daß Dank reichlich auch unter "Rot-Grün" fließender Subventionen2 die
Produktionskosten von Atom-Strom erheblich unter denen von Strom aus
anderen Energieträgern liegen. Kurz: Die Profite sind höher.
NETZWERK REGENBOGEN
Anmerkungen
1 Holger Strohm, 'Die stille Katastrophe', Seite 2,
Verlag: zweitausendeins. 9,90 Euro. Bestell-Nr. 18411
2 Siehe Folge 3
Die Subventionierung der Atomenergie
Die übrigen Folgen der Info-Serie:
1 Grundlagenwissen
3 Die Subventionierung der Atomenergie
4 Der siamesische Zwilling: Atombombe
5 Umweltverbrechen Uran-Abbau
6 Uran-Ressourcen und die Zukunft der Atomenergie
7 Die Geschichte der Atom-Unfälle
8 Die stille Katastrophe
9 Der italienische Atom-Ausstieg
10 Schwedens "Atom-Ausstieg"
11 Atomenergie in Frankreich
12 Das ungelöste Problem der Endlagerung
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