[fessenheim-fr] Info-Serie Atomenergie - Folge 2

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Do Jul 9 12:33:51 CEST 2009


Info-Serie Atomenergie       
                                                            
 Folge 2                                                                   

       Der deutsche       
 "Atom-Ausstieg"                                                            
              

                                                                            
                                                                            
                                                                            
                          Etwas stimmt nicht mit der Demokratie, wenn eine 
Industrie Leben und Gesundheit von Millionen bedroht - gegen deren 
mehrheitlich bekundeten Willen zu einem Atom-Ausstieg.                      
           

             In anderen europäischen Ländern sind die Regierungen von der 
Bevölkerung gezwungen worden, sich - wie es in einer Demokratie zu 
erwarten wäre - nach dem Willen der Mehrheit zu richten: Norwegen, 
Dänemark und Portugal stiegen nicht in die kommerzielle Nutzung der 
Atomenergie ein. In Dänemark gab es in den 70er Jahren eine der stärksten 
europäischen Anti-Atom-Bewegungen. 1978 konnte die österreichische 
Bevölkerung noch während des Baus des ersten österreichischen 
Atomkraftwerks in Zwentendorf mit einer Volksabstimmung den Atom-Ausstieg 
gegen den Willen des damaligen SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky erzwingen. In 
Italien sprachen sich bei einer Volksabstimmung 1987 72 Prozent der 
ItalienerInnen für den Atom-Ausstieg aus. Drei Atomkraftwerke wurden noch 
1987 stillgelegt und ein nahezu fertiggestelltes Atomkraftwerk wurde auf 
Gas-Öl-Betrieb umgerüstet.                                             

             Anders hingegen in Schweden: Dort wurde zwar bereits 1980 bei 
einer Volksabstimmung der Atom-Ausstieg beschlossen. Der schwedische 
Reichstag weichte diesen Beschluß alsbald jedoch wieder auf. Als bis 1997 
immer noch keine Konsequenzen gezogen wurden, beschloß der schwedische 
Reichstag, einen der beiden Reaktoren des Atomkraftwerks Barsebäck bis zum 
1. Juli 1998, den zweiten bis zum 1. Juli 2001 stillzulegen, hielt sich 
dabei jedoch ein Hintertürchen offen. Von 12 Reaktoren an 4 Standorten 
wurden bisher lediglich Basebäck 1 am 29.11.99 und Barsebäck 2 im Jahr 
2005 abgeschaltet. Auch ein früherer Beschluß über die Stillegung aller 
schwedischen Atomkraftwerke bis spätestens zum Jahr 2010 wurde aufgehoben. 
                                            

             Hat die deutsche Bundesregierung im Jahr 2000 den 
Atom-Ausstieg beschlossen?                                             

             Mit der als Atom-Ausstieg bezeichneten Vereinbarung zwischen 
"Rot-Grün" und den Energie-Konzernen wurden für jedes der 19 in Betrieb 
befindlichen deutschen Atomkraftwerke und für das wegen nachgewiesen 
unzureichendem Erdbebenschutz per Gerichtsentscheid stillgelegten AKW 
Mülheim-Kärlich - nicht etwa Restlaufzeiten, sondern - Reststrommengen 
festgelegt. Der zentrale Satz der Vereinbarung lautet: "Die Bundesregierung 
gewährleistet den ungestörten Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren 
Entsorgung." Die Betreiber von Atomkraftwerken dürfen vereinbarungsgemäß 
noch 2.623.300 Gigawattstunden Strom erzeugen. Dies ist ungefähr die 
Strommenge, die seit Inbetriebnahme des ersten Reaktors 1968 bis 2000 in 
deutschen Atomkraftwerken erzeugt wurde. Die politischen Diskussionen 
orientierten sich während der Verhandlungen an den Restlaufzeiten. Im 
Vertrag selbst wurde jedoch kein Termin für die Abschaltung des letzten 
Atomkraftwerks festgeschrieben.                                             

Atom-Konsens:
 Die Reststrommengen der Atomkraftwerke in Deutschland
                                                 
                                                                            
                                                                            
                                                          Legende:         
           
(1) bisherige Laufzeit in Jahren (gerundet)                   
 (2) produzierte Strommenge in Terawattstunden* seit Betriebsbeginn bis 
 31.12.1999                   
 (3) Reststrommenge (gezählt ab 1.1.2000). Jeweils auf andere 
Kraftwerke übertragbar                   
* 1 Terawattstunde (TWh) = 1 Milliarde Kilowattstunden (KWh)                
   
                                                                           
                               
                                                                            
                                                    
 Inbetriebnahme                                                             
                                                                            
               

 Name                                                                       
                                                                            
     

 (1)                                                                        
                                                                            
    

 (2)                                                                       
                                                                            
      

 (3)                                                                        
             
                                                                            
        10/1968                                                             
   Obrigheim                                                                
32                                                                         
                                    

 76,0                                                                       
                                                                            
     

 8,70                                                                       
                                 
                                                                            
        1/1972                                                              
  Stade                                                                29   
                                                             134,0          
                                                      23,18                 
                                           
                                                                            
        8/1974                                                              
  Biblis A                                                                
26                                                                179,5     
                                                           62,00            
                                                
                                                                            
        4/1976                                                              
  Biblis B                                                                
24                                                                177,5     
                                                           81,46            
                                                
                                                                            
        6/1976                                                              
  Neckar-1                                                                
24                                                                137,5     
                                                           57,35            
                                                
                                                                            
        6/1976                                                              
  Brunsbüttel                                                              
  24                                                                87,6    
                                                            47,67           
                                                 
                                                                            
        12/1977                                                             
   Isar-1                                                                23 
                                                               127,2        
                                                        78,35               
                                             
                                                                            
        10/1978                                                             
   Unterweser-1                                                             
   22                                                                193,3  
                                                              117,98        
                                                    
                                                                            
        5/1979                                                              
  Philippsburg-1                                                            
    21                                                                119,3 
                                                               87,14        
                                                    
                                                                            
        12/1981                                                             
   Grafenrheinfeld                                                          
      18                                                                
174,4                                                                150,03 
                                                           
                                                                            
        9/1983                                                              
  Krümmel                                                                
17                                                                137,8     
                                                           158,22           
                                                 
                                                                            
        3/1984                                                              
  Gundremmingen B                                                           
     16                                                                
142,9                                                                160,92 
                                                           
                                                                            
        11/1984                                                             
   Gundremmingen C                                                          
      16                                                                
134,1                                                                168,35 
                                                           
                                                                            
        9/1984                                                              
  Grohnde                                                                16 
                                                               169,4        
                                                        200,90              
                                              
                                                                            
        12/1984                                                             
   Philippsburg-2                                                           
     16                                                                
159,7                                                                198,61 
                                                           
                                                                            
        10/1986                                                             
   Brokdorf                                                                
14                                                                137,3     
                                                           217,88           
                                                 
                                                                            
        1/1988                                                              
  Isar-2                                                                13  
                                                              125,7         
                                                       231,21               
                                             
                                                                            
        4/1988                                                              
  Emsland                                                                12 
                                                               128,3        
                                                        230,07              
                                              
                                                                            
        1/1989                                                              
  Neckar-2                                                                
12                                                                118,5     
                                                           236,04           
                                                 
                                                                            
        3/1986                                                              
  Mülheim-Kärlich                                                         
       2*                                                                
11,3                                                                107,25  
                                                          
                                                                            
         * davon 13 Monate Stromlieferung;                   
     seit 1988 aus juristischen Gründen außer Betrieb                  
                                                                            
              

 2670,3                   
bisher insgesamt produziert                                                 
                                                                            
                           

 2623,30                   
vereinbarte Reststrom-
 menge                                                                      
                                  
                                                                            
                        
             Tabellen-Daten gemäß dpa-Grafik 3329                         
                    

             
                                
             Unter der hypothetischen Voraussetzung, daß die 
Atomkraftwerke ohne Unterbrechung in Betrieb wären, ergäbe sich eine 
Gesamtlaufzeit von über 32 Jahren. Die wirkliche Verfügbarkeit beträgt 
jedoch im Durchschnitt nur 78 Prozent, womit sich die Betriebsdauer auf 
mindestens 35 Jahre erhöht. Konzipiert sind die deutschen Atomkraftwerke 
jedoch nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren.                           
                  

             Diese Berechnungen lassen die Alterung der Reaktoren und damit 
deren sinkende Verfügbarkeit außer acht. Infolge immer häufigerer 
Abschaltungen streckt sich die "Rest"-Laufzeit in unbekannte Länge. Dieser 
Irrsinn bedeutet faktisch, daß die Reaktoren um so länger betrieben 
werden dürfen, je maroder sie werden, da die Stillstandszeiten den 
Zeitpunkt des Abschaltens entsprechend hinauszögern. Den Betreiberfirmen 
bleibt es zudem freigestellt, die Strommengen von alten auf neue Meiler zu 
übertragen. Im Falle des AKW Obrigheim (Baujahr 1968), das entsprechend 
der veröffentlichten Vereinbarung im Oktober 2002 stillgelegt hätte 
werden sollen, kam es unter Berufung auf angebliche Geheimabsprachen zu 
einer Übertragung von neu auf alt und damit zu einer Laufzeitverlängerung 
bis 2005. Es wurde am 11. Mai 2005 nach knapp 37 Jahren Betriebszeit 
stillgelegt.                                             

             Die wirtschaftliche Lebensdauer von Atomkraftwerken war bisher 
wesentlich geringer als im Konsens vereinbart. So wurde das AKW Würgassen 
1995 nach 20 Jahren Laufzeit abgeschaltet, weil sich der Weiterbetrieb 
nicht mehr rechnete. Auch der neu vereinbarte "Verzicht" auf den Neubau von 
Atomkraftwerken ist kein Erfolg der im Jahr 2000 geschlossenen 
Vereinbarung. Seit der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl 1986 sind keine 
neuen Atomkraftwerke in Deutschland beantragt worden. (Und 1989 ging mit 
Block 2 des AKW Neckarwestheim der letzte vor 1986 beantragte Reaktor ans 
Netz.)                                             

             Im November 2003 feierte Atom-Minister Trittin mit viel 
Medien-Getöse und Sekt-Empfang die Stilllegung der AKW Stade als 
Realisierung des Atom-Ausstiegs. Tatsächlich hatte die Betreiber-Firma HEW 
- inzwischen im Energie-Konzern Vattenfall aufgegangen - bereits vor der 
Regierungsübernahme von "Rot-Grün" 1998 das AKW Stade in internen 
Beurteilungen als unwirtschaftlich bezeichnet. Eine Stilllegung und der 
Ersatz durch ein modernes Gaskraftwerk hätte HEW einen Kostenvorteil 
eingebracht. Daß diese Stilllegung dennoch nicht erfolgte, hatte allein 
den Grund, daß die Energie-Konzerne damit eine defensive Position 
vermieden.                                             

             Suggestiv wurde die Stilllegung des AKW Stade mit Hinweis auf 
das AKW Mülheim-Kärlich gar als "zweiter Schritt" des phänomenalen 
Atom-Ausstiegs dargestellt. Doch auch die Stilllegung des 13 Monate Strom 
liefernden und per Gerichtsbeschluß 1988 - zehn Jahre vor dem Start der 
"rot-grünen" Bundesregierung - gestoppten AKW Mülheim-Kärlich kann nicht 
ernstlich als Erfolg des "rot-grünen" Atomkonsenses bezeichnet werden.     
                                        

             Betrachten wir beispielsweise die "Pannen"-Serie des AKW 
Gundremmigen im Jahr 2004. So war etwa am 13. August, erst acht Tage 
verspätet, von der offiziellen Homepage des AKW Gundremmingen zu erfahren, 
daß Block C des AKWs bereits am 5. August abgeschaltet worden war - 
nachdem er bereits mehrmals in den Monaten zuvor hatte abgeschaltet werden 
müssen. Allein in den Monaten Juli und August waren sechs meldepflichtige 
"Pannen" zu verzeichnen. Die beiden seit 1984 im Betrieb befindlichen 
Reaktorblöcke B und C, beides Siedewasser-Reaktoren mit einer Leistung von 
1.244 MW, zeigen in ihrem zwanzigsten Betriebsjahr deutliche 
Alterungserscheinungen.                                             

             Um die "Rest"-Laufzeiten für beiden Blöcke B und C der AKW 
Gundremmingen abzuschätzen, müssen wir die bisherige jährliche 
Stromproduktion in die Zukunft fortrechnen. Block B hatte bis zum Stichtag 
31.12.1999 in 16 Betriebsjahren insgesamt 142,9 TWh (Terawattstunden) Strom 
produziert. Als "Atom-Ausstieg" wurde eine "Rest"-Strommenge von 160,92 TWh 
für den Zeitraum ab 1.01.2000 vereinbart. Bei GLEICHBLEIBENDER 
Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein rechnerisch eine 
"Rest"-Laufzeit von 18 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit von 34 Jahren, 
die bis 2019 reichen würde.                                             

             Block C hatte bis zum Stichtag 31.12..1999 in 16 
Betriebsjahren insgesamt 134,1 TWh Strom produziert. Als "Atom-Ausstieg" 
wurde eine "Rest"-Strommenge von 168,35 TWh ab 1.01.2000 definiert. Bei 
gleichbleibender Verfügbarkeit des Reaktors ergibt sich hieraus rein 
rechnerisch eine "Rest"-Laufzeit von 20 Jahren - also eine Gesamt-Laufzeit 
von 36 Jahren, die bis 2021 reichen würde.                                 
            

             Diese Vertrags-Vereinbarungen werden uns nun mit nahezu 
uneingeschränkter medialer Unterstützung als "Atom-Ausstieg" 
präsentiert.                                             

             Der Atom-Kritiker und Besteller-Autor Holger Strohm 
kommentiert dies so: "(...) Dabei waren Atomkraftwerke anfangs nur für 25 
Jahre Betrieb ausgelegt. Seit über einem Jahrzehnt ist kein neues 
Atomkraftwerk mehr ans Netz gegangen. Das heißt, die Atomkraftwerke laufen 
länger als ursprünglich geplant, und das wird uns als Ausstieg verkauft. 
Wir werden arglistig getäuscht!"1                                

             Und der VIAG-Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Simson, der an den 
Konsens-Gesprächen mit der Bundesregierung beteiligt war, sagte bereits im 
Jahr 2000 ganz offen, mit der Vereinbarung von Regierung und Atom-Industrie 
sei das "Ende der Kernkraft keineswegs besiegelt". Nicht der Atom-Ausstieg 
sei beschlossen worden, sondern "nur eine Laufzeitbegrenzung der 
existierenden Kraftwerke".                                             

             Und als bemerkenswerte Ausnahme im Einheits-Konzert der 
deutschen Medien, die den "Atom-Ausstieg" als Erfolg der Regierung 
feierten, schrieb W. Mauersberg, "Kernenergie-Befürworter" und 
Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, (HAZ) in einem 
Kommentar am 16.06.2000:                                             

             Falsches Etikett                                             

             In der Politik gibt es manchmal merkwürdige Signale. Sie 
zeigen das Gegenteil von dem an, was wirklich passiert. So verhält es sich 
auch mit dem so genannten Atomkonsens. Von freiwilliger Übereinkunft kann 
keine Rede sein. Die beiden Vertragspartner hatten einander erpreßt: Die 
Koalition von SPD und Grünen drohte mit einem Gesetz gegen Atomkraftwerke, 
und die Stromkonzerne drohten mit Klagen auf Entschädigung. Am Ende haben 
sich die Konzerne auf ganzer Linie gegen die rot-grüne Bundesregierung 
durchgesetzt.                                             

             Wenn die grüne nordrhein-westfälische Umweltministerin 
Bärbel Höhn sich für zufrieden erklärt, weil der Ausstieg nun wirklich 
in die Tat umgesetzt werde, dann ist das lediglich die Schutzbehauptung 
eines Verlierers. Es gibt keinen Ausstieg aus der Kernenergie. Die Nutzung 
der umstrittenen Energiequelle ist vielmehr auf Jahrzehnte festgeschrieben. 
Längere Laufzeiten als die jetzt vereinbarten hätte die Energiewirtschaft 
auch ohne "Konsens" nicht einkalkuliert, und seit Jahren ist kein neuer 
Atommeiler geplant und beantragt worden.                                    
         

             Regierung beurkundet Sicherheit                                
             

             Mit den Stimmen der grünen Minister hat die Regierung 
zugesichert, daß sie alles in ihren Kräften Stehende tun werde, um den 
ungestörten Betrieb der Kraftwerke zu gewährleisten. Weil der Bund in der 
Atompolitik das letzte, entscheidende Wort hat, kann er die Bundesländer 
anweisen, entsprechend zu verfahren. Dazu ist er jetzt nach dem Vertrag 
sogar verpflichtet.                                             

             Nebenbei hat die rot-grüne Bundesregierung beurkundet, daß 
sie den Betrieb der Kraftwerke für verantwortbar und sicher hält, so daß 
keine wesentlichen neuen Sicherheitsvorkehrungen benötigt werden. Wenn die 
deutschen Kernkraftwerke so sicher sind, daß sie ohne Probleme noch 
Jahrzehnte betrieben werden können, leuchtet jedoch nicht ein, weshalb 
Deutschland in Zukunft überhaupt auf Kernenergie verzichten soll. Die 
Antwort auf diese Frage ist wohl nur noch mit Rechthaberei und Ideologie zu 
erklären.                                             

             Aus Sicht der Konzerne stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. 
Außer verbalen Zugeständnissen, die sie außerdem noch mit einem 
Vorbehalt versehen haben, mußten sie auf so gut wie gar nichts verzichten, 
dürfen sogar ihre immensen Geldrücklagen behalten. Dafür, daß sie ihre 
Unterschrift unter ein Papier mit der Überschrift "Ausstieg" gesetzt 
haben, bekommen sie von der Regierung ein umfassendes Leistungspaket, das 
Roten und Grünen noch viel Ärger mit ihren eigenen Anhängern einbringen 
wird. Denn die werden sich von dem merkwürdigen Produkt nicht täuschen 
lassen, bei dem außen auf der Packung "Ausstieg" steht und innen ein 
ungestörter Weiterbetrieb der Atomenergie enthalten ist. (...)             
                                

             Bilanz des Konsens-Vertrages:                                  
           

             1. Er erlaubt eine Verdoppelung des Atommüllberges, ohne daß 
bisher eine sichere Lagerung der radioaktiven abgebrannten Brennelemente 
und der stahlenverseuchten Reaktorteile und Baumaterialien auch nur in 
Sicht wäre.                                             

             2. Mit den zugeteilten "Reststrommengen" wird die 
durchschnittliche Laufzeit der AKWs um mindestens zehn Jahre über die 
anlagenbedingte Betriebsdauer von 25 Jahren verlängert.                    
                         

             3. Es soll ein von Einsprüchen und Protesten ungestörter 
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gewährleistet werden.                     
                        

             4. Die Haftungssumme wurde zwar pro Reaktor auf 2,5 Mrd. Euro 
erhöht. Dies ist jedoch nach wie vor völlig unzureichend. Laut Auskunft 
von Michail Gorbatschow belief sich allein der volkswirtschaftliche Schaden 
der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl auf rund 250 Mrd. Euro. ExpertInnen 
schätzen des Gesamtschaden auf rund 5.000 Mrd. Euro.                       
                      

             Ein Blick auf Litauen                                          
   

             Symptomatisch für den Stand des Atom-Ausstiegs in Europa ist 
die aktuelle Situation in Litauen. Entsprechend einer Vereinbarung mit der 
EU wurde am Freitag, 31.12.2004, mit dem Herunterfahren eines der beiden 
Reaktoren im einzigen litauischen AKW begonnen. Der Reaktor vom Bau-Typ des 
Tschernobyl-Reaktors hatte damit 18 Jahre lang seit der Katastrophe von 
1986 die Bevölkerung Europas dem Risiko einer nochmaligen radioaktiven 
Verseuchung ausgesetzt.                                 

             Wie der Leiter des AKW Ignalia, Viktoras Sevaldinas, 
mitteilte, wurde der Reaktor langsam heruntergefahren und am 3. Januar 2005 
gegen 19 Uhr komplett stillgelegt. Die beiden Blöcke des AKW Ignalia 
lieferten bis dato - nach offiziellen Angaben - rund 70 Prozent des 
Strombedarfs aller drei baltischen Staaten. Laut ExpertInnen verfügt 
Litauen jedoch nach wie vor über starke Überkapazitäten an elektrischer 
Energie, so die österreichische Tageszeitung 'Der Standard' in der Ausgabe 
vom 4. Januar. Beachtenswert ist darüber hinaus, daß die Stillegung von 
Ignalia I in den deutschen Massenmedien unterschlagen, jedoch in 
österreichischen Medien wie dem 'Standard' Beachtung fand.                 
                

             Bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt hatte sich Litauen 
verpflichtet, einen der beiden Reaktoren des AKW Ignalia bis Ende 2004, den 
anderen bis 2009 abzuschalten. Erkauft wurde diese Zusage von der 
europäische Atom-Industrie gegen eine "finanzielle Unterstützung" aus 
EU-Mitteln in unbekannter Höhe, von der nach offiziellen Angaben bereits 
200 Millionen Euro geflossen sind. Zudem ist durch den Vertrag nicht 
ausgeschlossen, daß auf dem Gelände des AKW Ignalia ein neuer Reaktor 
errichtet wird. Im Gespräch ist dabei der unter anderem vom Atom-Konzern 
Siemens entwickelte "Euro-Reaktor" EPR (european pressurized water 
reactor). Konkrete Pläne zum Bau solcher Reaktoren bestehen bereits an den 
AKW Standorten Flamanville an der französischen Kanalküste und im 
finnischen Olkiluoto.                                             

             In den österreichischen Medien wurde auch mit Interesse 
vermerkt, daß derzeit noch nicht feststehe, ob in Litauen ein 
Atom-Ausstieg vollzogen, oder ob "ein modernes Atomkraftwerk in Ignalia 
errichtet" ('Der Standard') werde. So hängt Litauen in einem 
Schwebezustand zwischen einem versprochenen Atom-Ausstieg und einem von der 
Atom-Industrie erhofften Wiedereinstieg.                                    
         

             Ist ein sofortiger Atom-Ausstieg möglich?                     
                        

             Nach wie vor sind die Stromerzeugungs-Kapazitäten in 
Deutschland weit höher als der tatsächliche Verbrauch. Insgesamt stehen 
rund 110 Gigawatt an Kraftwerksleistung zur Verfügung. Selbst bei 
Spitzenlast wurden kaum je mehr als 75 Gigawatt in Anspruch genommen. Diese 
nur im Winter erreichte Spitzenlast könnte durch ein Verbot der 
energetisch völlig unsinnigen Stromheizungen zudem drastisch reduziert 
werden. Die Gesamtleistung aller deutschen Atomkraftwerke betrug 
rechnerisch maximal 23 Gigawatt. Selbst wenn also eine gewisse 
Sicherheits-Reserve von 10 Gigawatt als nötig erachtet würde, könnten 
sämtliche deutschen Atomkraftwerke ohne Verlust an Versorgungs- sicherheit 
abgeschaltet werden. Daß die Energie-Konzerne dennoch mit Zähnen und 
Klauen an einem Weiterbetrieb festhalten, liegt einzig darin begründet, 
daß nahezu alle Atomkraftwerke bereits vollständig abgeschrieben sind und 
daß Dank reichlich auch unter "Rot-Grün" fließender Subventionen2 die 
Produktionskosten von Atom-Strom erheblich unter denen von Strom aus 
anderen Energieträgern liegen. Kurz: Die Profite sind höher.              
                               

                                                                        
NETZWERK REGENBOGEN                                                         
                     

                                                           Anmerkungen     
                                        

             1 Holger Strohm, 'Die stille Katastrophe', Seite 2, 
       Verlag: zweitausendeins. 9,90 Euro. Bestell-Nr. 18411             
                                

             2 Siehe Folge 3 
       Die Subventionierung der Atomenergie                              
               

                                                                        
Die übrigen Folgen der Info-Serie:                                         
    

               1 Grundlagenwissen                                          
   

                                                                          
3 Die Subventionierung der Atomenergie                                      
       

               4 Der siamesische Zwilling: Atombombe                       
                      

               5 Umweltverbrechen Uran-Abbau                               
              

               6 Uran-Ressourcen und die Zukunft der Atomenergie           
                                  

               7 Die Geschichte der Atom-Unfälle                          
                   

               8 Die stille Katastrophe                                    
         

               9 Der italienische Atom-Ausstieg                            
                 

             10 Schwedens "Atom-Ausstieg"                                   
          

             11 Atomenergie in Frankreich                                   
          

             12 Das ungelöste Problem der Endlagerung                      
                       

                                                                           
             
                                                                            
                                                    
                        
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