[fessenheim-fr] Das Problem Weltraummuell
Klaus Schramm
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Mi Jun 20 20:08:57 CEST 2007
Hallo Leute!
Hier ein interessanter Artikel über den - nicht selten radioaktiven -
Müll, der über unseren Köpfen schwebt. Danke fürs Weiterleiten an
Amish Lessmann.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
18/ 06/ 2007
Das Problem Weltraummüll
MOSKAU, 18. Juni (Juri Saizew - für RIA Novosti). Der Start des ersten Sputniks
öffnete nicht nur das Tor zum Universum für den Menschen. Er öffnete auch einen
kolossalen Müllschlucker, dank dem sich der Weltraum rund um die Erde
lawinenartig in eine gigantische Deponie für den Abfall der Raketen- und
Raumfahrt verwandelt.
Die letzten Stufen von Trägerraketen, Marschtriebwerke, Raketenspitzen, kaputte
und abgearbeitete Satelliten verbleiben in einer Höhe von 200 Kilometern und
mehr. Dazu kommen die Überreste von explodierten Weltraumapparaten, Alltagsmüll
von den bemannten Raumschiffen und Langzeit-Raumstationen sowie Kleinkram wie
Schrauben, Scheiben und sogar Werkzeug, das die Raumfahrer bei Arbeiten im
offenen All verlieren.
Somit haben sich im erdnahen Raum circa 26 000 große künstliche Objekte und
drei- bis fünfmal so viele kleine Elemente (Montagekonstruktionen, abgeworfene
Schutzdeckel usw.) versammelt. Sie prallen aufeinander, und jeder Zusammenstoß
vermehrt die Gesamtzahl der Fragmente vielfach.
Gegenwärtig haben nur zwei Länder, Russland und die USA, die Möglichkeit, die
Weltraumverschmutzung durch den Menschen mit Hilfe ihrer nationalen Radare und
optischen Mittel zu kontrollieren. Circa 10 000 Objekte, mindestens 10 bis 30 cm
groß in niedrigen Umlaufbahnen und circa einen Meter groß in geostationären
Umlaufbahnen, sind offiziell katalogisiert, das heißt, sie werden regelmäßig
beobachtet, in besondere Kataloge eingetragen und sind mit ihren
Herkunftsquellen identifiziert.
Insgesamt wurden knapp 14 000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm
entdeckt und werden regelmäßig beobachtet. Ungefähr 950 davon sind Raumapparate
verschiedener Länder im Einsatz. Die Zahl der Objekte, die weniger als 10 cm
groß sind, hat 200 000 bis 250 000 erreicht, die Zahl der Objekte mit einem
Durchmesser von 1 bis 10 mm beträgt knapp 70 bis 80 Millionen, und die Zahl der
Objekte, die eine Mikron oder weniger messen, beläuft sich auf 1013 bis 1014.
Doch das sind nur statistische Schätzungen, weil solche Teilchen weder von
Teleskopen noch von Radaren bemerkt werden und dementsprechend in keine Kataloge
aufgenommen werden können.
Ein Fragment Weltraummüll mit nur einem halben Millimeter Durchmesser, das zehn
bis zwanzigmal so schnell wie eine Kugel fliegt, kann den Schutzanzug eines
Raumfahrers leicht durchbrechen. Ein Zusammenstoß mit einem mehr als 1 cm großen
Partikel kann einen arbeitenden Satelliten außer Betrieb setzen. Zusammenstöße
mit großen künstlichen Weltraumobjekten sind kaum wahrscheinlich, obwohl es
bereits auch solche gegeben hat. Zum Beispiel traf ein Fragment der letzten
Stufe der französischen Rakete Arian auf den französischen Satelliten Ceras und
fügte diesem Schaden zu: Es brach die Stange des
Gravitationsstabilisierungssystems durch. Im Januar 2005 stießen die letzten
Stufen von zwei Trägerraketen, die von China und den USA in verschiedenen Jahren
gestartet wurden, zusammen. In den 15 Jahren, in denen die sowjetische
Raumstation Mir in Betrieb war, kamen ziemlich große künstliche Raumkörper bis
auf einen Kilometer an die Station heran.
Im Juni 1999 hatte die damals noch unbewohnte Internationale Raumstation ISS
alle Chancen, mit einem Überrest eines Marschtriebwerkes einer Trägerrakete
zusammenzustoßen. 2001 musste die ISS ein besonderes Manöver ausführen, um einem
sieben Kilogramm schweren Metalluntersetzer auszuweichen, den Raumfahrer bei
Arbeiten im offenen All verloren hatten.
Die Ansammlung von künstlichen Objekten auf Erdumlaufbahnen ruft auch wegen der
Strahlung im erdnahen All ernsthafte Besorgnis hervor. In den letzten Jahren
wurden 33 sowjetische Raumapparate mit nuklearen Energieanlagen an Bord
gestartet. Nach Abschluss des Flugprogramms wurden die nuklearen Kraftanlagen
von den Satelliten abgestoßen und auf eine so genannte Lagerungsumlaufbahn (700
bis 1000 Kilometer Höhe) überführt. Hier wurden die aktiven Zonen, also die
Brennelementbündel, abgestoßen.
Gegenwärtig befinden sich 44 russische Strahlungsobjekte auf einer
Lagerungsumlaufbahn. Das sind zwei Satelliten, von denen die nuklearen
Kraftanlagen nicht abgetrennt wurden (Kosmos-1818 und Kosmos-1867),
Brennelementbündel und 12 abgeschaltete Reaktoren mit Flüssigmetallträgern, 15
Brennelementbündel mit nuklearem Brennstoff und 15 nukleare Kraftanlagen ohne
Kraftstoff, doch mit Kühlmittel im Sekundärkreis. Sie sollen mindestens 300 bis
400 Jahre passiv auf der Lagerungsumlaufbahn verbleiben. Diese Zeit wird für den
Zerfall der Spaltprodukte des Uran-235 bis auf ein sicheres Niveau reichen.
Auch die USA haben ihren Beitrag zur radioaktiven Verschmutzung des erdnahen
Weltraums geleistet. Im April 1964 konnte der Navigationssatellit Transit-SB mit
einem Radioisotopen-Generator an Bord seine Umlaufbahn nicht erreichen und fiel
auseinander. Als er in der Atmosphäre verbrannte, streute er etwa ein Kilogramm
Plutonium-238 über dem Westteil des Indischen Ozeans nördlich von Madagaskar
aus. Das führte zu einer fünfzehnfachen Erhöhung des natürlichen radioaktiven
Hintergrunds auf dem ganzen Planeten. Einige Jahre später stürzte der
Wettersatellit Nimbus-B mit einem Uran-235-Reaktor in den Indischen Ozean.
Gegenwärtig befinden sich sieben amerikanische Strahlungsobjekte im erdnahen
Weltraum in Höhen von 800 bis 1100 Kilometern und zwei weitere auf
nebengeostationären Umlaufbahnen.
Die potentielle Gefahr der russischen und amerikanischen nuklearen Satelliten
besteht darin, dass weite Gebiete des erdnahen Raums verstrahlt werden können,
wenn sie durch einen Zusammenstoß mit Weltraummüll zerstört werden. Außerdem
werden vereinzelte Bruchstücke, die nach einem Zusammenstoß und der Zerstörung
langsamer als die erste Weltraumgeschwindigkeit fliegen, von der Umlaufbahn
abgleiten und im Endeffekt einzelne Abschnitte der Erdoberfläche verschmutzen.
In besonders negativen Fällen ist eine beträchtliche Verstrahlung der Atmosphäre
möglich.
Da die Gefahr besteht, müssen Vorbeugungsmaßnahmen oder, wenn diese unmöglich
sind, muss die Beseitigung der Folgen im Voraus überlegt werden. Erstens muss
die Zahl der Weltraumapparate durch die Verlängerung ihrer Betriebszeit und die
Verwendung von Mehrzwecksatelliten reduziert werden. Nach Ende der Betriebszeit
müssen sie mit Hilfe von Reservekraftstoff in die dichten Schichten der
Atmosphäre überführt werden, wo sie verbrennen, oder auf weniger
"dichtbesiedelte" Umlaufbahnen. Die zweite Variante ist besser. Die
"Satellitenfriedhöfe" sollen voraussichtlich 200 bis 300 Kilometer höher liegen
als die Zone der geostationären Erdumlaufbahnen.
Mit der unmittelbaren Räumung des bereits angestauten Mülls im erdnahen Raum
sieht es in der nächsten Zukunft problematisch aus. Unter anderem sollen Laser
dafür eingesetzt werden. Doch sogar die völlige Zerstreuung eines kleinen
Objektes wird einen beträchtlichen Energieverbrauch fordern. Außerdem werden
einige Materialien bei Laserbestrahlung nur auseinanderfallen und die Gesamtzahl
der Fragmente vergrößern. Außerdem sieht diese Methode wegen der starken
Wärmeemission in die Umwelt ziemlich gefährlich aus. Dabei kann nicht nur das
Wärmegleichgewicht zerstört, sondern auch die chemische Zusammensetzung
verändert werden.
Leider gibt es keine effizienten praktischen Maßnahmen zum Schutz des Weltraums
in mehr als 600 Kilometern Höhe, wo der Bremseffekt der Atmosphäre nicht spürbar
ist, vor dem Müll. Dabei birgt die weitere Anstauung von künstlichen Objekten
auf erdnahen Umlaufbahnen die Gefahr in sich, dass ihre Anzahl nach Erreichen
eines kritischen Niveaus wegen der Zerstörung bei Zusammenstößen lawinenartig
ansteigen wird.
Das wird die Raumfahrt in einiger Zeit unmöglich machen.
Unser Autor Juri Saizew ist Experte vom Institut für Weltraumforschung der
Russischen Akademie der Wissenschaften.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.
Quelle: http://de.rian.ru/analysis/20070618/67405147.html
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