[fessenheim-fr] Leukämiefälle in Geesthacht
Klaus Schramm
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Sa Apr 14 16:24:09 CEST 2007
13.04.2007
Leukämiefälle in Geesthacht
ExpertInnen-Anhörung / Neue Analysen
angekündigt
Dieser Tage fand eine ExpertInnen-Anhörung im
Niedersächsischen Landtag statt. Geklärt werden sollten
die Ursachen der seit 17 Jahren zunehmenden Zahl von
Kinderleukämie in der Umgebung des AKW Krümmel
und des GKSS-Forschungszentrums. Im Raum stehen
Vorwürfe, wonach die weltweit einzigartige Häufung von
Kinder-Leukämie im Raum Geesthacht, 30 Kilometer
südlich von Hamburg, auf einen Unfall im September
1986 bei illegalen Atomwaffen-Experimemte
zurückzuführen sind. Zur Klärung sollen nun erneut
Untersuchungen von Bodenproben veranlaßt werden.
Seit dem Eklat von 2004, als eine vom Land
Schleswig-Holstein eingesetzte
ExpertInnen-Kommission ("Leukämie-Kommission")
zurückgetreten war, weil sie sich in ihren Ermittlungen
von den Landesregierungen in Niedersachsen und
Schleswig-Holstein ausgebremst sah, blieben die Akten
geschlossen. "Die Eltern haben ein Recht darauf, daß die
Landesregierung, wenn sie eine Lösung herausfinden
kann, sie auch herausfindet", sagte nun die Vorsitzende
des Gesundheitsausschusses im niedersächsischen
Landtag, Gesine Meißner (FDP). Die damalige "rot-grüne"
Landesregierung in Kiel hatte Vertuschungsvorwürfe
scharf zurückgewiesen und nannte die Vorwürfe haltlos.
Es blieb bislang beim offiziellen Statement, daß keine
Ursache für die ungewöhnliche Häufung von
Blutkrebs-Fällen zu finden sei.
Die WissenschaftlerInnen der Leukämie-Kommission
hatten sich jedoch damit nicht abgefunden, und
Bodenproben von einem von der europäischen
Atom-Industrie unabhängigen Universitäts-Institut in
Minsk untersuchen lassen. Deren Analyse bestätigte
nunmehr, daß die aus den Bodenproben extrahierten
Brennstoffkügelchen radioaktive Isotope enthielten. Die
Analyse der Isotope ergab zudem, daß die Kügelchen
weder aus einem zivilen Atomkraftwerk noch vom Fallout
früherer oberirdischer Atomtest herrühren können. Dies
bestätigte den Verdacht von WissenschaftlerInnen wie
dem Berliner Physiker Sebastian Pflugbeil, im
GKSS-Forschungszentrums sei es 1986 zu einem Unfall
gekommen.
Zu Beginn der zweitägigen nichtöffentlichen Anhörung
hatten sich die Mitglieder des Gesundheitsausschusses
am Mittwoch unter anderem mit dem aktuellen Stand der
Leukämieforschung beschäftigt. Die PolitikerInnen
wollten nähere Erkenntnisse über den Zusammenhang
von Radioaktivität und Leukämie gewinnen. Helfen sollte
dabei auch ein Vortrag und die über zweistündige
Befragung des Physik-Professors Wladislaw Mironow
von der Sacharow-Universität in Minsk, dessen Team die
Aufsehen erregenden Ergebnisse geliefert hatte.
An Leukämie erkrankten seit 1989 im Raum Geesthacht
16 Kinder unter 15 Jahren. Bisher starben drei Kinder
und ein junger Erwachsener. Damit weist das Gebiet bei
einer Einwohnerzahl von nur 30.000 eine viermal so hohe
Quote wie der Bundesdurchschnitt auf. Bereits 1990
wurde die ExpertInnen-Kommission gegründet. Im
Blickfeld waren dabei stets das schleswig-holsteinische
AKW Krümmel und die unmittelbar benachbarte
Kernforschungsanlage GKSS. Im September 1986 war in
der Umgebung eine erhöhte Radioaktivität gemessen
worden, deren Ursache jedoch offiziell als ungeklärt gilt.
Zudem wurden millimetergroße radioaktive Kügelchen in
Bodenproben entdeckt.
Der atompolitische Sprecher der Grünen, Andreas
Meihsies, forderte eine Meßmethode und ein Labor, das
von allen Seiten anerkannt werde. Nur so komme man
aus dem Streit der Gutachten und Gegengutachten
heraus.
Nur wenige Stunden nach Ende der
ExpertInnen-Anhörung zur Kinderleukämiehäufung in
der Elbmarsch war Ausschuß-Vorsitzende Gesine
Meißner vom NDR im Gasthaus Marschachter Hof im
Rahmen einer Live-Hörfunksendung interviewt worden.
"Zufall oder Atomunfall? Warum erkranken so viele
Kinder in der Elbmarsch an Leukämie?" - mit diesen
Fragestellung gingen Redakteur Michael Orth und
NDR-Mitarbeiter Klaus Richard immerhin 45 Minuten über
NDR 1 auf Sendung. Rund 50 BürgerInnen aus der
Elbmarsch waren zu der kurzfristig anberaumten
NDR-Sendung in den Gasthof gekommen.
Gesine Meißner meinte: "Wir müssen jetzt genau prüfen,
ob es genug Beweise für einen Atomunfall gibt." Deshalb
plädiere sie für die Zusammenarbeit der
unterschiedlichen WissenschaftlerInnen. Die
Ausschussvorsitzende räumte ein, daß es Indizien gebe.
"Vieles klingt merkwürdig und hat uns ins Grübeln
gebracht." Sie machte aber auch klar, die Frage, ob es
einen Atomunfall gegeben habe, sei keine Frage der
Überzeugung. "Es ist alles schwer einzuordnen für uns",
gab sie zu. Die ebenfalls anwesende Physikerin und
früheres Mitglied der "Leukämie-Kommission" Inge
Schmitz-Feuerhake, die von einem atomaren Unfall
ausgeht, sagte: "Es ist Gefahr im Verzug." Sie fordert
nun, nach Folgeprodukten eines Unfalls in Grundwasser
und Pflanzen zu suchen.
Sabine Brosowski von der Bürgerinitiative gegen
Leukämie in der Elbmarsch sieht in der Anhörung des
Gesundheitsausschusses einen Erfolg. Ihr Eindruck:
"Der Wille aller politischen Parteien ist offenbar groß, den
Ursachen nachzugehen. Endlich sind alle Politiker
aufgewacht."
Klaus Schramm
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