[fessenheim-fr] Artikel zu den franzoesischen Demos
Klaus Schramm
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Di Mär 20 20:16:44 CET 2007
Hallo Leute!
Hier noch ein Artikel zu den Großdemos in Lyon, Toulouse, Strasbourg und
Lille.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Über 62.000 demonstrierten in fünf französischen Städten gegen Atomenergie
Für einen Atomausstieg in Frankreich, gegen das neue EPR-Atomkraftwerk und für
erneuerbare Energien
Am gestrigen Samstag gingen allein in Rennes über 40.000 FranzösInnen auf die
Straße. Rennes liegt nur rund 160 Kilometer vom AKW Flamanville entfernt, wo
nach einem Beschluß des Energiemonopolisten EdF und der französischen Regierung
nach über zwanzigjähriger Pause ein neuer Reaktor gebaut werden soll. Es handelt
sich dabei um den von Areva-Siemens entwickelten 'European Pressurized Water
Reactor' (EPR). Die Beteiligung an den Kundgebungen in Lyon (8.000), Toulouse
(5.000), Strasbourg (5.000) und Lille (4.000) übertraf alle Erwartungen, so daß
die VeranstalterInnen vom Bündnis 'Stop-EPR' in einer Abschlußerklärung von
einer "historischen Mobilmachung" sprachen. Der Protest sei vergleichbar mit den
Anti-Atom-Demonstrationen der 70er Jahre.
Foto 1
'Stop-EPR' ist ein Bündnis von über tausend Organisationen, darunter Agir pour
l'environnement, Attac France, la Confédération paysanne (der alternative
Bauernverband, zu dessen Mitgliedern der Aktivist und jetzige
Präsidentschaftskandidat José Bové zählt), France Nature Environnement,
Greenpeace, Les Amis de la Terre (der Partnerverband des deutschen BUND), Réseau
Action Climat, Réseau Sortir du nucléaire (das Bündnis für einen französischen
Atomausstieg, dem seinerseits über 700 Ant-AKW-Gruppen angehören) sowie WWF
France.
Teile der französischen Anti-Atom-Bewegung hoffen, so auf den aktuellen
Präsidentschaftswahlkampf Einfluß nehmen zu können. Dabei werden verschiedene
Präferenzen allerdings nur indirekt deutlich. Unter den DemonstrantInnen in
Lille befanden sich die PräsidentschaftskandidatInnen Corinne Lepage, Olivier
Besancenot und Yves Cochet.
Die beiden großen Parteien jedoch stellen die Atomenergie nicht in Frage - weder
in Hinblick auf Atomkraftwerke, noch in Hinblick auf die französische
Atomstreitmacht. In der aktuellen Klimadebatte werden zwar fantastische
Versprechungen gemacht und eine Lockerung der Bremsen bei den erneuerbaren
Energien in Aussicht gestellt. Beide neoliberalen Parteien, sowohl die
"sozialistische" als auch die "konservative" bezeichnen allerdings die
Atomenergie als umweltfreundliche Alternative zu Kohle und Öl und als Garant
energiepolitischer Unabhängigkeit.
Foto 2
Nach neuesten Umfragen sprechen sich 78 Prozent der FranzösInnen dafür aus, dem
Ausbau der erneuerbaren Energien Vorrang einzuräumen. Und 58 Prozent sind der
Ansicht, daß die Atomenergie bei einem Ausbau der erneuerbaren Ernergien und
einer Steigerung der Energieeffizienz leicht ersetzt werden könnte. 37 Prozent
sind der gegenteiligen Ansicht.
"Das EPR-Projekt in Flamanville wurde ohne eine echte demokratische Debatte
beschlossen. Frankreich hat diesen neuen Atomreaktor nicht nötig, um seine
Energieversorgung zu sichern. Und wir sind hier, um aufzuzeigen, daß ein solcher
EPR-Reaktor, einmal fertiggestellt, der weltweit gefährlichste Reaktor wäre,"
erklärte Frédéric Mariller, Sprecher der Anti-Atom-Kampage von Greenpeace
Frankreich. Atomunfall, atomare Abfälle, Abgabe radioaktiver Substanzen in die
Umwelt, Proliferation von atomwaffenfähigem Material und Verwundbarkeit für
Attentate: all diese Risiken wurden in den verschiedensten Redebeiträgen
genannt.
Häufig wurde die Sorge laut, mit dem Bau des EPR, der nach offiziellen Angaben
rund 3,3 Milliarden Euro kosten soll, werde die Atomenergie als
Hauptenergiequelle Frankreichs festgeschrieben. Werde erst der EPR in
Flamanville gebaut, würden ihm Dutzende weiterer neuer Atomreaktoren folgen. In
Frankreich gibt es bereits 19 Atomkraftwerke, die 74 Prozent des Strombedarfs
decken. Erst vor kurzem war eine geheime Studie des französischen Stromkonzerns
EdF aufgetaucht, die feststellt, daß ein EPR einer Flugzeug-Attacke wie jener
vom 11. September 2001 in New York nicht standhalten würde.
Die Proteste richteten sich nicht allein gegen Frankreichs jüngsten Reaktor,
sondern auch gegen Frankreichs ältestes Atomkraftwerk in Fessenheim, das am 7.
März sein 30-jähriges Betriebsjubiläum gefeiert hatte. Das AKW Fessenheim hat
die von den französischen Anlagenbauern ursprünglich vorgesehene maximale
Laufzeit von 25 Jahren nunmehr bereits um fünf Jahre überschritten.
Mit Blick auf Europa kam auch zur Sprache, daß allein im Jahr 2006 acht
Reaktoren in vier EU-Staaten endgültig stillgelegt wurden. Und ebenfalls als
Ermutigung wurde aufgenommen, daß die Anti-Atom-Bewegung mit den ItalienerInnen
dieses Jahr den Atomausstieg feiern kann, den sie 1987 in Italien durchsetzten.
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