[fessenheim-fr] Hermann Scheer erzählt von einigen Sauereien beim so genannten Atomausstieg (fwd)

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mi Okt 4 19:25:08 CEST 2006


Liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen,

ohnmächtig und ungläubig haben wir in den Jahren 2000, 2001 und 2002 die  
Machenschaften von Schröder und Trittin verfolgt, als diese den Atomkonzernen 
mit dem Bau von zwölf neuen Zwischenlagern aus dem übergroßen
Problem der ungelösten Atommüllentsorgung halfen und die vielen preis- und 
gewinntreibenden Privilegien der Atomstromkonzerne unangetastet ließen und dies 
auch noch lügnerisch als Atomausstieg verkauften.

In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau an diesem Wochenende erzählt der 
SPD-Bundestagsabgeordnete
Scheer ein wenig von den damaligen Sauereien.

Raimund Kamm (Vorstand) 
FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlagerund für eine verantwortbare 
Energiepolitik e.V.
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Windige Atommanöver

Der Antrag auf Weiterbetrieb von Biblis C erfolgt, nachdem die Stromkonzerne für 
den Kernkraft-Ausstieg kräftig abkassiert haben
Hohe Netzgebühren und steuerfreie Rückstellungen für Atomkraftwerke wurden den 
Stromkonzernen für den Atomausstieg gewährt. Trotzdem wollen sie mit der 
Kernkraft weitermachen
VON HERMANN SCHEER

Für die 2001 von der Bundesregierung ausgehandelte Bereitschaft, die Atommeiler 
schrittweise bis 2021 abzuschalten, haben die Stromkonzerne einen hohen 
politischen und wirtschaftlichen Preis verlangt, erhalten und längst 
eingesteckt. Dadurch wurden sie Profiteure des Atomausstiegs. Aber dennoch 
wollen sie nunmehr ihre vertragliche Gegenleistung nicht einlösen. Das ist der 
Hintergrund der geforderten Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die auf ein 
generelles come-back der Atomenergie zielt. Der Antrag zum Weiterbetrieb des 
Reaktors Biblis A ist der aktuelle praktische Auftakt dafür.

Eine der politischen Gegenleistungen war der Verzicht der rot/grünen Koalition 
auf eine Änderung des noch von der Kohl-Regierung im April 1998 verabschiedeten 
Energiewirtschaftsgesetzes, das die Liberalisierung des Strommarktes einleiten 
sollte. In diesem wurde auf die Einrichtung einer Regulierungsbehörde 
verzichtet, die einen Missbrauch des "natürlichen Monopols" des Netzes für 
unverhältnismäßig hohe Netzbenutzungstarife hätte verhindern können. Die vier 
deutschen Stromkonzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall sind die Betreiber aller 
deutschen Atommeiler und betreiben 100 Prozent des Übertragungsnetzes. Sowohl 
SPD wie Grüne hatten den Verzicht auf die Regulierungsbehörde scharf kritisiert. 
Die SPD-Bundestagsfraktion erhob Klage beim Bundesverfassungsgericht. Dieses hat 
darüber nie verhandelt, weil es zu Recht einwandte, dass die ab November 1998 
regierenden Kläger doch aus eigener Kraft die Gesetzeskorrektur vornehmen 
könnten. Doch das wurde wegen des angestrebten Konsenses über den Atomausstieg 
unterlassen.

Das zweite Entgegenkommen der Bundesregierung war, die Praxis der steuerfreien 
Rückstellungen für die künftige atomare Entsorgung und Endlagerung unangetastet 
zu lassen. Diese Rückstellungen liegen heute bei etwa 30 Milliarden Euro und 
können von den Atomkraftwerksbetreibern beliebig verwendet werden. Sie wirken 
deshalb über Jahrzehnte wie steuerfreie Gewinne und sind ein klarer 
Wettbewerbsvorteil zu Lasten der kommunalen Energieversorger. Der Weg, das zu 
unterbinden, war in einer Gesetzesinitiative vorgezeichnet, die ich 1999 
vorlegte und die von vielen Abgeordneten von SPD und Grünen unterstützt wurde. 
Sie sah vor, dass die Rückstellungsmilliarden in einen Fonds fließen und nur für 
tatsächliche Entsorgungsaufwendungen abgerufen werden können. Doch dieser 
Vorstoß störte die Verhandlungen über den Ausstiegskonsens, bei denen sich die 
Bundesregierung stillschweigend verpflichtete, die freie Verfügbarkeit der 
Rückstellungsmilliarden sogar gegen Einwände der EU-Kommission zu verteidigen.

Zwischen 1999 und 2004 lagen die Umsätze aus dem Betrieb des Übertragungsnetzes 
bei etwa 33 Milliarden Euro, wovon aber lediglich 15 Mrd. für Netzinvestitionen 
verwendet wurden. Die übrigen 18 Mrd. fielen in die Kriegskasse der 
Stromkonzerne. Ergänzt um die freie Verfügbarkeit der Rückstellungsmilliarden 
finanzierten diese damit ihren Konzentrationsprozess, insbesondere den 
rollgriffartigen Aufkauf von Stadtwerken. Damit ersetzten sie die mit der 
Liberalisierung des Stromsektors verlorenen Gebietsmonopole durch ein 
allgemeines Anbieteroligopol. Die Preise stiegen mithin trotz sinkender 
Investitionen an. Für Industriestrom verlangten sie im Januar 1999 noch 6,5 Cent 
pro Kilowattstunde, jetzt sind es 9,5 Cent - obwohl RWE, der Betreiber von 
Biblis A und B, für 80 Prozent seiner Stromproduktion nur Produktionskosten von 
2,4 Cent hat. Überdies kostete der Konzentrationsprozess mehr als 100 000 
Arbeitsplätze in der Stromwirtschaft.

Erst 2005 wurde die Regulierungsbehörde in Form der Bundesnetzagentur 
eingeführt, auf ultimativen Druck der EU-Kommission. Da nun die Preiskontrolle 
für den Netzbetrieb einsetzt, können die Stromkonzerne auf der Basis ihres 
mittlerweile ausgebauten Anbieteroligopols dennoch die Strompreise weiter 
erhöhen, indem sie die Gewinnzone wieder vom Netz- auf den Produktionsbetrieb 
verlagern.

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