[fessenheim-fr] Vergessenes Versuchsendlager undicht
Klaus Schramm
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Fr Sep 8 17:53:33 CEST 2006
Hallo Leute!
Hier zwei Artikel zur katastrophalen Situation in den bestehenden
"End"-Lagern für schwach- und mittelradioaktiven Abfall, dem
Bergwerk Asse bei Wolfenbüttel und (dem vorgesehenen) Schacht
Konrad bei Salzgitter.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
HAZ, 1.09.06
Niedersachsen
Vergessenes Atomlager macht Probleme
Kaum jemand weiß, was sich unter dem sanften Hügelzug der Asse bei Wolfenbüttel
verbirgt: In der Tiefe lagern hier in einem stillgelegten Salzbergwerk
radioaktive Abfälle. Jetzt gibt es Probleme, weil es außer Kontrolle geraten
ist.
Proteste wie in Gorleben hat es hier nie gegeben. Denn weitgehend unbekannt ist,
dass in der Tiefe 125.000 Fässer mit schwach- und 1.300 Behälter mit
mittelradioaktivem Abfall. Darin verpackt sind so giftige Stoffe wie Uran,
Plutonium und Thorium, die noch tausende Jahre strahlen werden. Zwischen 1967
und 1978 wurde der radioaktive Müll hier abgekippt – seither redet kaum noch
jemand über die Asse. Doch dem Betreiber, der Gesellschaft für Strahlenforschung
(GSF), und den Anwohnern macht die Deponie große Sorgen. Denn das Endlager Asse
ist außer Kontrolle geraten. "Wir sitzen hier auf einer Zeitbombe", sagt Seban
Seehafer von der 'Aktion Atommüllfreie Asse', der örtlichen Bürgerinitiative.
Seit 16 Jahren dringt Salzlösung in das Bergwerk ein – das Schlimmste, was in
einem Atommülllager passieren kann. Wenn die Fässer mit dem Strahlenmüll
verrosten, werden die radioaktiven Teilchen frei und können langfristig ins
Grundwasser gelangen. Die Grünen im Landtag sprechen von einem Skandal. "In der
Asse ist die Endlagerung gründlich misslungen", kritisiert der
Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel. Das werfe kein gutes Licht auf die
Endlager-Pläne in Gorleben und dem Schacht Konrad in Salzgitter. "Wie will man
garantieren, dass dort der Strahlenmüll über eine Million Jahre sicher
eingeschlossen wird, wenn die Asse schon nach 30 Jahren abzusaufen droht?",
fragt er. Im Fall Asse geht es nach Ansicht der Grünen jetzt um
Schadensbegrenzung. "Wichtig ist, dass das Endlager nach Atomrecht, und nicht
wie geplant, nach Bergrecht geschlossen wird", fordern sie. Die Grünen fühlen
sich durch ein neues Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD)
des Landtages bestätigt, das sie selbst in Auftrag gegeben haben. Darin kommen
die Landtagsjuristen zu dem Schluss, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand bei
der Schließung des Lagers das Atomrecht angewendet werden sollte. Überdies
hätten die Anwohner die Möglichkeit, ein atomrechtliches
Planfeststellungsverfahren einzuklagen. Die Frage, welches rechtliche Verfahren
zum Zuge kommt, ist von großer Bedeutung. Denn nach Atomrecht muss die
Öffentlichkeit beteiligt werden, es müssen unabhängige Wissenschaftler gehört
und verschiedene technische Verfahren geprüft und abgewogen werden. Viele
Anwohner fordern, dass der eingelagerte Abfall wieder aus dem Bergwerk
herausgeholt wird. Der Betreiber GSF ist skeptisch. Das sei viel zu gefährlich,
denn der Müll müsste von Arbeitern mit Hacke und Schippe freigeschaufelt werden,
heißt es. Außerdem wisse man nicht, wie viel Zeit noch bleibe. Sollten die
Laugenzuflüsse – derzeit sind es 12,5 Kubikmeter am Tag – plötzlich stark
zunehmen, könnte das Bergwerk in kürzester Zeit absaufen. Davor hatten Kritiker
wie der Göttinger Geologe Prof. Günter Herrmann schon in den siebziger Jahren
gewarnt. Obwohl genau dies beim Nachbarschacht Asse I passiert war, hatte die
GSF diese Gefahr stets heruntergespielt. Das 1964 stillgelegte Kali- und
Steinsalzbergwerk wurde als Stätte für Endlagerversuche ausgewählt. Verschiedene
Einlagerungsmethoden wurden erprobt, zum Teil wurden die Atommüllfässer einfach
in die Hohlräume gestürzt, wobei viele beschädigt wurden. Die wissenschaftlichen
Arbeiten endeten 1992. Inzwischen arbeitet die GSF an einem Konzept für die
Schließung der Deponie. Es sollte schon 2005 vorliegen, doch offenbar ist es
schwierig, die Langzeitsicherheit nachzuweisen. Das Bergwerk Asse gleicht einem
Hochhaus unter Tage, das schon ziemlich baufällig ist. Die riesigen Hohlräume,
von deren Decken große Salzbrocken abbrechen, werden derzeit mit Salz von der
Kalihalde Ronnenberg stabilisiert. Die GSF plant, die Hohlräume zusätzlich mit
Magnesiumchlorid zu verfüllen, damit der Müll nicht mit dem Grundwasser in
Kontakt kommt. Mit der Schließung der Asse werde erstmals die Endlagerung
radioaktiver Abfälle tatsächlich vollzogen, sagt Umweltminister Hans-Heinrich
Sander. Er will die Menschen in der Region umfassend informieren und anhören.
Dies sei allerdings auch in einem bergrechtlichen Verfahren möglich, meint der
Minister. Ein atomrechtliches Verfahren wäre erheblich teurer und aufwändiger.
Margit Kautenburger
www.haz.de/cgi-bin/siteyard/eigene/drucken.htd?story_id=290359&storypage=true&st
ory_headline=Vergessenes%20Atomlager%20macht%20Probleme
taz, 1.9.2006
Atommüll in Lauge
Im Versuchsendlager Asse II sollen 126.000 Fässer geflutet werden, die mit
radioaktivem Müll gefüllt sind
HANNOVER taz Darin sind sich alle einig: Das atomare Versuchsendlager Asse II
bei Wolfenbüttel muss geschlossen werden. Nur wie? Diese Frage sorgt jetzt für
Streit zwischen Umweltschützern und Behörden. Der Betreiber, das
Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF), will das einstige
Salzbergwerk und die darin deponierten 126.300 Atommüllbehälter mit
Magnesiumchlorid-Lauge fluten. Die GSF bereite derzeit den bergrechtlichen
Abschlussbetriebsplan vor, erklärte gestern ein GSF-Sprecher. Dazu werde auch
ein Sicherheitsbericht erstellt. Das reicht der BI "Aktion Atommüllfreie Asse"
aber nicht. Sie fordert für die Stilllegung ein Genehmigungsverfahren mit
Bürgerbeteiligung.
In das Versuchsendlager Asse II auf dem gleichnamigen Höhenzug bei Wolfenbüttel
wurden von 1967 bis 1978 rund 125.000 Fässer mit schwach radioaktivem Müll und
1.300 Behälter mit mittelaktivem Müll eingelagert. Die Abfallkammern, in die die
Müllbehälter gestürzt wurden, enthalten 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und
immerhin auch knapp 12 Kilo Plutonium. Seit Jahren fließen in das ehemalige
Salzbergwerk Asse II täglich knapp 12 Kubikmeter Wasser. Der schon lange
aufgegebene Nachbarschacht Asse I soff nach seiner Stilllegung ab. Das Bergwerk
Asse III füllte sich ebenfalls mit Wasser - und stürzte ein.
Darum findet auch das Bundesforschungsministerium (BMBF), das für das
Versuchsendlager verantwortlich ist, die nasse atomare Altlast müsse schnell
gesichert werden. "Mit der zügigen Schließung der Schachtanlage Asse" , so
schrieb Staatssekretär Frieder Meyer-Krahmer an den Kreis Wolfenbüttel, werde
ein "entscheidender Beitrag zur Sicherheit und Umweltverträglichkeit geleistet".
Dieser dürfe "nicht durch Verzögerungen gefährdet werden". Der niedersächsische
Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel stellte gestern ein Gutachten des
Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des niedersächsischen Landtages vor. Danach
muss für die endgültige Schließung des Versuchsendlager - es wurde vor
Inkrafttreten des Atomgesetzes geschaffen - ein atomrechtliches
Genehmigungsverfahren gemacht werden. Gebe es keine Beteiligung von Bürgern und
alternativen Experten, werde man per Klage ein atomrechtliches
Genehmigungsverfahren durchsetzen, sagte Seban Seehafer von der BI Atommüllfreie
Asse.
Bei einer Flutung der Abfälle mit Lauge befürchten BI und Landtagsgrüne, dass
Radioaktivität aus dem Bergwerk austritt. Das GSF versichert, dass für den
Sicherheitsbericht auch die Ausbreitung der Radioaktivität berechnet werde.
Damit solle nachgewiesen werden, dass Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung an
der Erdoberfläche eingehalten werden.
JÜRGEN VOGES
www.taz.de/pt/2006/09/01/a0102.1/text
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