[fessenheim-fr] 50 Jahre GKSS und Deutschlands Streben nach der Atombombe
Klaus Schramm
078222664-0001 at t-online.de
Mi Mai 17 13:14:41 CEST 2006
Hallo Leute!
Zum Thema >Atombomben-Versuche in der GKSS / Kontinuität der deutschen Politik,
in den Besitz der A-Bombe zu gelangen / Geschichte und Vorgeschichte der
GKSS< sende ich den (unten einkopierten) Artikel. Mein Artikel ist in der
heutigen Ausgabe der'JW' abgedruckt.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
50 Jahre GKSS und Deutschlands Streben nach der Atombombe
Das Kernforschungszentrum GKSS feiert heute 50-jährigen "Geburtstag". Die
Gründer der GKSS forschten bereits in der Nazi-Zeit an der Atombombe. War der
Brand am 12. September 1986 auf dem Gelände der GKSS Folge von
Atombomben-Experimenten?
Klaus Schramm
Daß Wissenschaftler auch heute in Deutschland an der Atombombe forschen, wird
offiziell geleugnet. Dennoch gibt es eine Vielzahl ernst zu nehmender Hinweise,
daß eine solche Forschung seit Beginn der Bundesrepublik bis heute nicht nur
geduldet, sondern mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. So wurde bekannt, daß
am IPP Garching bei München mit atomwaffenfähigem Uran hantiert wird.
Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO hatte - noch unter ihrem
früheren Vorsitzenden Hans Blix - von der deutschen Bundesregierung gefordert,
auf den Einsatz hochangereicherten Urans im Forschungsreaktor Garching 2 zu
verzichten. Dieser Forderung schloß sich der heutige Vorsitzende der IAEO,
Mohammed al-Baradei, vor wenigen Jahren an. Doch selbst der Protest der USA an
die deutsche Bundesregierung, in dem von einem Bruch des
Non-Proliferations-Abkommens die Rede ist, blieb wirkungslos. Und wo überall in
Deutschlands Forschungszentren an der Atombombe geforscht wird, ist selbst
vielen Wissenschaftlern nicht bekannt.
In unmittelbarer Nähe des AKW Krümmel rund 30 Kilometer vor den Toren Hamburgs
liegt das Kernforschungszentrum Geesthacht, kurz: GKSS. Heute feiert diese nach
eigener Darstellung zivile Forschungseinrichtung mit etlichen Veranstaltungen
ihren 50. Geburtstag. Zu einem Festakt in der Hamburger Fischauktionshalle sind
laut GKSS "über tausend Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" geladen.
In einer offiziellen "Information zur Geschichte des GKSS-Forschungszentrums"
findet sich kein einziges Wort zu Waffen-Forschung oder militärischen
Verbindungen. Die Broschüre erweckt den Eindruck, bei der GKSS handele es sich
um eine Forschungseinrichtung der Umweltbewegung.
Und gerade in jüngster Zeit hat die Bundesregierung allen Grund, jegliche
Atomwaffen-Forschung geheim zu halten. Denn internationale Brisanz erhält dieses
Thema durch die Kriegsdrohungen gegen den Iran. Der iranischen Führung wird
vorgeworfen, nicht allein am Bau "friedlicher" Atomkraftwerke, sondern auch am
Bau einer Atombombe interessiert zu sein. Dabei ist längst nachgewiesen, daß
sämtliche Staaten, die in den Besitz des Know-hows zum Bau von Atomkraftwerken
gelangten, auch Ambitionen zeigten, in den "Club der Atommächte" aufzurücken.
Nicht zuletzt die USA selbst haben längst in aller Öffentlichkeit eingeräumt,
den Atomwaffensperrvertrag mißachtet zu haben, indem sie innerhalb der letzten
zehn Jahre Mini-Atomwaffen ("Mini-Nukes") entwickelten. Groß ist offenbar die
Versuchung, diese nun auch zu testen. Nun drohen die US-Regierung ebenso wie der
französische Präsident Chirac dem Iran mit einem atomaren Erstschlag, um so
angeblich zu verhindern, daß das iranische Regime sich die Besitzer von
Massenvernichtungsmitteln zum Vorbild nimmt.
Daß auch Deutschland bis in die jüngste Vergangenheit Ambitionen zeigte, die in
der Folge des Ersten Weltkriegs auferlegte Beschränkung in der
Atomwaffen-Forschung zu beseitigen, zeigt sich nicht nur am Beispiel Garching.
Auf der Ebene internationaler Vertragswerke werden beachtliche Verschiebungen
deutlich. Seit 1990 das Kriegswaffenkontrollgesetz geändert wurde, ist es der
Bundesrepublik nunmehr erlaubt, im "Rahmen der NATO" Atomwaffen-Forschung zu
betreiben. Doch wo in Deutschland wird solche Forschung betrieben?
Am 12. September 1986 wurde bei einem Brand auf dem Gelände der GKSS in
Geesthacht radioaktives Material freigesetzt. Immer mehr Fakten deuten darauf
hin, daß es sich um einen Unfall bei Experimenten zur Entwicklung von
Mini-Atombomen ("Mini-Nukes") handelte. Über Jahre hin wurde von Atom-Lobby,
Behörden und Politik versucht, diesen Unfall zu vertuschen. Nach der für
Leukämie typischen Latenzzeit von vier Jahren mußte ab 1990 in einem engen Kreis
um die Atom-Anlagen eine eklatante Häufung von Leukämie-Erkrankungen überwiegend
bei kleinen Kindern registriert werden. Eine Häufung von Leukämie-Fällen in
dieser Konzentration ist bisher weltweit sonst nirgendwo beobachtet worden.
Durch international anerkannte Wissenschaftler einer Untersuchungskommission,
mit Hilfe der atomkritischen Ärzte-Organisation IPPNW, der 'Bürgerinitiative
gegen Leukämie in der Elbmarsch' und nicht zuletzt durch einen couragierten
Dokumentarfilm im Auftrag des ZDF, gesendet am 2. April 2006 um 23.30 Uhr, kommt
nun allmählich Licht ins Dunkel eines "Skandals, der in Deutschland
seinesgleichen sucht" (Frankfurter Rundschau). Zeugen meldeten sich erstmals
öffentlich zu Wort, die den Brand beobachtet hatten. Radioaktive Kügelchen, die
sich an einer Vielzahl von Stellen um die GKSS fanden, erwiesen sich - nachdem
sie mehrfach durch Institute in staatlichem Auftrag als völlig harmlos
qualifiziert worden waren - als industriell gefertigt und in ihrer
Zusammensetzung hochgefährlich.
Diese sogenannten Mikrosphären enthalten Plutonium, Americium, Curium und
Thorium in Konzentrationen, die so in der Natur nicht vorkommen. Eine
Untersuchung an der Minsker Sacharow-Universität durch den international
renommierten Experten für Plutoniumverortung Professor Mironov ergab zudem, daß
es sich weder um Fall-Out früherer oberirdischer Atomwaffenversuche, noch um
Spaltprodukte aus der Wolke der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl handeln kann.
Diese Mikrosphären sind mit einer Titan-Ummantelung versehen. Art und Aufbau der
Mikrosphären verweisen darauf, daß sie aus einer Hybridanlage stammen, bei der
Kernreaktionen zur Energiefreisetzung genutzt werden sollten. Wurden an der GKSS
Experimente durchgeführt, die der Entwicklung von Mini-Atombomben dienten?
In der schleswig-holsteinischen Landesregierung ist das Sozialministerium für
die Reaktorsicherheit zuständig. Die GKSS mit ihrem Forschungsreaktor fällt in
dessen Zuständigkeit. Auf Anfrage erklärte die Pressesprecherin des
Sozialministeriums Randy Lehmann, es seien keine weiteren Untersuchungen der an
der Sacharow-Universität Minsk untersuchten Mikrosphären vorgesehen. Im übrigen
sei die Übergabe von Proben von Seiten der Bürgerinitiative 'Leukämie in der
Elbmarsch' sowohl dem Ministerium als auch der GKSS verweigert worden. Die
Umweltschützer verweisen darauf, daß diese Kügelchen ohne großen Aufwand in der
Umgebung der Atomanlagen zu finden seien. Im übrigen wurden die Proben, die an
der Sacharow-Universität untersucht wurden, in Anwesenheit eines Notars
genommen.
Das Kernforschungszentrum bei Geesthacht mit dem Tarnnamen GKSS, "Gesellschaft
für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt GmbH", ist bereits seit
seiner Gründung in die Entwicklung von Militär-Technologie verwickelt. 1989
erschien eine Dokumentation mit dem Titel 'Atomforschung in Geesthacht -
Schleichwege zur Atombombe?' Eine fünfköpfige Redaktionsgruppe deckte auf, daß
die GKSS mit anderen Kernfoschungszentren zusammen eine Infrastruktur aufgebaut
hatte, die Plutoniumwirtschaft im Labormaßstab ermöglichte. Der frühere SPD
Forschungsminister Volker Hauff wird mit der Äußerung zitiert, es handele sich
dabei um eine ausreichende Infrastruktur zum Bau einer Atombombe. Die
Geesthacher Forscher beschäftigten sich demnach bereits seit den 50er Jahren mit
Atombomben-Technologie.
Atomtransporte aus Geesthacht fuhren unter anderem direkt in die militärische
"Wiederaufarbeitungsanlage" im französischen Marcule. Ein weiterer in dieser
Schrift dokumentierter Transport erweist sich aus heutiger Sicht als weitaus
brisanter: Im Zeitraum zwischen dem 15.9.1986 - also drei Tage nach dem Brand -
und dem 14.9.1987 wurden "bestrahlte Brennstabsegmente" ins bayerische Karlstein
verfrachtet (oder handelte es sich um Karlstein am Main, dem Sitz der KWU?). Von
"Segmenten" ist in Transport-Protokollen sonst nie die Rede. Brennstäbe sind
versiegelt und unterliegen der Spaltstoffkontrolle der IAEO. Auch der Zielort
Karlstein ist als "Endlager" reichlich dubios. Eigentlich ein Fall für die
Staatsanwaltschaft.
Gegründet wurde die GKSS 1956 von den Kernphysikern Erich Bagge und Kurt
Diebner. Wer sich mit der Geschichte der Entwicklung einer deutschen Atombombe
in der Nazi-Zeit befaßt hat, kennt diese Namen. Sie stehen neben Otto Hahn, Carl
Friedrich Freiherr von Weizsäcker und Werner Heisenberg auf der Liste der zehn
deutschen Kernphysiker, die von den Alliierten vom 3. Juli 1945 bis zum 3.
Januar 1946 im englischen Farm Hall interniert wurden.
Kurt Diebner war von Beginn an Leiter der NS-"Uranprojekts" und Gründer einer
Forschungseinrichtung in Gottow auf dem Gelände der Heeresversuchsstelle
Kummersdorf. Im Herbst 1944 begann Diebner in Gottow mit einem neuen
Reaktorversuch, in dessen Verlauf es zu einem Unfall kam. Die Umstände sind bis
heute nicht eindeutig geklärt, aber es müssen bei diesem Unfall mehrere
Mitarbeiter verstrahlt worden sein.
Nachgewiesen sind Versuche Diebners zwischen 1943 und 1944 mittels Implosion
thermonukleare Reaktionen einzuleiten. Ein "Verfahren zur Verwertung der
Fusionsenergie von Deuterium und Tritium mit Hilfe konvergenter, periodischer
Verdichtungsstöße" hat Diebner nach dem Zweiten Weltkrieg alsbald zum Patent
angemeldet (Patent 1414759). Diese später als ICF-Verfahren (Inertial
Confinement Fusion oder Trägheitseinschlußfusion) bekannte Methode hat
Jahrzehnte später bei der US-amerikanischen Entwicklung von Mini-Atombomben, den
sogenannten Mini-Nukes, zum Durchbruch geführt. Forschungsschwerpunkte auf dem
ICF-Gebiet existierten in den 80er Jahren nicht nur im GKSS, sondern auch im
Kernforschungszentrum Karlsruhe, der GSI in Darmstadt und am IPP Garching.
1947 gründete Diebner in Hamburg die Firma Durag. Ab Mai 1955 meldete er auch
gemeinsam mit Professor Erich Bagge zahlreiche Reaktorpatente an. Darunter
befinden sich unter anderem Patente zum Schnellen Brüter sowie zur
Plutoniumgewinnung und -separation. Zwei Patentanmeldungen erfolgten 1955
zusammen mit Dr. Friedwardt Winterberg zu thermonuklearen Bomben (Mini-Nuke,
boosted weapon).
Am 4. März 1957 erschien Diebners Name in der deutschen Presse mit der
Ankündigung, er habe das "Geheimnis der Kernverschmelzung" enträtselt. Das
Nachrichtenmagazin 'spiegel' brachte am 20. März 1957 ein größerer Artikel
hierüber, doch die wissenschaftlichen Erwartungen konnten nicht erfüllt werden.
Die Erforschung der Fusion blieb dennoch weiterhin Diebners Spezialgebiet und
führte zu weiteren Patentanmeldungen.
Erich Bagge arbeitete in der NS-Zeit in der "Gruppe Diebner", benannt nach dem
Leiter des Kernforschungsreferats in Hitlers Heereswaffenamt, Dr. Kurt Diebner.
Die mit großem Enthusiasmus vorangetriebene Aufgabe dieser Gruppe bestand in der
Entwicklung einer deutschen Atombombe. 1939 war das Jahr, in dem der globale
Wettlauf um den Erstbesitz der Atombombe begann. Von den Nazis wurde bereits
Anfang 1939 der Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und
Mitglied im Reichsforschungsrat, Prof. Abraham Esau, mit der Organisation einer
Geheimkonferenz beauftragt. Auf dieser Konferenz zum "Uranproblem", die in
Berlin am 29. April 1939 stattfand, wurden eine Reihe von wichtigen Festlegungen
getroffen. So wurden umgehend die in den böhmischen Gruben von Joachimsthal
geförderten Uranerze der alleinigen deutscher Nutzung unterstellten. Das
NS-"Uranprojekt" wurde ins Leben gerufen und deutsche Kernphysiker in
Forschungsgruppen zusammengefaßt, um effektiv an der Entwicklung der Atombombe
zu arbeiten.
Parallel arbeiteten im Nazi-Deutschland Forschergruppen um Paul Harteck an der
Uni Hamburg (später in Celle: Isotopentrennung!), um Heisenberg und Döpel an der
Uni Leipzig, um Bothe am Kaiser-Wilhelm-Institut für Medizin Heidelberg, und um
von Weizsäcker und Wirtz am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin an
derselben Zielsetzung. Das Heereswaffenamt beschlagnahmte in der Folgezeit das
KWI in Berlin und setzte dort Diebner als Leiter ein. Ziel der ab 1939 im
"Uranprojekt" koordinierten Forschergruppen war - wie eine Reihe erhaltener
Unterlagen beweist - die Schaffung der technischen Grundlagen zum Bau der
Atombombe. Bereits im März 1943 hatte die Gruppe um Harteck herausgefunden, daß
durch die Hintereinanderschaltung mehrerer Zentrifugen die nötige Anreicherung
von Uran-235 erreicht werden kann.
Bagge bestritt zwar in späteren Jahren gelegentlich, jemals etwas mit der
Entwicklung der NS-Atombombe zu tun gehabt zu haben. Doch seine eigenen
Schriften legen Zeugnis darüber ab, daß er eine zentrale Rolle bei dieser
"kriegswichtigen Forschung" gespielt hatte. Zusammen mit Diebner veröffentlichte
er 1957 ein Taschenbuch, in dem auch sein Tagebuch über diese Zeit
veröffentlicht ist (Bagge/Diebner/Jay: Von der Uranspaltung bis Calder Hall,
Reinbek 1957). Zwischen 1941 und 1943 entwickelte Bagge die Isotopenschleuse,
ein Gerät zur Anreicherung des Urans bis zu einem bombenfähigen Grad.
Auch Erich Bagge faßte nach dem Zweiten Weltkrieg in der jungen Bundesrepublik
schnell wieder Fuß. Bereits 1948 wurde Bagge zum Außerordentlichen Professor und
Abteilungsleiter des Physikalischen Staatsinstituts in Hamburg berufen. Er
gründet das Institut für Reine und Angewandte Kernphysik der Uni Kiel. Durch
Professor Bagge bestand von Anfang an eine enge Verbindung mit dem
Forschungsreaktor Geesthacht, der später durch die Gesellschaft für
Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) als Trägerorganisation
betrieben wurde.
Als Publikations-Organ gab Professor Erich Bagge die Zeitschrift
'Atomkernenergie' heraus. Mitherausgeber war Professor Kraut von der
Bundeswehrhochschule in Neubiberg. Im erweiterten Herausgeberkreis sind die
Namen Friedwardt Winterberg und Prof. W. Seifritz zu finden. Letzterer ein
Schweizer Atomwaffenspezialisten vom Atomzentrum Würenlingen. Winterberg
veröffentlichte in dieser Fachzeitschrift 1956 einen Beitrag, der technische
Details verschiedener thermonuklearer Reaktionen behandelt und spezifische
Kenntnisse von der Funktionsweise der Wasserstoffbombe verrät. Bei der
Wasserstoffbombe handelt es sich um eine Atombombe, deren Wirkungsweise auf der
Energiefreisetzung durch Kernfusion beruht.
Bagge unterhielt auch immer enge politische Kontakte. Nach dem Zweiten Weltkrieg
sicherte ihm sein Sitz in der Atomkommission Einfluß im Atomministerium. Er
konnte sich zudem freundschaftlicher Beziehungen zu Franz Josef Strauß rühmen.
Neben Diebner und Bagge waren beim Aufbau des GKSS weitere Personen mit
unrühmlicher Vergangenheit beteiligt. So Paul Harteck (auch er stand auf der
Liste der zehn brisantesten deutschen Kernphysiker und gehörte während der
NS-Zeit zur "Gruppe Diebner") und der zum Generaldirektor der AG Weser
aufgestiegene Heinrich Schliephake, der 1944 als Direktor bei Blohm + Voss
maßgeblich bei der Einrichtung eines KZ-Außenlagers mitgewirkt hatte.
Nachgewiesen werden können darüber hinaus Auftragsarbeiten der GKSS für die
Bundeswehr in den 60er Jahren. Franz Josef Strauß, 1955 und 1956 Atomminister,
von 1956 bis 1962 Rüstungsminister und von 1966 bis 1969 Finanzminister in einer
"schwarz-roten" Bundesregierung bekannte in seiner Autobiographie stolz: Bereits
1958 hatten der deutsche, der französische und der britische Außenminister bei
einem Geheimtreffen ein Abkommen zur geheimen Produktion von Atomwaffen
unterzeichnet.
Die wissenschaftlichen Einrichtungen und Erkenntnisse der GKSS wurden
insbesondere von der deutschen Industrie genutzt. Darunter befanden sich
prominente Rüstungs-Konzerne wie MTU München, Rheinmetall, Rohde & Schwarz, HDW
Kiel und das durch seine U-Boot-Blaupausen bekannte Ingenieurkontor Lübeck
(IKL). Mehrfach arbeitete die GKSS auch direkt mit militärischen Einrichtungen
zusammen, so mit den Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München. In den 80er
Jahren führte die Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für
ABC-Schutz Bestrahlungsversuche in den Forschungsreaktoren der GKSS durch.
Im November 2004 äußerte der Münchner Strahlenmediziner Edmund Lengfelder,
Mitglied der Leukämie-Kommission, gegenüber der 'Süddeutschen Zeitung'
(2.11.2004) den Verdacht, daß es sich bei den gefundenen Mikrosphären um
PAC-Kügelchen handele. Die Bezeichnung PAC leitet sich ab von den drei Isotopen
Plutonium, Americium und Curium. Solche Kügelchen wurden als Bestandteile der
Brennstoffkugeln des Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm-Uentrop produziert,
der nach nur zweijährigem Betrieb im Jahr 1989 stillgelegt werden mußte.
Die im THTR eingesetzten Brennelementkugeln mit einem Durchmesser von rund 6
Zentimeter enthalten jeweils mehrere tausend PAC-Kügelchen. Diese oder ähnlich
aufgebaute Mikrosphären könnten - so Lengfelder - auch benutzt werden, um damit
unter Laser-Beschuß nukleare Mini-Explosionen auszulösen. Etlichen Physikern aus
dem Umfeld des GKSS veröffentlichten Publikationen in Fachzeitschriften, die ihr
Interesse an eben solchen Experimenten belegen. Lengfelder vermutet, daß es am
12. September 1986 bei solchen illegalen Experimenten zu einem schweren Unfall
kam. Ein solcher Hintergrund des Unfalls wäre ein plausibles Motiv für die
hartnäckige "Mauer des Schweigens" (ZDF). Darüber hinaus ist es naheliegend, daß
mit einem solchen Skandal 1986 in Deutschland - nur ein halbes Jahr nach der
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl - ein tatsächlicher Ausstieg aus der
Atomenergie, wie er in Italien zu jener Zeit realisiert wurde, auch in
Deutschland besiegelt gewesen wäre. "Das Geständnis eines Unfalls (...) hätte
den Atomenergie-Konzernen das Geschäft vermutlich auf Dauer verdorben", so die
'Frankfurter Rundschau'.
Ein weiterer Fund bestätigt die Vermutung Lengfelders: Der Berliner Physiker
Sebastian Pflugbeil von der 'Gesellschaft für Strahlenschutz' stieß auf
Stasi-Dokumente über bundesdeutsche Nuklearforschungen. In diesen Unterlagen der
Abteilung 5 der Hauptabteilung XVIII von 1987 ist tatsächlich von "Mininukes"
die Rede, an denen in der BRD gearbeitet werde und die man mit Hilfe eines
Röntgen-Lasers zur Explosion bringen könne. Darin heißt es: "Interessanterweise
sind in der letzten Zeit die Erfolg versprechendsten Fusionskonzepte in einer
ganz anderen Richtung angelegt worden", die ergeben haben, daß bei
"Fusions-Fissions-Kügelchen eine andere Anwendung wesentlich interessanter ist".
Das werde "durch die Zielrichtung der US-amerikanischen Atompolitik
unterstützt", bei der "das Streben der Kernwaffenforschung eindeutig zu
kleineren und leichteren Kernladungen (...) geht". Weiter ist in diesem
MfS-Dokument die Rede von Kügelchen mit Abmessungen im Millimeter- bis
Zentimeter-Bereich, die gigantische Sprengstärken entwickeln. Gegen diesen
Dokumenten-Fund des früheren DDR-Bürgerrechtlers Pflugbeil wird auffallend
schnell das Totschlag-Argument in Stellung gebracht, sämtliche Stasi-Unterlagen
seien allein zur Desinformation produziert worden.
Der Brand in der GKSS war nicht der einzige größere Unfall in jener Zeit, der
unter den Teppich gekehrt werden sollte. Im Januar 1987 ereignete sich eine
Explosion im NUKEM-Werk in Hanau, die nicht völlig vertuscht werden konnte. Nach
offiziellen Angaben wurde bei der "Panne" lediglich eine Person durch
Freisetzung von Plutonium aus einer kleinen Probe kontaminiert. Laut Aussagen
eines mit der Untersuchung der Betroffenen betrauten Wissenschaftlers seien
jedoch tatsächlich 36 Arbeiter einer Strahlendosis weit über dem zulässigen
Grenzwert ausgesetzt gewesen. Viele dieser Arbeiter seien heute an Krebs
erkrankt, doch sie würden nicht an die Öffentlichkeit gehen, weil sie um ihre
Betriebsrente fürchteten.
Als das von der Explosion zerstörte Gebäude in Hanau 2003 abgerissen und nach
den entsprechenden Entsorgungsrichtlinien abgetragen wurde, war die Beteiligung
der örtlichen Behörden unvermeidbar. NUKEM-Ingenieur Paul Börner äußerte während
dieser Arbeiten gegenüber einem Beamten: "Jetzt, wo es verjährt ist, kann ich es
ihnen ja sagen: Das ist das Gebäude, das uns damals hochgegangen ist."
Protokolliert ist diese Aussage in den Akten der Hanauer Staatsanwaltschaft.
Anfang 1987 war Joseph Fischer "Umwelt"-Minister in Hessen. Laut Zeugen war er
vom Ausmaß des Unfalls in Hanau, sowohl von den Hintergründen als auch von den
Folgen, umfänglich informiert. Auch er hielt dicht.
In der Umgebung der Unfallstelle in Hanau fanden sich ebenfalls ominöse
Brennstoffkügelschen. Im Unterschied zu jenen in der Umgebung von Geesthacht
hatten sie jedoch keine auffällige Häufung von Leukämie-Fällen zur Folge. Wurde
in Geesthacht und in Hanau an verschiedenen Konzepten zur Entwicklung der
Mini-Atombombe geforscht? Eine genauere Untersuchung der verschiedenen
Mikroshären mit Durchmessern von 5, 20 und 50 Mikrometern hätte längst darüber
Aufschluß geben können. Doch eine Aufklärung konnte bislang von einer
gemeinsamen Front aus Atom-Mafia, Behörden und Politikern jeglicher Couleur
blockiert werden.
Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr