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<body bgcolor="#FFFFFF" text="#000000">
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Jochen Tittel zur gegenwärtigen Debatte.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Auch ich habe mich zunächst darüber gefreut, daß die
Debatten-Liste nach langem Schweigen wieder zum Leben erwacht
ist. Allerdings hat sich dann bald Enttäuschung breitgemacht
angesichts des Eindrucks – meines Eindrucks - , daß sich in den
Auseinandersetzungen seit Jahren (oder Jahrzehnten) nichts
weiterentwickelt hat und immer wieder die gleichen Gegensätze
aufeinanderprallen. Seit Tagen bin ich hin und hergeworfen, ob
ich mich dazu zu Wort melde oder nicht, da ich auch – wie wohl
einige andere – Schwierigkeiten habe herauszufinden, wer mit
welchem Beitrag auf wen antwortet oder sich worauf bezieht.
Letztlich denke ich aber, daß ich das, was ich sagen will, auch
ohne diese vollständige Aufklärung sagen kann.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Wenn ich es richtig sehe, besteht die laufende Debatte
aus den Positionen von Arnold Schiller, Arfst Wagner und einigen
Kommentaren von anderen, die sich mehr oder weniger darauf
beziehen.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Im großen Ganzen schließe ich mich den Argumenten von
Arfts an und werde mich an der Parteigründung nicht beteiligen;
dennoch finde ich auch einige von Arnolds Argumenten durchaus
bedenkenswert. Was mich aber vor allem dazu drängt, in diese
Debatte einzugreifen, sind nicht die einen oder die anderen
Sachargumente, sondern die Art und Weise, wie diese Debatte
geführt wird und das war schon vor zwei oder drei Jahren der
gleiche Grund, als ich dieser Liste beigetreten bin. Diese Art,
Fronten aufzubauen und Lager zu bilden ist in allen
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu beobachten. Und alle
diskutieren aus der Haltung heraus: Ich bin der Wissende; also
sind jene, die anderes sagen, die Unwissenden; einfacher
ausgedrückt: Ich bin der Kluge, die anderen die Dummen; oder:
Ich bin der Gerechte, also sind die anderen die Ungerechten; Ich
bin der Gute, die anderen sind die Bösen. …</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Die am weitesten verbreitete Form der „Gerechtigkeit“
auf unserer Welt und in unserer Zeit ist scheinbar die
Selbstgerechtigkeit. … !</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Natürlich (oder zum Glück) finde ich in der laufenden
Debatte – wie auch bei anderen Zusammenhängen – auch Ansätze für
wirkliches miteinander sprechen, aufeinander hören, einander
anerkennen, daß es – bzw. der oder die andere – zunächst eben so
ist, wie er, sie, es ist. Aber die Versuchung scheint überall
groß, das jeweils Andere in einer vorgefaßten Weise zu
interpretieren und diese Interpretation dann für die Sache
selbst zu nehmen.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Ich könnte unzählige Beispiele dazu anführen, will aber
nur das eine in dieser laufenden Debatte erwähnen, daß einer der
Teilnehmer die Behauptung – oder vielleicht nur die Vermutung
äußerte, es habe sich ein BGE-Gegner in die Debatte
eingeschlichen. Als ich das las, war mir rätselhaft, wer damit
gemeint sein könnte. Als sich dann herausstellte, daß damit
Arfst gemeint sei, empfand ich das als vollkommen absurd. Wer es
bis jetzt nicht gewußt hat, den hat Arfst ja hier über sein
Engagement für des BGE hinreichend aufgeklärt und schließlich
ist dieses Mißverständnis auch aufgeklärt und beseitigt worden.
Aber wenn wir nicht unsere selbstgerechte Haltung aufgeben, wird
es immer wieder solche Mißverständnisse geben und wir werden
ewig – wie Sisyphus – die selben Lasten wälzen, ohne etwas zu
erreichen.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Ein Gespräch bzw. eine Debatte abzubrechen, weil man
den Eindruck hat, es kommt nichts dabei heraus, ist in der Tat
die schlechteste Entscheidung die man in so einer Situation
fällen kann. Meistens denkt man sich dabei, die anderen müßten
doch endlich Einsicht zeigen. Diese Anderen denken aber ebenso
über uns … Was ist schließlich das Ergebnis: es bilden sich
feindliche Lager.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Natürlich sind wir alle von unserer eigenen Meinung,
unseren eigenen Ansichten und Einsichten, unserer eigenen
Haltung überzeugt, daß es die richtigen – oder wenigstens die
bestmöglichen – sind; so wie auch „die Anderen“. Daß daraus aber
die Schußfolgerung gezogen wird, daß Irrtümer nur den anderen
unterlaufen könnten, ist falsch. Noch schlimmer ist es aber,
wenn wir dann womöglich böse oder unlautere Absichten
unterstellen. Die gibt es zwar wirklich mitunter, aber das muß
man dann mit Fakten belegen.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Für den Augenblick scheint es unnütz und mühselig
weiter zu diskutieren, wenn man sich scheinbar im Kreise dreht
und man glaubt, es wäre einfacher das abzubrechen. Mit ein wenig
Weitsicht erkennt man aber, daß aufgeschoben nicht aufgehoben
ist; die selben Probleme und Konflikte tauchen immer wieder auf.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Einige werden jetzt vielleicht denken, daß es eine
Illusion sei, daß man grundsätzlich bei allen Disputen zwischen
Vertretern gegensätzlicher Standpunkte immer zu einer Einigung
kommen könnte, und das will ich auch gar nicht behaupten. Aber
es ist ebenso eine Illusion, daß es grundsätzliche Unterschiede
gäbe, über die man sich nicht verständigen könnte. Das hängt
eben vom Willen, der Einsicht und der Haltung der Disputanten
ab. </font> </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Ich habe eben den Begriff „Standpunkt“ gebraucht; in
diesem Wort steckt schon ein Aspekt des Scheiterns einer
Verständigung. Ein Standpunkt ist etwas, worauf man beharrt, man
bleibt eben auf diesem Punkt stehen. Da kann nichts dabei
herauskommen, wenn alle sich so verhalten. Deshalb sollten
Gesprächsteilnehmer (oder vielleicht auch besser: Teilgeber)
nicht mit einem Standpunkt in die Debatte gehen, sondern mit
einem Ausgangspunkt. Und sie – wir – sollten uns des
Unterschieds bewußt sein.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Eine andere wichtige Unterscheidung wird in der Regel
in unserem gesellschaftlichen Alltag nicht beachtet und so
steuern wir unbemerkt und unbegriffen in eine Katastrophe. Um zu
erklären, worum es mir geht, hole ich ein bisschen aus. Nach der
„Wende“, also der Einverleibung der DDR in die BRD, war ich
einige Jahre als Schöffe am Gericht tätig. Dabei hatte ich das
Glück, daß ich längere zeit mit einem sehr guten Richter
zusammenwirken konnte. Von ihm habe ich gelernt, daß in einem
Gerichtsverfahren nicht Menschen, sondern ihre Taten be- und
verurteilt werden. Diese Unterscheidung ist aber leider nicht
allen Richtern und Justizangestellten bewußt. Und in der
gesellschaftlichen Öffentlichkeit und im allgemeinen Bewußtsein
der Menschen scheint diese weise Einsicht völlig verloren,
obwohl sie irgendwo im Gesetz formuliert ist.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Wir können Menschen nicht be- und dürfen sie nicht
verurteilen, weil wir uns dazu über sie erheben müßten – was wir
nicht können. Taten, Meinungen, Haltungen können wir beurteilen
und gegebenenfalls auch verurteilen, aber auch da ist Vorsicht
geboten, weil die Zusammenhänge oft nicht leicht überschaubar
sind. Aber wer urteilt, ohne den Unterschied zu machen, der
überschreitet seine Kompetenz und wird schuldig.</font></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-weight: normal" align="LEFT"><font
size="3">Einen herzlichen Gruß an alle, die sich hier tummeln.</font></p>
</body>
</html>