<html><head></head><body><div style="font-family: Verdana;font-size: 12.0px;"><div>
<div>Hi Jochen,</div>

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<div>Wie Du z.B. http://www.staatsbuergersteuer.de/TauschGeldZins.htm#TGZ3.5 entnehmen kannst oder noch fundamentaler meiner Kritik des Capital Asset Pricing Modells in http://www.staatsbuergersteuer.de/CAPM.htm bin ich mit Dir der Meionung, dass bestimmte Ökonomie-Experten mit ihren Empfehlungen auf extrem unsicherem Boden operieren und sich mit ihren Theorien gegen die Wirklichkeit immunisiert haben, d.h. Zusammenhänge behaupten, die in der Realität nicht vorhanden sind.</div>

<div>In einem früheren Diskussionsbeitrag habe ich dies als Dummheit zweiter Art bezeichnet.</div>

<div> </div>

<div>Das Problem ist, dass es in diesen Realitätsfeldern praktisch keine verlässlichen Modelle gibt, die noch dazu ihre eigenen Grenzen kennen. Dies verführt manche Theoretiker dazu, ihre Theorien als Glaubenssätze zu etablieren. Ihnen geht es ähnlich wie z.B. Regentänzern (http://de.wikipedia.org/wiki/Regentanz) bei primitiveren Völkern oder Teufelsaustrieber in manchen christlichen Sekten oder entsprechenden anderen religiosen Ritualen: Da man nix genaues weiß, etabliert man einen Mythos.</div>

<div>Er ist im besten Fall nicht schädlich, führt aber, insbesondere wenn der Glaube daran radikale Formen annimmt,  oft zu unsinnigen und gelegentlich tödlichen Konsequenzen. ("Und willst Du nicht mein Bruder sein ..."</div>

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<div>Wie weit Hegel zu den Philosophen gehört, die für ihre Theorie die totale Gültigkeit behaupten, weiß ich auch nicht. Ich kenne zumindest keine Stelle, an der er dies behauptet. "<em>Ich finde aber schon Deine Forderung eines Philosophischen Systems mit sauber definierten Axiomen und ebensolchem Begriffssystem als einseitig rationalistisc</em>h." Ich fordere lediglich, dass etwas, auf das Gödels Satz anwendbar sein soll, auch den Voraussetzungen von Gödels Satz genügen muss. dazu gehören eben sauber definierte Axiome und ein entsprechendes Begriffssystem. Über Philosophien mit unsauberen definierten Begriffen sagt Gödel lediglich, dass diese Philosophien erst mal ihre Begriffe klären müssen, bevor über Kosequenzen und logische Wahrheiten nachgedacht werden kann. Über empirische oder <strong>reale Wahrheiten sagt keine Philosophie etwas aus.</strong> Sie kann bestenfalls Modellaussagen machen, die sich empirisch überprüfen lassen müssen. Erfolgreiche Überprüfung stärkt das Vertrauen in diese Theorie. Eine Falsifikation zerstört das Vertrauen.</div>

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<div>Ökonomie-Experten, die ihre Theorien als Glaubenssätze formulieren, geht es wie den Regentänzern. Sie versprechen hilflosen Politikern dann Regen, wenn diese nur die richtigen Tänze aufführen. Wie bei den Regentänzern klappt das ja, auch wenn man auf den Erfolg vielleicht lange warten muss. Füher waren Wetterfrösche in einer ähnlichen Lage: sie sagten so lange ein bestimmtes Wetter voraus, bis es einmal tatächlich eintrat. Beim Wetter ist man inzwischen ein bischen besser geworden. Auch bei der Medizin ist durch die<em> Vier Säfte Lehre</em> des Galenus viel Leben zerstört worden, ohne das diese Theorie als das erkannt worden wäre, was sie ist, nämlich Dummheit zweiter Art.</div>

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<div>Was es noch schlimmer macht, ist das Denkverbot, mit dem Okonomie-Experten ihre Theorien und Empfehlung belegen, weil jeder Zweifel die Wirksamkeit ihrer Empfehlung reduziert und den von der Empfehlung Betroffenen zeigt, dass sie könnten einer Illusion unterliegen könnten. Auch die katholiche Kirche oder der Islam kennen und fordern Denkverbote. </div>

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<div>Hier im Überfluss ausreichend produzierte Nahrung wird oft in Notstandsgebiete transportiert. Ob man den Menschen dort damit nachhaltig hilft, bezweifle ich. Damit untergräbt man alle Aktivitäten, vor Ort eine selbstversorgende Landwirtschaft aufzubauen. Schon unsere Verschickung der Altkleider durch das DRK nach Afrika zerstört dort die Textilindustie. Es ist sinnvoller, die Menschen vor Ort so zu unterstützen, dass sie sich selbst helfen können. Nur Ignoranten meinen, Almosen bewirkten etwas anderes als die Erziehung zu Almosenempfängern. Was dieser Versuch anrichten kann, zeigt sich z.B. in Griechenland. Die<em> bösen Deutschen </em>wollen diesen <em>Armen</em> einfach kein Geld mehr geben. Das ist das Gegenteil von Erfolg und Dankbarkeit, nämlich <em>Hass auf die Deutschen</em>, weil diese den Griechen die Hilfe und die Kredite <em>aufgezwungen </em>haben. Leider weiß ich icht, wie eine Unterstützung aussehen soll, damit sie wirklich und nicht nur oberflächlich und kurzfrisig hilft. Als Entwicklungshelfer im Sudan habe ich genug fehlgeschlagene Projekte gesehen, mit denen unsere <em>Gutmeschen</em> geglaubt haben, sie täten etwas Gutes. Auch in anderen Ländern, die ich bereist habe, sieht es nicht viel anders aus. Die Mentalität der Menschen und die Zusammenhänge der Gesellschaft sind eben komplizierter und unser Wissen darüber ist ähnlich wie der von Galenus über die medizinischen Zusammenhänge.</div>

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<div>Bernd</div>

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<div>PS. War Marx ein Philosoph oder ein Ökonom? Ich vermute, dass er sich als Ökonom gesehen hätte, wenn es diese Wissenschaft damals schon gab.</div>

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<div>Bernd</div>

<div name="quote" style="margin:10px 5px 5px 10px; padding: 10px 0 10px 10px; border-left:2px solid #C3D9E5; word-wrap: break-word; -webkit-nbsp-mode: space; -webkit-line-break: after-white-space;">
<div style="margin:0 0 10px 0;"><b>Gesendet:</b> Montag, 09. März 2015 um 09:00 Uhr<br/>
<b>Von:</b> "Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen" <debatte-grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de><br/>
<b>An:</b> Debatten-Liste <debatte-grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de><br/>
<b>Betreff:</b> [Debatte-Grundeinkommen] Jochen Tittel an Bernd Starkloff (und Interessenten): noch ein paar Abschweifungen über Gödel und Philosophie</div>

<div name="quoted-content">
<div style="background-color: rgb(255,255,255);">
<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">Lieber Bernd,</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">wenn ich mich bezüglich der Begrenztheit der rationalistischen Weltanschauung auf Gödel beziehe und sage, daß sich Mathematik mit Philosophie berührt, dann will ich damit ausdrücken, daß die Gödelschen Ergebnisse meiner Meinung nach durchaus eine philosophische Relevanz haben. Ich habe auch nicht alle Einzelheiten von Gödels Beweisführung nachvollzogen (oder verstanden), habe nicht einmal die Originalarbeiten gelesen. Ich denke aber, daß ich die Kerngedanken verstanden habe. Vor allem über das Buch "Gödel, Escher, Bach ein Endloses Geflochtenes Band" von Douglas R. Hofstadter bin ich mit diesen Gedanken vertraut geworden (das wird auch auf der Wikipedia-Seite erwähnt), habe aber auch noch andere Arbeiten darüber gelesen. Hofstadter entwickelt den Gedanken am Beispiel der Entwicklung einer Programmiersprache recht anschaulich. Daß Physiker und Mathematiker in den meisten Fällen wissen, daß die Realität (oder die Wirklichkeit) nicht mit ihren Modellen identisch ist, das will ich nicht bestreiten; aber der Glaube, daß es vielleicht doch eine Weltformel geben könnte oder sogar müßte, ist doch auch noch bei machen Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit vorhanden (spielt sogar im Mainstream eine bestimmende Rolle). Die rationalistische Einseitigkeit zeigt sich aber noch an einer anderen Stelle; nämlich in der Überzeugung, daß nur meßbare, quantifizierbare Sachverhalte Wirklichkeit ausmachen, und daß nur rationale, beweisbare Aussagen - also formalisierbare - Wahrheit darstellen könnten. Und an dieser Stelle sagt uns Gödel, daß das nur die halbe Wahrheit sein kann. Das ist nach meinem Verständnis eine philosophische Aussage.</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">An eine Anwendung des Gödelschen Satzes auf ein philosophisches System hatte ich bei meiner Bemerkung überhaupt nicht gedacht, wenn wir es aber auf diese Weise betrachten wollten, so würde ich meinen, daß Hegels Philosophie zumindest von der Tendenz her dafür in Frage käme. Ich finde aber schon Deine Forderung eines Philosophischen Systems mit sauber definierten Axiomen und ebensolchem Begriffssystem als einseitig rationalistisch. Zwar schließt Philosophie solche Formen nicht aus, aber sie erschöpft sich auch nicht darin. Trotz verschiedener Gemeinsamkeiten, die ich auch immer wieder betonen möchte, habe ich den Eindruck, daß hier ein Punkt berührt wird, an dem wir irgendwie aneinander vorbeireden.</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">Insbesondere in der Ökonomie hat das rationalistische Paradigma verheerende Folgen, weil Modelle, die mit der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit kaum noch Berührung haben, dann doch zu Leitlinien für ökonomische Entscheidungen führen, deren Risiken und Nebenwirkungen Menschenleben kosten. (Ich denke da etwa an die Millionen Hungertoten jährlich, obwohl Nahrungsmittel in ausreichendem Maße vorhanden sind; es nur nicht profitabel ist, sie so zu verteilen, daß niemand verhungern muß.)</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">Zu deinem PS.: Habe ich etwas wesentliches übersehn? (Es gab Kommunikationsstockungen mit Matthias Bloecher, die sind aber jetzt überwunden.)</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">Herzlichen Gruß (auch an eventuell Mitlesende)</p>

<p style="margin-bottom: 0.0cm;font-style: normal;">Jochen</p>
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