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<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Lieber Bernd,</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">wenn ich mich
bezüglich der Begrenztheit der rationalistischen Weltanschauung
auf
Gödel beziehe und sage, daß sich Mathematik mit Philosophie
berührt, dann will ich damit ausdrücken, daß die Gödelschen
Ergebnisse meiner Meinung nach durchaus eine philosophische
Relevanz
haben. Ich habe auch nicht alle Einzelheiten von Gödels
Beweisführung nachvollzogen (oder verstanden), habe nicht einmal
die
Originalarbeiten gelesen. Ich denke aber, daß ich die Kerngedanken
verstanden habe. Vor allem über das Buch "Gödel, Escher, Bach ein
Endloses Geflochtenes Band" von Douglas R. Hofstadter bin
ich mit diesen Gedanken vertraut geworden (das wird auch auf der
Wikipedia-Seite erwähnt), habe aber auch noch andere Arbeiten
darüber gelesen. Hofstadter entwickelt den Gedanken am Beispiel
der
Entwicklung einer Programmiersprache recht anschaulich. Daß
Physiker
und Mathematiker in den meisten Fällen wissen, daß die Realität
(oder die Wirklichkeit) nicht mit ihren Modellen identisch ist,
das
will ich nicht bestreiten; aber der Glaube, daß es vielleicht doch
eine Weltformel geben könnte oder sogar müßte, ist doch auch noch
bei machen Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit vorhanden
(spielt sogar im Mainstream eine bestimmende Rolle). Die
rationalistische Einseitigkeit zeigt sich aber noch an einer
anderen
Stelle; nämlich in der Überzeugung, daß nur meßbare,
quantifizierbare Sachverhalte Wirklichkeit ausmachen, und daß nur
rationale, beweisbare Aussagen - also formalisierbare - Wahrheit
darstellen könnten. Und an dieser Stelle sagt uns Gödel, daß das
nur die halbe Wahrheit sein kann. Das ist nach meinem Verständnis
eine philosophische Aussage.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">An eine Anwendung
des Gödelschen Satzes auf ein philosophisches System hatte ich bei
meiner Bemerkung überhaupt nicht gedacht, wenn wir es aber auf
diese
Weise betrachten wollten, so würde ich meinen, daß Hegels
Philosophie zumindest von der Tendenz her dafür in Frage käme. Ich
finde aber schon Deine Forderung eines Philosophischen Systems mit
sauber definierten Axiomen und ebensolchem Begriffssystem als
einseitig rationalistisch. Zwar schließt Philosophie solche Formen
nicht aus, aber sie erschöpft sich auch nicht darin. Trotz
verschiedener Gemeinsamkeiten, die ich auch immer wieder betonen
möchte, habe ich den Eindruck, daß hier ein Punkt berührt wird, an
dem wir irgendwie aneinander vorbeireden. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Insbesondere in
der
Ökonomie hat das rationalistische Paradigma verheerende Folgen,
weil
Modelle, die mit der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit kaum
noch
Berührung haben, dann doch zu Leitlinien für ökonomische
Entscheidungen führen, deren Risiken und Nebenwirkungen
Menschenleben kosten. (Ich denke da etwa an die Millionen
Hungertoten
jährlich, obwohl Nahrungsmittel in ausreichendem Maße vorhanden
sind; es nur nicht profitabel ist, sie so zu verteilen, daß
niemand
verhungern muß.)</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Zu deinem PS.:
Habe
ich etwas wesentliches übersehn? (Es gab Kommunikationsstockungen
mit Matthias Bloecher, die sind aber jetzt überwunden.)</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Herzlichen Gruß
(auch an eventuell Mitlesende)</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Jochen</p>
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