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<div class="moz-cite-prefix">Hallo Bernd,<br>
<br>
da ich es sehr begrüßen würde, wenn du hier weiter aktiv wärst,
möchte ich mich zu deiner Enttäuschung äußern. Zudem fühle ich
mich von dir missverstanden. <br>
<br>
Als ich hier vergangenen August reingesprungen bin, hatte ich
ziemlich schnell ziemlich ähnliche Gefühle von Enttäuschung. Mag
auch vielleicht ein richtiges Feeling sein. Da ich niemandem im
Verteiler persönlich kenne, mich nicht in den Gremien des
Netzwerks herumtreibe und auch nicht so richtig absehen kann, dass
es hier einen echten Fortschritt in der Debatte im Sinne
pragmatischen Outputs gibt, bleibt das für mich vage. Allerdings
sind die meisten EmpfängerInnen des Verteilers auch passiv. Wer
weiß, was da ungesehen auf fruchtbaren Boden fällt? Und
selbstkritisch kann ich bemerken, dass der Mangel an Stringenz in
der Debatte selbstverständlich auch an mir liegt, da ich meine
eigenen Steckenpferde und Mindestforderungen habe und mich deshalb
beispielsweise nicht auf eine sich wirklich eingehend in
steuerarithmetische Fragen versenkende Debatte mit Verena
eingelassen habe. Hinsichtlich des Staatsbürgersteuermodells ist
das für mich aber gerade anders gelagert. Da sehe ich größere
Potentiale.<br>
Meine Enttäuschung ging übrigens inhaltlich in eine andere
Richtung als deine. Ich hatte aufgrund der vom Netzwerk verlinkten
m. E. ziemlich guten Texte von Ronald Blaschke und den Essentials
des Netzwerks eigentlich erwartet, dass bestimmte linke
Grundpositionen hier Usus wären. Sind sie m. E. aber nicht. Ich
glaube, dass du grundlegend falsch liegst, wenn du denkst, dass
meine Statements hier für den Verteiler in seiner Gesamtheit in
irgendeiner Weise repräsentativer wären als deine.<br>
<br>
Dennoch: Erstens ist das hier keine Live-Debatte, sondern eine
Mail-Debatte. Geduld ist deshab notwendig. Die Taktung ist einfach
eine ganz andere als im Live-Kontakt. Insbesondere weil alle im
Verteiler stets auch ganz andere Dinge am Hut haben. Zweitens war
gerade zwischen-den-Jahren. Weiß nicht, wie du das hältst, für
mich ist das so ein wenig Winterschlafphase. Ich hatte mir
eigentlich eine knappe Woche vor Weihnachten vorgenommen, mich
mindestens bis zum Ende dieser Woche komplett rauszuziehen, hatte
dann aber doch auf dich reagiert, weil ich's wichtig fand und habe
unterdessen in Reaktion vor allem auf dich einen ziemlich
ausführlichen Text verfasst, der aber noch nicht ganz rund ist,
wohl erst in ein paar Tagen von mir versandt wird. Der wird dir
vielleicht auch nicht gefallen, weil er aufs
Staatsbürgersteuermodell nur in einer Hinsicht näher eingeht
(nicht mal das, sondern nur auf deine Diagramme in 2.8.) und sich
eher mit deinen Bemerkungen hier im Verteiler auseinandersetzt.
Aber zumindest dürfte er dir spiegeln, dass ich dich als
Diskussionsteilnehmer ernst nehme. Trotz meines Vorsatzes, mich
einen knappen Monat vom bGE zu verabschieden, hast vor allem du
mich dazu gebracht, da doch weiter dran zu bleiben. Ich hoffe,
dass das irgendwie deine Enttäuschung zumindest etwas mildern
können wird.<br>
<br>
Inhaltlich: Seit ich hier aktiv bin, bin ich hier glaube ich der
einzige, der Marx stark macht. Du missverstehst mich, wenn du
meinst, ich sei an ML und der LINKEN orientiert. Ich habe mich vor
allem mit antiautoritären Positionen befasst. Da ist Marx nur eine
Größe unter vielen, aber eine wichtige. Mit ML und dem
Realsozialismus habe ich tatsächlich gar nichts am Hut, ich bin
Westkind und war 13 zur Wende. Ich habe auch überhaupt kein
Interesse daran, den Realsozialismus in irgendeiner Weise
abzufeiern. Mich nervt nur, wenn umgekehrt der kapitalistische
Westen als irgendwie besser abgefeiert wird. Ich sehe einfach
nicht, dass dem so wäre. Entsprechend versuche ich zu
argumentieren. Darüber können wir uns lange austauschen, wozu du
aber wohl gar keinen Bock hast. Meine Frau war übrigens bis zu
ihrem 17. Lebensjahr und der Wende Ostdeutsche und hat aus nicht
annähernd im engeren Sinne politischen Gründen Opfererfahrungen
mit der Stasi gesammelt, die skandalös zu nennen eine drastische
Untertreibung wäre. Ich schimpfe hier durchaus auch über
Partei-Bonzen etc. Mir geht es nicht um ein Zurück zum
Realsozialismus, sondern um ein Voran zu etwas, das jenseits der
Systemauseinandersetzung liegt. Insofern ist es mir auch wichtig,
diesen ganzen Brei von kapitalistischer Leistungsträger-Ideologie
anzugreifen. Das resultiert bei mir nicht aus ML-Überzeugungen,
sondern aus Kapitalismuskritik, die für mich eher an Marx, im
Zweifelsfall auch eher am frühen als am späten Marx, und an der
alten Frankfurter Schule hängen. Mit Lenin habe ich mich nahezu
gar nicht befasst. bGE scheint mir hinsichtlich eines echt neuen
Wegs Potential zu haben, weshalb ich hier aktiv bin. Ansonsten
wäre bGE zumindest auch innerkapitalistisch ein kleiner
Fortschritt, der mich aber weit weniger interessiert als eine
echte Transformationsperspektive.<br>
Ich war auch nie Teil der LINKEN. Ehemalige Bekannte von mir haben
gelegentlich mal Veranstaltungen über die
Rosa-Luxemburg-Initiative querfinanziert, die ich auch besuchte.
Das ist schon die größte Verstrickung, die ich zu dieser Partei
habe. Ich glaube nicht einmal, dass ich irgendwen persönlich
kenne, der da organisiert ist oder war. Ich bin überhaupt nicht
parteipolitisch organisiert, weil ich meine Erfahrungen mit
Parlamentarismus gesammelt habe und von der gesamten
Organisationsstruktur nichts halte. Da finde ich, dass die PIRATEN
noch am ehesten Potential haben. Wenn ich mich hier zur LINKEN
äußere, dann aus zwei Motiven: Erstens scheint mir das bGE-Konzept
des BAG bei/in der LINKEN bislang das pragmatisch am schnellsten
umzusetzende, politisch akzeptabelste und durchdachteste. Ich bin
zwar für eine Konsumsteuerstruktur, was ich hier auch immer wieder
sage, und ich sehe im Staatsbürgersteuermodell für mich gerade
auch echt Potentiale, das für mich klarer zu kriegen. Aber dennoch
sehe ich bislang kein gutes bGE-Konsumsteuermodell. Mag sein, dass
sich das ändert, wenn ich das Staatsbürgersteuermodell durch habe,
aber ich vermute, dass ich auch damit so meine Probleme behalten
werde. Solange da für mich kein schlüssiges Modell vorliegt, das
auch politisch von irgendeinem Parteizusammenhang breit getragen
wird (weil: wie soll's sonst Realität werden?), macht es m. E.
Sinn, im bGE-Kontext für die LINKE zu votieren. Zweitens bin ich
andauernd von der überheblichen Abgrenzungsmasche der westlichen
Mainstreamparteien und der veröffentlichten Meinung gegenüber der
LINKEN angepisst. Das ist ein so heuchlerisches Spiel, dass man m.
E. auch immer mal wieder darauf hinweisen kann, dass da außer
Heuchelei echt nichts dran ist. Das ist für mich wiederum gar kein
Votum für die LINKE, die im Zweifelsfall diese heuchlerischen
Spiele ja auch mitspielt oder eigene, sondern ein Votum gegen die
restlichen Parteien. Der ganze Mechanismus von repräsentativer
Demokratie ist in meinen Augen verrottet und mit dem Internet
technologisch, wenn auch leider nicht politisch überholt.<br>
<br>
Zur Leistungsträger-Frage haben wir sehr unterschiedliche
Auffassungen. Du scheinst dir Leistung als etwas zu denken, das
unabhängig von der kapitalistischen Formierung durch diese
hindurch gratifiziert wird. Ich denke mir Leistung als etwas, das
quer zu dieser Formierung steht und innerhalb dieser Formierung im
Zweifelsfall eher von Übel als von gesamtgesellschaftlichem Nutzen
ist. Was es mit sozialpsychologischer Verelendung auf sich hat,
ist für mich ein gigantisches Feld, für dich offenbar eher Blabla.
Da ich mich als Kosmopoliten begreife, denke ich Verelendung
ohnehin eher im Weltmaßstab. Und da schneidet der Kapitalismus
keineswegs so gut ab, wie man sich in Europa vorstellen mag. Sind
alles große Themen, über die wir uns echt lange streiten können -
und die tatsächlich im engeren Sinn nicht so viel mit dem bGE zu
tun haben. Weil du das ja gar nicht möchtest, sondern inhaltlich
die Staatsbürgersteuer voran bringen, sage ich dazu mal zwei
Dinge: Erstens halten mich diesbezügliche Statements von dir davon
ab, mich näher inhaltlich mit der Staatsbürgersteuer auseinander
zu setzen. Einfach deshalb, weil ich diese Debatten interessanter
finde als steuerarithmetische Betrachtungen. Zweitens sind wir
nicht nur politisch weit auseinander, sondern auch altersmäßig.
Ich glaube, dass wir gar nicht hinreichend klären können,
inwieweit die Welt deiner Lebensspanne eine ganz andere ist als
die Welt meiner Lebensspanne. Beides hält mich zumindest nicht
davon ab, deinen Einstieg in die Debatte hier zu begrüßen.
Staatsbürgersteuer scheint ziemlich gut durchdacht zu sein, gibt
mir auf jeden Fall wichtige Impulse und ich mag mit Leuten
diskutieren, die clever sind. Also sei mir bitte nicht böse, wenn
ich andere Auffassungen habe als du. Und versuch mich bitte nicht
in Schubladen zu stecken, die vielleicht vor 30 Jahren noch einen
gewissen Sinn gemacht haben, heute aber sicherlich nicht mehr. <br>
<br>
Mehr und Näheres dann demnächst.<br>
<br>
Liebe Grüße,<br>
<br>
Bert<br>
<br>
<br>
<br>
Am 05.01.2015 um 14:12 schrieb Debattenliste des Netzwerks
Grundeinkommen:<br>
</div>
<blockquote
cite="mid:%3Cmailman.25604.1420480719.7151.debatte-grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de%3E"
type="cite">
<div style="font-family: Verdana;font-size: 12.0px;">
<div>Entäuschung ist positv, denn sie zeigt, dass man sich mich
getäuscht hat. Mit meiner Annahme, in debatte-<span
style="font-family: arial , helvetica ,
sans-serif;font-size: 10.0pt;color: rgb(0,0,0);"><a class="moz-txt-link-abbreviated" href="mailto:grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de">grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de</a>
</span>würde debattiert, habe ich mich getäuscht. Alle
Debatierer sind für ein - möglichst hohes - BGE, am besten
nach dem Motto: die Gesellschaft soll mir ein BGE gewähren,
damit ich nach eigenem Gurdünken etwas leisten kann, das ich
selbst oder vielleicht mein Freundeskreis als Leistung
definiert.</div>
<div> </div>
<div>Die Gesellschaft sind wir alle. Also bedeutet diese
Haltung: Die anderen sollen schaffen und Geld verdienen, damit
ich tun kann, was ich will, z.B. was mir und/oder meien
Freunden oder anderen Spass macht/hift ... Die Anderen, das
sind die Finanziers des BGE.</div>
<div> </div>
<div>Wie das BGE finanziert werden soll, darüber könnte man
debatieren. Aber da ist Sendepause. Wenn ich die
Lenkungsabgabe in Frage stelle, weil sie nichts anderes ist
als eine Steuer, antwortet man: ok stimmt aber sie heißt
Lenkungsabgabe weil sie lenkt.</div>
<div> </div>
<div>In <a moz-do-not-send="true"
href="http://www.staatsbuergersteuer.de/Diskussion.htm"
target="_blank">http://www.staatsbuergersteuer.de/Diskussion.htm</a>
versuche ich zu zeigen, dass die Staatsbürgersteuer die einzig
sinnvolle Finanzierung eines BGE ist, bekomme dazu aber keine
Debatte. Alles was bisher dazu kam, war dass die als
Demonstrationsbeispiel gedachten Eurobeträge des Bürgergelds
zu niedrig sind. Wenn ich dann argumentiere, dass diese erst
bei Einführung der Staatsbürgersteuer festgelegt werden, und
darauf hinweise, dass hierzu der Konsens auch mit den
Finanziers nötig ist, weil diese sonst ihre Leistung
verweigern, ins Ausland abwandern etc. bekomme ich als
Antwort: Sollen sie doch, solange sie ihre Produktionsmittel
da lassen.</div>
<div> </div>
<div>Die Finanziers sind nicht deshalb leistungsfähig, weil sie
Produktionsmittel besitzen sondern weil sie in der Lage sind,
innovatv zu denken, Neues zu riskieren, intensiver zu
arbeiten. Wenn sie für diese Leistungen keine angemessene
Belohnung erhalten, wandern sie ab oder - wenn das nicht geht
- resignieren und nutzen ihr kreatives Potential für andere
private Zwecke; z.B. ihren Garten, ihnre Datscha usw. Dies ist
in der DDR passiert: Die Abwanderung der leistungsfähigen
Intelligenz wurde durch eine Mauer weitgehend verhindert. die
Klasse der Arbeiter und Bauern hat zwar gesiegt. die Sieger
hatten aber davon nichts, sie konnten sich nicht wie im Westen
alles kaufen oder verreisen wohin sie wollten, der Staat war
pleite und hat sich nur mit Krediten und Verkäufen von
konfiszierter Kunst und von politischen Gefangenen an die BRD.
gerade so über die Runden gerettet.</div>
<div> </div>
<div>Wenn ich darauf hiweise, dass die von Marx vorausgesagte
Verelendung der Massen nicht eingetreten ist, schreibt Bert
zurück "...Die Verelendung ist weniger eine materielle als
eine sozialpsychologische..." Nicht nur dass die Sieger des
Klassenkampfs keine materiellen Vorteile hatten, sie lebten
auch in ständiger Angst, sich zu irgendetwas zu äußern. da ja
fast jedes Thema politisch aufgeladen, also gefährlich war.
Ich kann aus meinen Kontakten nicht bestätigen, dass es diesen
Siegern sozialpsyschologisch besser ging: Im Gegenteil. es gab
keine Meinungsfreiheit. Die SED bevormundete ihre Büger nach
Gutdünken und eigenen Maßstäben Nicht die Begabten wurden
gefördert sondern die Linientreuen, selbst im Sport wurden
Siege nicht mit ehrlichen Mitteln sondern nur mit massivem
Doping gefördert, usw.</div>
<div> </div>
<div>Mein Eindruck ist, dass das BGE hier ähnlich wie die
"überlegenheit das Marxismus-Leneninismus" zu einer Floskel
degeneriert, die man immer und überall nachbetet, ohne dass
man sich ernsthaft damit auseienander setzt. Unter dem
Deckmantel der Debatte des BGE läuft in Wirklichkeit etwas
anderes: Meinungsbildung eines Marxistisch geprägten Flügels
der LINKEN zu allen möglichen Weltthemen, um unterschiedlich
Sichten einzuebnen um dann als möglichst homogener
monolithischen Block/Unterfraktion die Position der LINKEN zu
beeinflussen.</div>
<div> </div>
<div>mfg Bernd</div>
</div>
</blockquote>
<br>
</body>
</html>