<html><head></head><body><div style="font-family: Verdana;font-size: 12.0px;"><div>Hallo,</div>

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<div>hach ist das immer schwer, sich irgendwo rauszuziehen, wenn man sich erstmal eingebracht hat ... Zumindest Jochens Mail möchte ich kommentieren. Und wo ich schon dabei bin ... Überblick:</div>

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<div>@Pius: zu Lenkungsabgaben</div>

<div>@Namenlos in punkto Staatbürgersteuer</div>

<div>@Peter zu x % Energie bindet Angst</div>

<div>@Jochen zur Demut</div>

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<div>@Pius:</div>

<div>Ich find die Lenkungsabgaben-Idee von dir, lieber Pius, erstmal ziemlich freakig und so fern von dem derzeitigen System, dass ich länger darüber nachgrübeln müsste, was eigentlich alles so die Implikationen sind. Dafür fehlt mir die Muße gerade. Aber ich sage wohl nichts Neues mit: Ich mag freakige Ideen. ;o) Und auf den ersten Blick sieht das ziemlich vernünftig aus. Ich will also zumindest mal sagen: Scheint mir lohnenswert, da näher drüber nachzudenken, fehlen mir aber gerade die Kapazitäten zu.</div>

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<div>@Namenlos in punkto Staatsbürgersteuer:</div>

<div>Ich habe mich eher schnell und flüchtig ein wenig durch  <a href="http://www.staatsbuergersteuer.de/" target="_blank">http://www.staatsbuergersteuer.de/</a> durchgeklickert. Sieht auf den ersten Blick charmant schlicht aus. Allerdings sehe ich ein grundsätzliches Problem: Jeder Anspruch auf Umverteilung von oben nach unten wird wie bei jeder Flat-Tax einfach fallengelassen. Zudem wird in den Texten die Behauptung rausgehauen, dass Leistung und Einkünfte irgendetwas Engeres miteinander zu tun haben. Ich habe hier und da näher zu begründen versucht, warum das eine Fiktion ist. Leistung und Einkünfte haben im Zweifelsfall überhaupt nichts miteinander zu tun (etwa bei der ehrenamtlichen Tätigkeit unserer Moderatoren oder bei dem Erben einer unbekannt verschiedenen Großtante mit Millionen-Erspartem) und gesamtgesellschaftlich nur höchst diffus. Da gibt's nicht annähernd so etwas wie einen stetigen Abbildungs-Zusammenhang. Was soll an den Börsenzocker-Leistungen produktiver sein als an den Bemühungen einer Putzkraft?</div>

<div>Zudem erscheinen mir dir 40 % Marginalsteuersatz extrem tief gegriffen. Staatsquote liegt ja heute schon bei 50 %, bGE-Kosten kämen oben drauf. Naja, keine Ahnung, ich habe mich ja schon gegenüber Verenas Modell verweigert, mich wirklich in die Steuerarithmetik hineinzudenken. Würde auch weiterhin darauf beharren wollen, dass wir uns nicht in einem statischen, sondern in einem hochdynamischen System befinden. Verändert man da Grundsätzliches, verändern sich viele Dinge. Das dürfte sich sehr grundlegend auf die Konsistenz von Steuerkategorien auswirken. Wobei die im Staatbürgersteuer-Modell so schlicht sind, dass es dort halt einfach nur an der Höhe des Marginalsteuersatzes hängt.</div>

<div>Da die 40 % nur Vorschlagscharakter haben, würde ich mal sagen: Hebt man die auf irgendwas zwischen 80 und 100 % an und erhöht entsprechend das bGE (meinetwegen in gesplitteter bGE/bWE-Struktur), könnte ich da wohl mitgehen. Alles unter 80 % scheint für mich darauf hinauszulaufen, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen halt irgendwie mit durchgeschliffen. Demokratietheoretisch bedarf es zwingend einer staatlichen Korrektur des Marktmechanismus, der nach aller historischen Erfahrung einfach immer auf Zentralisierung des Reichtums in den Händen Weniger hinausläuft. Ohne irgendeine Form von Progression, also ohne den Anspruch, dass starke (Einkunfts-)Schultern nicht bloß absolut, sondern auch relativ mehr zum Gemeinwesen beitragen, scheint mir jeder Vorschlag Unfug zu sein. Kann man machen, aber was soll das bringen? Die Friedrich Merz'sche Bierdeckel-Steuererklärung?</div>

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<div>@Peter zu "Angst bindet 10% Energie"</div>

<div>Ich habe mich über deinen Beitrag sehr gefreut, lieber Peter. Ich versuche hier ja immer mal wieder so als Neben-Vibe klar zu ziehen, dass der Positivismusstreit noch lange nicht im Ernst ausgefochten ist, kaum im Ansatz würde ich denken. Ich würde behaupten, dass noch die härtesten und am klarsten definierten Kategorien unserer besten naturwissenschaftlichen Theorien den Charakter von Metaphern behalten. Schlicht weil keine Weltformel zur Hand ist. Insofern: Sofern wir uns einig sind, dass die Aussage, dass Angst 10 % Energie bindet, erstmal den Charakter einer Metapher hat, bin ich voll bei dir. Wobei ich die 10 % extrem tief gegriffen finde: Laut <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsetat#Weltweite_Entwicklung" target="_blank">http://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsetat#Weltweite_Entwicklung</a> : "Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut beziffert die weltweiten Verteidigungsausgaben auf 1,531 Billionen [US-Dollar vermutlich] für das Jahr 2009". Laut <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsetat#Weltweite_Entwicklung" target="_blank">http://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsetat#Weltweite_Entwicklung</a> lag das Welt-BIP 2009 bei 59,06 Billionen US-Dollar. Das wären schon mal 2,6 % und bloß die Spitze des Eisbergs. Was kostet innere Sicherheit? Was das Controlling der Unternehmen? Was die ganzen Kleinkriminellen, die sich ohne bGE so durchschlagen? Was sind die psychosozialen Folgekosten des Drucks im Getriebe? Wieviel Energie wird mit Trotz verpulvert, weil wir alle ja immer wieder spüren, dass das alles nicht so richtig unseres ist, nicht so richtig funzt, uns irgendwie auch immer ziemlich gegen den Strich geht? Vielleicht hast du mit den 10 % recht, dürfte unendlich schwierig sein, dass quantitativ präzise einzugrenzen. Aber ich würde vermuten, dass die Redewendung "Ordnung ist das halbe Leben" der Sache quantitativ wesentlich näher kommt.</div>

<div>Ich finde, dass das wirklich ein ausgezeichnetes Argument für ein möglichst globales bGE ist: Die Grundprobleme, die aus Angst, Wut, Konkurrenz erwachsen, könnten zumindest peu à peu drastisch abgebaut werden. Gegen dieses Einsparpotential dürften die entfallenen Bürokratiekosten in den Sozialverwaltungen bloße Peanuts sein. Mal abgesehen davon, dass das Feeling für alle einfach ein netteres wäre ...</div>

<div>Wie gesagt: Ich habe mich über deinen Beitrag gefreut, lieber Peter. Schlicht und irre prägnant.</div>

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<div>Ansonsten zu deinen monetären Betrachtungen in Bezug auf Pius: Nicht, dass ich es wissen würde, aber ich habe zumindest häufiger gelesen, dass das Geldvermögen sich vom Sachvermögen im globalen Massstab um, keine Ahnung, wohl mindestens den Faktor 4 verselbständigt hat. Die Börsenzocker spielen irgendwelche Spielchen, die auf die Realökonomie gar nicht durchschlagen dürfen, weil sonst deren Spielchen in Inflation ad absurdum geführt würden. Willst du denen die Kohle komplett entreißen und es einfach verteilen, dann hätten wir wohl auch Inflation. Wobei man das vielleicht wirklich lässiger sehen kann: Würden die Angst-Energien drastisch gedrosselt, wäre die Gesamtproduktivität wohl auch zunehmend und die Inflation würde so schlimm kaum werden ... Aber das ist echt arg spekulativ ... als könnte man mal so eben alles Geld der Welt auf die Welt ausschütten ... Viel mehr geht's ja um die Frage, wie wir einerseits mit den materiellen Ressourcen umgehen und andererseits vom Fordismus zu einer sozialen und kulturellen Wohlfahrtsökonomie übergehen könnten ...</div>

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<div>@Jochen:</div>

<div>Ich fange mal mit der versöhnlichen Seite an und möchte mich einerseits bei dir bedanken. Ich hatte vergangene Nacht so eine Art Halbschlaf-Traum, der mich mal wieder in glückseligen Urvertrauen-Vibes gewiegt hat, die ich in letzter Zeit so intensiv nicht mehr gespürt habe. Das hat m. E. etwas mit deinem Beitrag zu tun. Insbesondere mit deiner Heizungs-Bemerkung. Ich finde Koinzidenzen spannend und wir haben seit zwei Wochen so unsere Probleme mit unserer Heizung, eingeschränkte Funktionstüchtigkeit. Ich will das jetzt nicht ausbuchstabieren, aber ich reime mir da so meine Spiri-Vorstellungen zusammen. Und jenseits aller Bilderverbote würde ich das Feeling mal vage so fassen: Da war eine liebevolle Hand auf meinem Herzen, die nicht aus dieser Welt stammte. Das mag wie immer Einbildung sein, aber mir scheint doch, dass mich das darauf hinweist, dass ich tatsächlich mit dem Verwehen aus der Verhaftung im Buddhismus (der mir ohnehin inhaltlich nicht sonderlich geläufig ist) eine falsche Vorstellung verknüpfte. Nämlich die, dass das, was nicht mehr in der Verhaftung ist, deshalb auch nichts mehr mit der Verhaftung zu tun hätte. In Bezug auf den Heiligen Geist hatte ich mikrokosmisch das Gegenteil zu begründen versucht: Dasjenige, was in der Trennung das Recht behält, den Gesamtwillen alles Getrennten gegenüber jedem Vereinzelten geltend zu machen. Warum soll's mit Buddha anders sein?</div>

<div>Ansonsten hat mich dein Beitrag an etwas gemahnt, was seit ein paar Wochen ohnehin hartnäckiger an meine Seele klopft: Demut. Weil das eine oder andere, was ich hier so raushaue, vielleicht einen anderen Eindruck erweckt, möchte ich mal klar ausdrücken, dass ich weder den Eindruck erwecken möchte noch selbst der Auffassung bin, ich wäre Erleuchteter, Messias oder irgendetwas dergleichen. Höchstens sind da ein paar Durchlässigkeiten in und neben mir. Und wer weiß, was die Zukunft vorhält? Ich muss eh erstmal ein Weilchen nach Indien, um mich selbst zu finden. Und dafür fehlen irgendwie immer die Rahmenbedingungen, irgendwas fesselt mich hier. Wenn's hoch kommt, sehe ich mich spirituell als so etwas wie einen Wurmloch-Maulwurf in den Gewissheiten unserer Kultur. Mag sein, dass diese Wurmlöcher später mal von anderen gebraucht werden, um bspw. über Wasser zu laufen. Aber schon das erscheint mir vermessen und vielleicht nur eine interessante Idee für meine Unterhaltungszwecke. Falls aber jemand eine Empfehlung für irgend 'nen Guru möglichst in meiner Nachbarschaft geben kann, der mir Fokus zu heilenden Händen geben kann, wäre ich interessiert. Ich glaube, da schlummert tatsächlich eine Gabe, die mangels Fokus voll verrottet, aber dann doch immer mal wieder recht beeindruckend ist. Jenseits meines Faibles für Durchlässigkeiten und Grenzüberschreitungen versuche ich hier und auch sowieso meine Fehlbarkeit immer wieder zu thematisieren, weil ich sie substantiell finde. Ich bin hier nur Debattenteilnehmer, der die bGE-Idee aber auch ernst nimmt und soviel Feuer unterm Arsch zu machen versucht, wie diesbezüglich möglich erscheint. Das leitet dann auch mal ziemlich düstere, ziemlich verächtliche und ziemlich ignorant-überhebliche Aussagen von mir. Ich hoffe, ihr könnt mir das zumindest in guten Momenten verzeihen. Also verzeih mir bitte, Jochen, ich habe den Eindruck, dass ich dir mit irgendwas gehörig gegen den Strich gegangen bin. Aber um Verzeihung bitten möchte ich insbesondere auch all diejenigen, die sich beispielsweise mit den politischen Mainstream-Parteien identifizieren, mit denen ich hier ja weit schärfer ins Gericht gehe als mit den m. E. eher freundlich-kaspernden Aussagen von mir in Richtung Buddha. Ich habe nicht den Willen, irgendjemanden zu verletzen oder zu vergrätzen, habe aber so meine Probleme, meine massiven Probleme mit dem Status Quo.</div>

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<div>Das ist ein komplexes Feld. Das Bilderverbot von Huang-Bo Hsi-Yün, das du in Bezug aufs Nirvana angesprochen hast, finde ich z. B. nicht so eindeutig. Das dritte mosaische Gebot hat ja fast den gleichen Tenor. Es ist schon in sich paradox. Aber noch mehr, je mehr man sich die sonstigen Gottesvorstellungen in der Bibel reinzieht (oder gar die ganzen Kruzifixe und Kirchenmalereien). Jede dieser Vorstellungen malt ein Pinselstrich im Gottesbild. Klar, das ist nicht der weißhaarige alte Typ wie bei den Simpsons, aber auch schon das dritte mosaische Gebot sagt etwas Konkretisierendes: Was immer du dir vorstellen magst, das ist es nicht. Ich hatte dir gegenüber, lieber Jochen, ja nur so etwas für's Nirvana ausgepinselt wie die leere Konstruktoberfläche der Trainings-Programme in der Matrix, wenn ich mich richtig erinnere. Etwas in der Art, etwas höchst Abstraktes, das gleichwohl eine Vorstellung ist. Aber auch das "Man kann es sich nicht vorstellen" ist eine Vorstellung. Sonst wüssten wir ja nun wirklich nicht, worüber wir reden. Wir haben die Vorstellungskraft zu einer Vorstellung ohne alle Kontur. Hm, mag jetzt nicht sehr prägnant von mir dargestellt sein, aber die Paradoxie im Bilderverbot ist hoffentlich zumindest erahnbar: Das Tabu ist ein Hinweis auf das Tabuierte, ein Fingerzeig. Ich weise mal nur im Vorbeigehen darauf hin, dass Adorno, dessen Relevanz für mich wohl hinreichend geklärt sein dürfte, häufiger über's Bilderverbot meditiert, das sich im Judentum ja sogar auf die Nennung des Namens Gottes ausdehnt. Z. B. hier:</div>

<div>"Bewußtsein, das zwischen sich und das, was es denkt, ein Drittes, Bilder schöbe, reproduzierte unvermerkt den Idealismus; ein Corpus von Vorstellungen substituierte den Gegenstand der Erkenntnis, und die subjektive Willkür solcher Vorstellungen ist die der Verordnenden. Die materialistische Sehnsucht, die Sache zu begreifen, will das Gegenteil: nur bilderlos wäre das volle Objekt zu denken. Solche Bilderlosigkeit konvergiert mit dem theologischen Bilderverbot. Der Materialismus säkularisierte es, indem er nicht gestattete, die Utopie positiv auszumalen; das ist der Gehalt seiner Negativität. Mit der Theologie kommt er dort überein, wo er am materialistischesten ist. Seine Sehnsucht wäre die Auferstehung des Fleisches; dem Idealismus, dem Reich des absoluten Geistes, ist sie ganz fremd. Fluchtpunkt des historischen Materialismus wäre seine eigene Aufhebung, die Befreiung des Geistes vom Primat der materiellen Bedürfnisse im Stand ihrer Erfüllung. Erst dem gestillten leibhaften Drang versöhnte sich der Geist und würde, was er so lange nur verheißt, wie er im Bann der materiellen Bedingungen die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse verweigert." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 206f)</div>

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<div>Mich erinnert das von dir angesprochene Bilderverbot, lieber Jochen, an Spinozas omni determinatio est negatio = jede Bestimmtheit ist eine Negation. Was immer bestimmt ist, schließt etwas aus sich aus, das es nicht ist. Sonst hätte es keine Bestimmtheit. Rede ich vom AllEinen, so von einer bloßen Chiffre für etwas Unbestimmbares, das eben keine Negation mehr in sich hätte. Mit dem Nirvana-Begriff mag es ähnlich sein, aber insofern wir diese Begriffe verwenden, tun wir gleichwohl so, als ginge es um etwas Bestimmtes. Beim Nirvana ist nach meinem Verständnis zumindest die Verhaftetheit negiert. Aber wie gesagt, ich habe das zu einseitig betrachtet: Nur weil die Verhaftetheit negiert ist, kann sie in dieser Negation ja auch festgehalten werden. Das ist auf einer abstrakten Ebene für Dialektiker trivial, der innere Sinn aller Dialektik: Die Negation ist Teil des Prozesses. Naja, mag ein wenig abstrakt gesagt sein. Konkreter will ich damit darauf hinweisen, dass du mir glaube ich ein Kernproblem der Ringparabel wieder vor Augen geführt hast: Selbst wenn jeder der drei Ringe der echte nicht nur sein könnte, sondern sogar ist, bleiben es doch drei voneinander getrennte, eigenständige Ringe. Alle, die sich mit einer spirituellen, ideologischen oder sonst wie gearteten Tradition tatsächlich eins zu eins identifizieren, dürften daher mit der Ringparabel als des m. E. besten Bildes für einen humanistischen Pantheismus ein substantielles Problem behalten: Scheiß doch auf die anderen Ringe, meiner ist mein Schatz, wie nur Golom es zu sagen vermag. Ich hingegen hänge glaube ich eher in dem Problem herum, vor lauter ineinander verwobenen Ringen die einzelnen Ringe kaum noch zu sehen, sozusagen nur noch lauter Wald und kaum irgendwo einen Baum. Sorry für diese Ignoranz von mir. Spirituelle Traditionen haben mich auch wirklich immer nur so am Rande interessiert, auch wenn das wichtiger wird.</div>

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<div>Zur Demut möchte ich ein wenig anekdotisch ausholen. Meine Frau sagt mir im Wochen- bis Monatsturnus, dass ich undankbar sei. Ich weiß, dass sie recht hat. Und bin gleichwohl der Meinung, dass das höchstens die halbe Wahrheit ist. Denn einerseits bin ich dann doch immer wieder verblüffend dankbar für alles Mögliche. Andererseits bleibt die Welt unterm Bann und die Undankbarkeit ein subjektiver Spiegel dieses Banns. Wenn ich beispielsweise über meinen Hass in Bezug auf die C-Parteien hier meditierte, dann könnte ich auch tiefer ins Eingemachte gehen, etwa über die Diskussionen mit meiner Mama in Bezug auf die Wehrmachtsgeschichte ihres Vater berichten. Sie neigt zur Reinwaschung, zum typisch deutschen Opfermythos, das keiner sich ohne massive Gefahr fürs eigene Selbst habe völlig dem NS widersetzen können und Opa noch den sündenlosesten Pfad in jenem Morast genommen habe. Ich bin da skeptisch, hab die Biographie meines Opas aber auch nicht recherchiert. Gewisse Persönlichkeitsfragmente von mir gehen mit ihr ohnehin noch viel tiefer mit: Wir alle bleiben so sehr gemodeltes Objekt unseres gesellschaftlichen Zusammenhangs, dass mir das Konzept von Eigenverantwortung und Subjektivität quasi im Licht eines strengen Determinismus völlig zwischen den Fingern zerbröselt. Die Hilflosigkeit der Guten ist zum Kotzen, kann aber durch ihre Ohnmacht gerechtfertigt werden. Die Widerwärtigkeit der Bösen ist noch mehr zum Kotzen, kann aber durch ihre Geschichte vermutlich auch verständlich werden. In der Regel sind es ja bloß die am meisten Verletzten, die sich auf die Verletzung und Unterwerfung anderer fixieren. Anders gesagt: Ich könnte mich auch von meinem Widerwillen gegen den politischen Mainstream loslösen und darauf reflektieren, inwiefern all diese Leute doch bloß in ihren Beschränktheiten und Verpflichtungsnetzwerken gebunden geblieben sind, sich vielleicht en gros sogar um Gutes bemüht haben, es vielleicht sogar auf ganz vielen Ebenen geschaffen haben, die für mich einfach selbstverständliches hohes Niveau meines Rumgekotzes sind. Könnte ich machen, scheint mir aber nicht in die richtige Richtung zu weisen. Mag so sein, bleibt trotzdem scheiße. Dazu näher anekdotisch ein Switch in meine Abi-Zeit ...</div>

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<div>... Vermutlich in der 12. Klasse hat meine Deutsch-LK-Lehrerin mir bei der Kursbesprechung zu den mündlichen Halbjahresnoten eine 2 gegeben, was weiß ich, 12 Punkte oder so etwas. Sie begründete das etwas ausführlicher damit, dass ich so zurückhaltend sei. Tatsächlich fand ich eine 2 noch ziemlich großzügig, weil ich in der Tat sehr zurückhaltend gewesen war. Sie setzte dem hinzu, dass sie auch wirklich dankbar dafür sei, dass ich so zurückhaltend gewesen bin, weil sie wisse, was ich alles thematisieren könne. Meine Interpretation dessen war: Sie kannte meine Klausuren. Sie haderte ohnehin mit sich und der Welt auf eine Weise, die mir unverständlich blieb. Noch mehr negative Vibes von mir, ogottogott, lieber nicht. Sie starb ein paar Jahre nach meinem Abi mit vermutlich nicht einmal 50 an irgendeiner fiesen Krebsart. Bereits vor dieser Zensurenbesprechung war ich für mich innerlich auf ein ethisches Dilemma gestoßen, das mein gesamtes schulisches Verhalten in jener Zeit prägte und in gewisser Weise auch den größten Teil meines ewig langen Studiums: Was soll es bringen, wenn ich die größtenteils eher naiven, auf spaßige Heiterkeiten, soft-rosige Zivilgesellschaftstheoriefragmente und spätpubertierende Spielereien abzielenden Seelen um mich herum damit konfrontiere, wie düster mir die Welt erscheint? Das bringt auch nicht mehr Licht in meine Welt, in ihre aber mindestens kognitive Dissonanz. Selbst wenn es mir agitatorisch zumindest in politischen Kontexten immer sinnig erschienen ist, die Sachen auch so düster darzustellen, wie sie erscheinen, hatte ich nie großen Elan, diese Düsternis Leuten mitzuteilen, die davor irgendwie - und sei es durch maßlose Ignoranz - gefeit waren. Ein Ausdruck von Demut, wie ich finde. Und ein echtes Dilemma m. E. In dem Maße, in dem ich mich auf Jesus wieder besinnen mag, ist mir klar geworden, dass ich meinen Konfirmationsspruch, Römer 12, 15, wirklich mein Leben hindurch geatmet habe. War kein Zufall, dass ich mir ausgerechnet den auswählte. Und er spiegelt sich irgendwie in diesem Dilemma. Keine Lust, die Heiteren in ihren Heiterkeiten mit den Tränen der Weinenden zu belästigen. Andererseits: Sie weinen und bedürfen des Trosts.</div>

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<div>Insofern dies hier ein genuin politischer Debatten-Verteiler ist, habe ich hier jedoch keine Skrupel, das Düstere auch als solches auszusprechen. Alle, die sich dem Feld des Politischen im engeren Sinne zuwenden, müssen diese Düsternisse aushalten können, scheint mir. Kein Ahnung, wie ihr so tickt. Ich bin jemand, der bestimmte Informationen nie wieder aus seinem Halbbewusstsein heraus bekommt. Als Spitze des Eisbergs etwa diese: <a href="http://www.fao.org/news/story/en/item/198105/icode/" target="_blank">http://www.fao.org/news/story/en/item/198105/icode/</a> , <a href="http://www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml?indicator=47" target="_blank">http://www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml?indicator=47</a> , <a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-studie-dreimal-so-viele-kriegstote-1.183825" target="_blank">http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-studie-dreimal-so-viele-kriegstote-1.183825</a> . Ich will nicht sagen, dass ich nicht gelegentlich leichte Momente erlebe, wo mich diese Dinge nun wirklich gar nicht interessieren. In den allermeisten Momenten meines Lebens schwimmen diese Informationen aber irgendwo zwischen Halb- und Vollbewusstem. Gleichwohl bleibt es auch nach Jahrzehnten der Meditation über diese Dinge unglaublich schwierig, wirklich klar zu machen, was unser Reichtum und unsere Leichtigkeit und unser leerer Konsumismus mit diesen Dingen sehr präzise und sehr konkret zu tun hat. Und selbst wenn man das immer im Detail durchdeklinieren könnte: Was würde das bringen? Dass die Verhältnisse zu tanzen begännen? Davon bin ich nicht gänzlich überzeugt, aber als Fingerzeig auch angetan.</div>

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<div>Fast jede meiner vergangenen Partnerinnen reagierte auf dieses Dilemma mit dem, was wohl auch alle echt Gläubigen stark machen würden: Verharre nicht in der Düsternis, sondern werde erst mal selber licht, wende dich dem Licht und der Heiterkeit zu. Dann wird's schon besser werden. Hier und jetzt, in dem kleinen Alltag meines Lebens. Fand ich immer überzeugend und unmöglich zugleich. In den echt spirituellen Phasen meines Lebens schloß sich das aber plötzlich nicht mehr aus und eine weitere Gewissheit dämmerte: Selbst wenn du das systemische Übel als so dicht gewebt interpretierst, dass für keinen Einzelnen und damit auch nicht für alle irgendein Entrinnen erhofft werden kann, bleibst du selbst ein Teil dieses Ganzen und willst das Entrinnen. Also bleib einfach dabei, es stark zu machen. Wenn das Licht in deiner Seele ist, mach es mit Licht. Wenn die Düsternis in deiner Seele ist, mach es mit Düsternis. Aber folg deinem Impuls.</div>

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<div>Das macht m. E. etwas Irres mit der Demut, das sich im bGE bestens spiegelt: Ohnmacht und Macht, Maßlosigkeit und Demut greifen ineinander über. Fordern wir ein bGE, so einerseits maßlos viel Kohle, die irgendwer aufbringen soll, andererseits aber für uns persönlich nur ein paar Peanuts und ansonsten in Robin-Hood-Manier für die vielen anderen die gleichen Peanuts. Im Kern fordern wir gar nicht Kohle, sondern eine andere Form des Miteinanders. Eine Befreiung vom Druck. Insofern wir fordern, sind wir maßlos. Insofern wir allen den Druck nehmen wollen, sind wir demütig. Insofern wir fordern, reiben wir uns an unserer Machtlosigkeit. Insofern wir wissen, dass wir für alle fordern, sind wir die Mächtigen. Insofern wir das politisch, also fürs Ganze denken, sind wir maßlos. Insofern wir vom Ganzen nur die Egalität für die Einzelnen fordern, sind wir demütig.</div>

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<div>Tja, ich weiß nicht. Ist glaube ich nicht so klar formuliert, wie es mir vorschwebte. Kommt aber vielleicht dennoch irgendwie rüber. Ansonsten aber jetzt echt: bGE-Abstinenz für Bert mindestens bis zu seinem 38. in gut drei Wochen. Happy New Year euch, für dieses und für alle folgenden. Und sorry für das Aumaß an kognitiver Dissonanz, das ich auf meinen Harfen zusammenlaier. Sorry für die Frechheiten und Unversöhnheiten. Wenn ich mich als gefallenen Engel sehe, dann meist mit einem B vorne. ;o)</div>

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<div>Liebe Grüße,</div>

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<div>Bert<br/>
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