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<p style="margin-bottom: 0cm">Lieber Bert,</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">ich hatte meine letzte Mail nur an
Dich
geschickt, weil es da um einen speziellen Punkt ging, der für die
andern im Verteiler erstmal nichts bringt. Nun bin ich aber
unzufrieden damit, in dieser Form weiter zu machen: Ich schicke
meine
Mail wieder an den Verteiler, damit alle, die das wollen, daran
teilhaben können und vielleicht auch hin und wieder etwas zu
unserem
Austausch beitragen. Daß da jetzt den andern ein Stückchen Film
fehlt, versuche ich zu berücksichtigen. Nicht nur deshalb hier
diese
Erläuterung: Man kann sich fragen, ob Buddhismus und
Grundeinkommen
etwas miteinander zu tun haben, bzw. ob eine Diskussion über Wesen
und Inhalt des Buddhismus nicht zu weit von den gegenwärtigen
Notwendigkeiten ablenkt. Ich bin natürlich nicht dieser Meinung
und
begründe das (ganz kurz) damit daß sowohl der Geist des
Buddhismus,
wie auch der des Christentums und der Geist des Grundeinkommens
und
meinetwegen auch noch diverse andere Geister, einen Rahmen
darstellen
mit dem wir Menschen unseren Umgang miteinander gestalten. In
diesem
Sinne denke ich, daß die Beschäftigung mit entsprechenden Themen
die Debatte um das Grundeinkommen bereichern kann. Soviel zur
Vorrede.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Du lieber Bert, schreibst, Du hättest
mit der Ich-Auflösung kein Problem, bist aber gleichzeitig der
Meinung, Buddhismus liefe auf Solipsismus oder Leibnizsche Monaden
hinaus oder nennst ihn eine ego-zentrierte und weltabgewandte
spirituelle Tradition. Da scheint es mir, daß Du allen gängigen
Mißverständnissen über den Buddhismus aufgesessen bist. Allerdings
grassieren diese Mißverständnisse teilweise selbst unter Leuten,
die sich für Buddhisten oder für Fachleute für Buddhismus halten.
Die Weltabgewandtheit, die es im Buddhismus natürlich gibt, ist
nur
ein Hilfsmittel, ein erster Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis.
Der
klarste Beweis für die Weltzugewandtheit des Buddhismus ist die
Existenz des Buddhismus. Dazu wird die Geschichte erzählt, wie
Buddha nachdem er Erleuchtung erlangt hat in einem Wildpark bei
Benares weilt. Er überlegt bei sich, daß er nun ins Nirvana
eingehen könnte, da tritt einer der zahlreichen altindischen
Götter
(ich habe leider jetzt nicht im Gedächtnis, welcher) zu ihm und
bittet Buddha um Belehrung. Nach einem kurzen Wortwechsel
entscheidet
sich schließlich Buddha das Rad der Lehre in Bewegung zu setzen.
Die
Ausschmückung ist einfach ein Stück typisch indische Tradition.
Aber das Wesentliche ist Buddhas Entscheidung. Hätte er sich für
das Nirvana entschieden, gäbe es keinen Buddhismus.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Und was Deine Aussage betrifft: "<i>Mit
Ich-Auflösung
habe ich nun wirklich kein Problem, wohl aber mit der
Auflösung der geschichtlichen Erfahrungsgehalte, die wir als Ich
machen.</i><span style="font-style: normal">" Der Buddha sagt,
es gibt die Erfahrungen, die Wahrnehmungen, die Sinneseindrücke
-
alles Elemente der Erscheinungswelt - aber es gibt kein Ich,
welches
diese Erfahrungen etc. macht oder hat.</span></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Schließlich
sprichst Du davon, wie Du Dir das Nirvana vorstellen oder nicht
vorstellen kannst. Auch dazu sagen wahre buddhistische Meister,
etwa
der alte Chinese Huang-Bo Hsi-Yün (die Schreibweise des Namens mag
nicht ganz richtig sein ?): "Wenn Du irgendeine Vorstellung
davon hast ... , dann liegst Du falsch. Dessen kannst Du Dir
sicher
sein."</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Du erwähnst, daß
Du über einen modifizierten Kausalitätsbegriff nachdenkst und
machst Andeutungen, daß es da um den emotionalen Gehalt geht. Der
Ausdruck "emotionaler Gehalt" scheint mir nicht ganz
treffend, aber ich finde jetzt auch keine bessere Bezeichnung. Ich
habe aber den Eindruck, daß Du damit ganz nahe am Karma
manövierst.
Dabei will ich gleich darauf hinweisen, daß der buddhistische
Karma-Begriff durchaus ohne das Ego gedacht ist. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Zu Deinem Thema:
tote Arbeit </p>
<p style="margin-bottom: 0cm"><span style="font-style: normal">Ebenso,
wie
es tote und lebendige Arbeit gibt (dabei ist der Arbeitsbegriff
grundsätzlich noch zu klären, denn er hat sich im Laufe der
Geschichte geradezu in sein Gegenteil verkehrt), gibt es auch
toten
und lebendigen Geist. Und sicher ist auch die Antwort auf die
Frage
interessant, warum Menschen oft die tote Form der lebendigen
vorziehen. Dabei halte ich die Freudsche Spekulation über einen
Todestrieb für einen symptomatischen Irrtum. Für mich ist es
ziemlich sicher, daß das mit dem Herrschaftsparadigma
zusammenhängt.
Tote Arbeit und toter Geist läßt sich relativ leicht beherrschen
oder kontrollieren; lebendige Arbeit ist schwer beherrschbar,
lebendiger Geist überhaupt nicht. Es ist deshalb kein Zufall,
daß
sich in Herrschaftsgesellschaften die großen Religionen auf
niedergeschriebene Texte, auf "heilige Bücher" gründen.
Und es ist auch kein Zufall, daß sowohl Buddha wie Jesus selbst
keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen haben.</span></p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Ich wollte noch
ausführlicher schreiben, aber bei mit hat sich gerade eine kleine
Katastrophe ereignet; meine alte Heizung hat eigenmächtig ihr
aktives Dasein beendet und ich muß dringend Abhilfe schaffen. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Also bis demnächst
mit einem herzlichen Gruß.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm; font-style: normal">Jochen Tittel</p>
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