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</head>
<body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF">
<div class="moz-cite-prefix">Hallo lieber Jochen,<br>
<br>
ich habe mich über die Bauchpinselei und auch sonst über deinen
Beitrag gefreut. :o) Als Hartz4ler wird man ja strukturell nicht
häufig gebauchpinselt ... und überhaupt zielt nicht sonderlich
viel in der deutschen Kultur auf Ermutigung ab. Von daher sehr
nett. :o)<br>
<br>
Da ich gerade andere Foki habe, möchte ich nur ein paar kleinere
Anmerkungen zu deinen Ausführungen machen. <br>
<br>
"Für mich ist nach langem und gründlichem (?) Nachforschen klar
geworden, daß dieses Menschenbild zusammen mit der
Herrschaftsgesellschaft entstanden ist. In meinen Augen ist das
eine Fehlentwicklung (ein Bruch in der vorherigen Entwicklung) der
Menschheit, der vor ca. 7000 bis 8000 Jahren begonnen hat und
seitdem ins Verderben führt."<br>
<br>
Ideologietaktisch finde ich es offenkundig, dass wir innerhalb
eines christlichen Kulturkontextes frontal die alttestamentarische
Erbsündenvorstellung angreifen müssen, die sich bis zur
Paulus-Aussage im neuen Testament durchzieht: "Wer nicht
arbeiten will, der soll auch nicht essen." (Thessalonicher 3,10)
<title></title>
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P { margin-bottom: 0.21cm }
-->
</style>Zwar halte ich das Christentum in wesentlichen und vor allem in
seinen reaktionären Ausprägungen für kaum mehr als Heuchelei, als
kulturgeschichtliche Tatsache aber wieder für einen so manifesten
Fetisch, dass man solche Sachen nicht ignorieren kann, auch nicht
mit 4. Feuerbachthese von Marx. Im Rahmen immanenter Kritik lässt
sich m. E. zudem schlicht Nächsten- und Feindesliebe Jesu gegen
die Herrscher- und Rachegott-Vorstellungen im Christentum
ausspielen. Dürfte keine allzu schwierige Übung sein, aber eine,
die aus bGE-Sicht m. E. notwendig ist.<br>
<br>
"Deshalb lese ich solche Äußerungen wie: "Wir wollen doch nicht
zurück in die Steinzeit" immer mit gemischten Gefühlen."<br>
<br>
Och menno. Ich hatte doch schon in Auseinandersetzung mit Willi
darauf hingewiesen, dass ich das selber als polemische Bemerkung
kenntlich gemacht hatte. Außerdem ist eh klar, dass es kein Zurück
zu früheren historischen Stadien geben wird. Sieht man mal von so
Leuten wie den amish-people ab, wollen die meisten lokalen
Autarkie-Bewegungen m. W. ja auf dem Niveau heutigen
technologischen Verständnisses in eine Unmittelbarkeit von Natur
und kleiner Gemeinschaft zurück. Mir ging's ohnehin um einen
werttheoretischen Zusammenhang und nicht um's Eso-Öko-Bashing, das
mir zwar geläufig ist, aber auch nicht so sonderlich sympathisch -
und so wie du das zitierst, hatte ich es wirklich nicht
geschrieben. Und klar, ich kann mir ohnehin keine hinreichende
Vorstellung davon machen, wie steinzeitliches Leben sich so
angefühlt hat. Liegt mir einfach zu fern.<br>
<br>
"Sowohl vergangene wie auch zukünftige gesellschaftliche Zustände
sind nur Konstruktionen in unserem Bewußtsein, im Grunde hat es
nie eine Vergangenheit gegeben und wird es nie eine Zukunft geben,
da alles was geschieht hier und jetzt geschieht, in der Gegenwart.
Alle Gedankenkonstruktionen über Zukünftiges und Vergangenes haben
nur Sinn als Hilfsmittel zur Gestaltung unserer Gegenwart. (Ich
bin versucht, noch anzufügen: in Ewigkeit amen.)
"<br>
<br>
Völlig d'accord, aber zu bedenken geben möchte ich in dem
Zusammenhang: "Der Konstellation gewahr werden, in der die Sache
steht, heißt soviel wie diejenige entziffern, die es als
Gewordenes in sich trägt." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S.
165) Gegenwart resultiert vielfältig aus Vergangenem, über dessen
Aufklärung Gegenwärtiges wiederum bestimmt wird. Menschen sind
geschichtliche und geschichtsbewusste Wesen ... und
selbstverständlich auch sehr geschichtsunbewusste Wesen. Kleine
Anekdote aus meiner Spätpubertät dazu ... Jochi: "Wir schreiben
alle in jedem Augenblick Geschichte." Jan: "Kommt drauf an, wie
schnell man schreiben kann." So viel widersprüchliche Wahrheit in
so kurzer Zeit war in meinem Leben selten. :o) <br>
<br>
"Ich habe mich bisschen von Berts flottem Stil anstecken lassen,
wenn diese Debatte ganz öffentlich wäre, würde ich das alles (in
den letzten Sätzen) moderater formulieren.
"<br>
<br>
Ich bin mir nicht sicher, was du mit "ganz öffentlich" meinst. Da
aber mehr als www-öffentlich m. E. kaum geht, irrst du dich.
Deinen Beitrag findest du hier:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-September/003964.html">https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-September/003964.html</a><br>
Inhaltlich sehe ich aber kein Problem ... wollte dich nur drauf
hinweisen.<br>
<br>
"Mit der Einführung seines Begriffs der Erwartungen hatte Keynes
den Schlüssel zur Erkenntnis in der Hand, daß menschliches
Wirtschaften kein mechanischer Automatismus ist, der quasi
Naturgesetzlich abläuft. Er hat diesen Schritt nicht getan, genau
so wie Marx aufgrund seiner materialistischen Überzeugung nicht
von dieser Vorstellung eines gesetzmäßigen Verlaufs der Wirtschaft
und der ganzen Geschichte loskommen konnte (und wollte). Aber
Wirtschaft wie auch menschliche Geschichte sind von Menschen
gemacht, also nicht naturgesetzlich;"<br>
<br>
In Bezug auf Marx halte ich das für falsch. Große Teile des
Marxismus im 19. und 20. Jahrhundert haben einfach komplett die
theoretische Sprengkraft des Fetischbegriffs ignoriert und damit
auch die Marxschen Frühschriften. Es verhält sich bei Marx
grundlegend ziemlich exakt so, wie ich es mit Bezug auf die 28.
Fußnote in seinem Kapital Willi gegenüber ausführte: Die
fetischisierten Verhältnisse sind mit der materiellen Wirklichkeit
der Menschen verwachsen und daher von naturgesetzlichem Charakter.
Weil sie aber als Fetisch erkannt und potentiell verändert werden
können, sind sie auch nicht-naturgesetzlichen Charakters. Weder
das eine noch das andere, sondern sowohl als auch. Dialektik halt.
Die ganze Diskussion um den über Hegel tradierten Begriff zweiter
Natur spielt da eine entscheidende Rolle. Vgl. z. B. wieder Teddy:
"Die Hegelsche Wendung fußt auf Montesquieus Polemik gegen die
altertümlich geschichtsfremden gängigen Staatsvertragstheorien:
die staatsrechtlichen Institutionen wurden von keinem bewußten
Willensakt der Subjekte geschaffen. Geist als zweite Natur jedoch
ist die Negation des Geistes, und zwar desto gründlicher, je mehr
sein Selbstbewußtsein gegen seine Naturwüchsigkeit sich abblendet.
Das vollstreckt sich an Hegel. Sein Weltgeist ist die Ideologie
der Naturgeschichte. Weltgeist heißt sie ihm kraft ihrer Gewalt.
Herrschaft wird absolut, projiziert aufs Sein selber, das da Geist
sei. Geschichte aber, die Explikation von etwas, das sie immer
schon soll gewesen sein, erwirbt die Qualität des Geschichtslosen.
Hegel schlägt sich inmitten der Geschichte auf die Seite ihres
Unwandelbaren, der Immergleichheit, Identität des Prozesses, deren
Totalität heil sei. So unmetaphorisch ist er der
Geschichtsmythologie zu zeihen." (Adorno, Negative Dialektik, GS6,
S. 350)<br>
<br>
Liebe Grüße,<br>
<br>
Bert<br>
<br>
Am 08.09.2014 12:40, schrieb Jochen Tittel:<br>
</div>
<blockquote cite="mid:%3C540D87AE.5040909@web.de%3E" type="cite">Liebe
MitstreiterInnen
<br>
Ich hatte meine Antwort auf die Diskussionen zu Berts Äußerungen
am 27.8. schonmal abgeschickt, aber wohl die falsche Adresse
erwischt; deshalb hier nochmal der Text, ohne aufdringlich sein zu
wollen.
<br>
<br>
Lieber Bert und liebe Mitdebattierer,
<br>
ich gehöre mal wieder zu den - hoffentlich zahlreichen - stillen
Mitlesern Eurer Auseinandersetzung und ich freue mich über den
frischen Wind, den Berts Beitrag hat aufkommen lassen. Von den
vielen Aspekten, die im Zusammenhang mit dem bedingungslosen
Grundeinkommen innerhalb der BGE-Bewegung noch weiterer Klärung
bedürfen, hat Bert die meisten und wichtigsten angesprochen, denke
ich. Bevor ich auf einige dieser Aspekte eingehe will ich aber
zunächst (wieder) etwas zur Form der Debatte sagen.
<br>
Wie mir scheint, ist Willi ein Heißsporn; er hat bei jeder Debatte
Kritik und Urteile und absolute Wahrheiten bereit, mit denen er
uns traktiert. Jedesmal ist meine Befürchtung, daß jetzt ein
verbales Gemetzel losgehen könnte. Aber erfreulicherweise
reagieren die Angegriffenen sehr friedlich und freundlich und das
führt in der Regel dazu, daß auch Willi erkennt, daß dieser
Austausch hier nur zu etwas positivem führt, wenn wir uns
gegenseitig zunächst mal anerkennen, so wie wir hier auftreten und
niemandem Böswilligkeit oder Dummheit unterstellen.
<br>
Ich denke, ich verstehe, woher Willis heftige Reaktionen kommen.
Aus den Orten, die er als Absender angibt, schließe ich, daß er
sich in Südamerika herumtreibt und aus seinen Äußerungen, daß er
nicht bei der reichen Oberschicht zu Besuch ist. Was die
einheimische Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten - nein: in den
letzten Jahrhunderten - an Demütigungen und Leid und Not ertragen
mußte, das macht für mich verständlich, wie es zu einer
Radikalisierung kommen kann, in der dann auch bewußt und unbewußt
Gewalt als Mittel der Veränderung eine Rolle spielt. Ich bin aber
der Meinung - natürlich nicht ich alleine - , daß Gewalt nur in
einem einzigen Fall nützlich und zu rechtfertigen ist: wenn es
darum geht andere Gewalt durch Gegengewalt zu stoppen. Für alles
andere, was darüber hinaus geht, ist Gewalt ein untaugliches
Mittel.
<br>
Ich lebe in Deutschland auf dem in mancher Hinsicht ziemlich
idyllischen Land und meine Kenntnis von den politischen
Entwicklungen in Südamerika ist sicher sehr lückenhaft, aber ich
habe den Eindruck, daß zumindest große Teile der
"Befreiungsbewegungen" (ich habe das jetzt in Anführungszeichen
gesetzt, weil es eine sehr pauschale Bezeichnung ist), die
Untauglichkeit der Gewalt für eine andere Vergesellschaftung
erkannt haben.
<br>
Das also wollte ich voranschicken, um zu sagen: ich habe
Verständnis für Willis impulsive Äußerungen.
<br>
Da ich gerade bei Südamerika bin, will ich Bert auch gleich darauf
hinweisen, daß die BGE-Debatte in Deutschland und Europa durchaus
nicht blind für die Verhältnisse im großen Rest der Welt ist. Es
gibt Überlegungen darüber, daß die Einführung eines
Grundeinkommens auf keinen Fall auf das relativ wohlhabende
Deutschland oder Europa beschränkt werden kann, daß es eher
sinnvoll wäre, damit in den ärmsten Regionen der Welt zu beginnen.
Als einen prominenten Vertreter dieser Haltung nenne ich Werner
Rätz; er ist aber nicht alleine. Welche Auswirkungen ein BGE nur
für Europa für die Migrationsbewegungen auf unserem Globus nach
sich ziehen würde, kann sich jeder ausmalen.
<br>
Zur Berechnung von BGE-Finanzierungsmodellen
<br>
Ich bin wie viele andere auch der Meinung, daß solche Modelle
keine Prognosen liefern können, wie die Wirtschaft mit einem BGE
künftig laufen wird, deshalb schenke ich diesen Modellen keine
große Aufmerksamkeit. Dennoch sind sie wohl unter den
gegenwärtigen Umständen unverzichtbar, denn solange wir in
bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften leben, ist ohne
berechnete Modelle eine politische Durchsetzung im
parlamentarischen Verfahren aussichtslos. Ich bin nicht der
Meinung, daß der Grundgedanke des BGE an die Geldform gebunden
ist, im Gegenteil läßt er sich geldlos sehr einfach erklären. Aber
solange wir uns zentral über das Geld vergesellschafteten, müssen
auch BGE-Verfechter sich die Mühe machen, über Geld nachzudenken.
Was ist eigentlich Geld? Wie entsteht es? Was kann es und was
nicht? Oder besser: Was können wir über das Geld erreichen und was
nicht? Diese Fragen treiben mich schon länger um, als die
BGE-Frage und sie scheinen mir noch sehr unterbelichtet in den
BGE-Kreisen. Da in dieser Debatte hier schon der Name Brodbeck
gefallen ist, möchte ich darauf hinweisen, daß Karl-Heinz Brodbeck
ein äußerst aufklärendes Buch mit dem Titel "Die Herrschaft des
Geldes ..." geschrieben hat, das für mein Verständnis an Bedeutung
dem Marxschen "Kapital" gleichkommt und mit dem er zentrale
Fragen, die bei Marx offen geblieben sind beantwortet.
<br>
Unter anderem kann man nach der Lektüre dieses Buches auch
verstehen, warum es mit der Abschaffung des Geldes bisher immer
gründlich schief gegangen ist. Geld ist eine unserer
Vergesellschaftungsformen (neben der Sprache u.a.) und die
Abschaffung des Geldes würde die Abschaffung unserer
Vergesellschaftung bedeuten, wenn wir nicht andere Formen finden,
welche die Aufgaben übernehmen (und besser machen), die wir bis
jetzt über das Geld lösen.
<br>
Willi ist der Meinung, daß es ganz einfach ist, wenn wir alles
lokal und vielleicht noch regional Organisieren und ich bin auch
ein Anhänger und Mittäter in dieser Sache. Aber wie Bert bin ich
auch überzeugt, daß der Zustand der Menschheit gegenwärtig nicht
einfach umgestellt werden kann. Wenn wir nicht mit den gleichen
totalitären Wahnvorstellungen wie die großen Diktatoren des
letzten Jahrhunderts über Leichen gehen wollen, müssen wir uns
überlegen, wie eine Umkehr menschlich machbar ist. Ob und wie dann
die Menschen in der Zukunft ihre Existenz lokal, regional oder
auch global (wahrscheinlich auf allen drei Ebenen) organisieren,
darüber müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen; das ist nicht
unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist, einen verträglichen Übergang
in eine gerechtere und friedlichere Form der Vergesellschaftung zu
ermöglichen.
<br>
Untrennbar mit dem Verständnis des Geldes ist der Wertbegriff. Was
Bert dazu schreibt kann ich unterstützen. Zu Willis Wertbegriff
will ich nur etwas relativierendes anmerken. Der Gedanke, daß
meine Arbeitstätigkeit an der Zeit gemessen und entsprechend
vergolten wird, ist doch gebunden an die Vorstellung, daß Arbeit
nur als Mühe, als Quälerei betrachtet wird, die ich nur mache,
weil ich dazu irgendwie gezwungen bin. Unter
Herrschaftsverhältnissen ist das die Regel, deshalb scheint diese
Denkweise so selbstverständlich. Wenn ich eine Tätigkeit aber
ausführe, weil ich daran Freude habe und/oder einsehe, daß es
irgendwie wichtig und sinnvoll ist, denke ich gar nicht oder
jedenfalls viel weniger darüber nach, ob mir das jemand bezahlt
oder sonstwie mich entschädigt; weil es keinen Schaden gibt. Also
ist "Wert" in diesem Falle überflüssig, zumindest als berechenbare
Größe. Wertschätzung meiner (nützlichen) Tätigkeit durch andere
Menschen wird zwar mit dem abstrakten Wert in der Geldform in
Zusammenhang gebracht, ist aber eine ganz andere Sache.
<br>
Aus dieser Perspektive könnte Geld also in einer herrschaftsfreien
Gesellschaft schon verschwinden. Aber Geld hat eben noch andere
Funktionen in den Massengesellschaften, in denen wir leben: die
Vermittlung der Vielzahl verschiedener Bedürfnisse der Individuen
mit der Vielzahl der produktiven Fähigkeiten. In kleinen
Gemeinschaften kann diese Vermittlung durch direkte Kommunikation
erfolgen. Aber wir leben heute größtenteils nicht mehr in kleinen
Gemeinschaften und es ist auch nicht möglich, daran so schnell
etwas zu ändern (sofern das auch gewollt wäre), daß nicht
zwischendurch die meisten verhungern oder sonstwie zugrundegehen
müssten. Das Mittel zur Abwendung einer Katastrophe bei
Abschaffung des Geldes ist noch nicht gefunden. Auch Berts
geäußerter Wunsch nach einer Planwirtschaft 2.0 ist da nicht ohne
weiteres erfüllbar, denn bisher basiert jeder Wirtschaftsplan
genauso auf dem zweifelhaften Wertbegriff wie eine Geldwirtschaft
und droht daher mit unberechenbaren Risiken und Nebenwirkungen für
die es eben noch keinen Arzt oder Apotheker gibt. Trotzdem bin ich
aber auch der Meinung, daß Wirtschaften irgendwie ein planvolles
Handeln sein sollte und (mit Sicht auf die "Realsozialismen")
nicht identisch mit Kommandowirtschaft sein muß.
<br>
So, wie ich ein bedingungsloses Grundeinkommen für einen genial
einfachen Schritt in diese Richtung halte, sehe ich auch den
Gesellschen Geldreformgedanken als eine geniale Übergangslösung
an, beides sind Möglichkeiten, die uns Freiraum verschaffen
können, um dann gründlich über alles Weitere nachzudenken. Ich
weiß, daß die Vorstellungen zu einer Geldreform umstritten sind
und beobachte seit Jahren, wie durch gegenseitige Ignoranz und
Unterstellungen Fronten aufgebaut bzw. zementiert werden. Eine
vorurteilsfreie Auseinandersetzung würde manche geistige
Verkrampfung lösen können und Wege eröffnen zu freundlicheren
Entwicklungen.
<br>
Was das BGE betrifft, entscheidet sich das "für" oder "gegen"
letztlich an dem Bild, das ein Mensch von sich und von den anderen
Menschen hat. Deshalb ist für mich eine der entscheidendsten
Fragen, zu klären, woher das (nach meiner Überzeugung) falsche
Menschenbild der BGE-Gegner kommt. Für mich ist nach langem und
gründlichem (?) Nachforschen klar geworden, daß dieses
Menschenbild zusammen mit der Herrschaftsgesellschaft entstanden
ist. In meinen Augen ist das eine Fehlentwicklung (ein Bruch in
der vorherigen Entwicklung) der Menschheit, der vor ca. 7000 bis
8000 Jahren begonnen hat und seitdem ins Verderben führt.
Inzwischen ist es höchste Zeit diesen falschen Weg zu verlassen,
also zu einer Umkehr.
<br>
Deshalb lese ich solche Äußerungen wie: "Wir wollen doch nicht
zurück in die Steinzeit" immer mit gemischten Gefühlen. Das Bild,
welches wir uns von vergangenen Gesellschaften machen, ist in der
Regel verzerrt von ideologischen Absichten. Genau wie der "real
existiert habende Sozialismus" versucht auch der "real
existierende Kapitalismus" seine Existenz durch eine entsprechende
Umfärbung der Geschichte zu rechtfertigen. Sowohl vergangene wie
auch zukünftige gesellschaftliche Zustände sind nur Konstruktionen
in unserem Bewußtsein, im Grunde hat es nie eine Vergangenheit
gegeben und wird es nie eine Zukunft geben, da alles was geschieht
hier und jetzt geschieht, in der Gegenwart. Alle
Gedankenkonstruktionen über Zukünftiges und Vergangenes haben nur
Sinn als Hilfsmittel zur Gestaltung unserer Gegenwart. (Ich bin
versucht, noch anzufügen: in Ewigkeit amen.)
<br>
Vielleicht habe ich mich jetzt etwas vergaloppiert, aber ich lasse
das trotzdem stehen.
<br>
Zur Auseinandersetzung mit keynesianischen BGE-Gegnern (also
Flassbeck usw.)
<br>
Keynesianische oder neokeynesianische Literatur zur jüngsten
Wirtschaftsgeschichte kann sehr Aufschlussreich sein, was die
Mechanismen der verrückt gewordenen Finanzmärkte betrifft.
Allerdings scheint ihre Perspektive für die Zukunft (!?) einzig
darin zu bestehen die Beute (den Profit) etwas "gerechter" zu
verteilen (Vollbeschäftigung bei hohen Löhnen) und ansonsten so
weiter zu machen,wie bisher: ewiges Wachstum. Die Plünderung des
Planeten und (unausgesprochen) der "Dritten Welt" bzw. der
kapitalistischen Peripherie wird verdrängt.
<br>
Und mir scheint, daß sich bei den Keynesianern bestätigt, was ich
gerade über das Menschenbild gesagt habe: Keynesianer können sich
offensichtlich nicht vorstellen, daß Menschen menschlich
vernünftig Handeln, ohne unter Druck gesetzt zu werden. Sachzwänge
sind da immer schnell gefunden.
<br>
Ich habe mich bisschen von Berts flottem Stil anstecken lassen,
wenn diese Debatte ganz öffentlich wäre, würde ich das alles (in
den letzten Sätzen) moderater formulieren.
<br>
Keynes selbst hatte ja durchaus auch das Ende des Kapitalismus in
seinem Horizont; er erhoffte sich dieses Ende, wenn der
Kapitalismus so viel Reichtum geschaffen hat, daß "der Rentier in
einem Meer von Kapital ersäuft", also in etwa das, was Marx mit
dem tendenziellen Fall der Profitrate zu beschreiben versuchte.
Mit der Einführung seines Begriffs der Erwartungen hatte Keynes
den Schlüssel zur Erkenntnis in der Hand, daß menschliches
Wirtschaften kein mechanischer Automatismus ist, der quasi
Naturgesetzlich abläuft. Er hat diesen Schritt nicht getan, genau
so wie Marx aufgrund seiner materialistischen Überzeugung nicht
von dieser Vorstellung eines gesetzmäßigen Verlaufs der Wirtschaft
und der ganzen Geschichte loskommen konnte (und wollte). Aber
Wirtschaft wie auch menschliche Geschichte sind von Menschen
gemacht, also nicht naturgesetzlich; die neueste Hinterhältigkeit
menschlicher Kreativität im Dienste der Herrschaftsverhältnisse
ist die Erfindung des "green new deal", womit die notwendige
Reparatur der ökologischen Schäden profitabel umgelenkt wurde. Auf
diesem Wege eröffnet sich eine wahrhaft unendliche Möglichkeit der
Vollbeschäftigung. Kein Naturgesetz hilft uns aus dieser Misere
heraus; es hängt wirklich alles nur an unserer Entscheidung,
endlich damit aufzuhören.
<br>
Manfred Bartl macht einige Bemerkungen über den Zusammenhang von
BGE und Inflation. Im großen ganzen kann ich ihm beistimmen,
allerdings nicht bei der Behauptung, steigende Preise seien keine
Inflation, solange die Kaufkraft gleich schnell steigt. Das kann
sie ja nur, indem die für Konsumtion verausgabte Geldmenge im
selben Tempo steigt. Würde das wirklich gleichzeitig mit der
Preissteigerung geschehen, würden zwar die Folgen der
Preissteigerung kompensiert, aber Inflation bleibt es trotzdem.
Und in der Regel hinkt die Lohnsteigerung hinter der
Preissteigerung hinterher und folglich entstehen auf der Lohnseite
immer Verluste.
<br>
Auch den Gedanken, das BGE einfach durch Gelddrucken zu
finanzieren halte ich für keine gute Idee. Was das für
Entwicklungen auslöst sollte vielleicht mal detaillierter
ausgemalt werden, ich fürchte das ist dann nicht mehr steuerbar.
<br>
Schließlich will ich noch ein paar Worte zu der Debatte über den
Staat sagen.
<br>
Genau wie die Rolle des Geldes ist die Rolle des Staates eine
zwiespältige. Einmal ist er Herrschaftsinstrument oder
Machtinstrument der herrschenden Klasse (so haben wir es in der
DDR in der Schule gelernt und das ist nicht falsch), andererseits
erfüllt er aber eine Vielzahl von Aufgaben, die wir nicht einfach
liegenlassen können (obwohl ich durchaus auch sehe, daß es
zahlreiche Aufgaben bzw. Funktionen gibt, die erst durch die
Existenz eines Herrschaftsstaats erzeugt werden). Aus unserer
gegenwärtigen Wirklichkeit heraus können wir also "den Staat"
genauso wenig abschaffen, wie das Geld. Aber in der Gestaltung
eines anderen Staatsgebildes sind der menschlichen Kreativität
keine grenzen gesetzt; und natürlich können wir das auch anders
nennen.
<br>
Herzlichen Gruß an alle Beteiligten.
<br>
Jochen Tittel
<br>
<br>
</blockquote>
<br>
</body>
</html>