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  </head>
  <body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF">
    Hallo,<br>
    <br>
    wer auch immer für die Moderation der Mailingliste zuständig ist:
    Mich würde noch immer interessieren, wie groß x = Empfangspersonen
    der Mailingliste ist. Ansonsten weiß ich die moderierende Tätigkeit
    durchaus zu schätzen, möchte aber dennoch meinem Unmut darüber
    Ausdruck verleihen, dass mir das Verfahren nicht sehr übersichtlich
    zu sein scheint. Trotzdem: Danke für die Mühe.<br>
    <br>
    Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz zum Thema Konsumsteuer versus
    Kapitalsteuer hat mir glaube ich verständlich gemacht, woher die
    Inflationsangst der Leute um Flassbeck resultieren könnte. Ich finde
    es wahrscheinlich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest
    mittelfristig, wenn auch vielleicht nicht im Chaos der
    Einführungsphase, die Gesamtproduktivität der Gesellschaft erhöhen
    würde. Dass sich alle nur auf ihrer faulen Haut ausruhen wollen
    würden, kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht für
    Deutschland, wo das Arbeitsethos viel zu stark kulturgeschichtlich
    verankert ist. Zudem würden sich viele Menschen in der staatlichen
    Sozialverwaltung und unter Umständen auch Steuerberater nach neuer
    Arbeit umgucken müssen, die nur produktiver sein kann als alles, was
    sie heute so tun. Das ungenutzte Produktivitätspotential einer vom
    Druck zum Verkauf befreiten Ware Arbeitskraft würde ich quantitativ
    als gigantisch einschätzen. Die Gesellschaft würde von
    sozialpsychologischen Folgekosten der Drangsalierung der
    Arbeiterklasse befreit werden. Und in den unangenehmen
    Tätigkeitsfeldern ergäbe sich ein Rationalisierungs- und
    Automatisierungsdruck, der wiederum zum Produktivitätswachstum
    führen würde. Die für die Inflationsangst stark gemachten Argumente
    bei Flassbeck und Co., auch die Produktiven würden sich in die
    Hängematte legen, überzeugen mich deshalb nicht einmal im Ansatz.<br>
    <br>
    Der Beitrag von Ernst Ullrich Schultz aber lässt sich so
    interpretieren, dass es egal ist, wie man's dreht und wendet, das
    Kapital bleibt immer der Gewinner. Frei nach Jurrasic Park: Das
    Kapital findet einen Weg. Stellen wir uns mal vor, wir bekommen ein
    bedingungsloses Grundeinkommen politisch umgesetzt, das so oder so
    unmittelbar nur durch Umverteilung von oben nach unten finanziert
    werden könnte, ein von Kapitalseite finanzierter faschistischer
    Putsch unterbleibt, aber die Deutsche Bank postuliert weiterhin
    stellvertretend für alle Kapitaleigner einen Renditeanspruch von 25
    % im Jahr, der über eine entsprechende Preispolitik über alle
    Branchen hinweg durchgepeitscht wird. Inflation halt.<br>
    Aus Sicht eines parlamentarischen Souveräns, der ein bedingungsloses
    Grundeinkommen ernsthaft will, müsste das bedingungslose
    Grundeinkommen unmittelbar wieder angehoben werden, die
    Gewerkschaften müssten ebenfalls auf Lohnerhöhungen bestehen, das
    Kapital weiterhin auf seinem Renditeanspruch, die Preise würden noch
    weiter steigen etc. pp. Galoppierende Inflation. Die würde zum
    Stillstand kommen, wenn mindestens eine der drei Parteien nachgibt
    oder sich die Gesamtproduktivität der Gesellschaft derart
    entfesselt, dass alle drei Parteien das erhalten, was sie haben
    wollen. <br>
    <br>
    Ist vielleicht ein etwas simples Bild, ich bin kein Ökonom.
    Insbesondere die Spiele, die das Kapital in den Finanzsphären
    spielt, sind mir so durchsichtig nicht gerade. Grundlegend gegen
    solche Befürchtungen ließe sich einwenden, dass das Kapital nicht
    ein Subjekt ist, sondern in viele Einzelkapitalien mit durchaus
    unterschiedlichen Interessen zerfällt. Denkbar auch, dass die
    bereits heute vorhandenen Überproduktionskapazitäten das Problem
    sowieso null und nichtig erscheinen lassen, weil wir uns ja eher in
    einer deflationären Phase befinden. Auch gut möglich, dass die
    hörigkeitsgläubigen Deutschen einfach schlucken, was der Souverän
    entscheidet und sich einfach produktiv in die neuen
    Rahmenbedingungen fügen. Da ich persönlich keine Kapitalisten kenne,
    kann ich nicht im Ernst beurteilen, ob deren Selbstbewusstsein so
    aufgebläht ist, dass sie sich schon aus Prinzip als über dem
    Souverän stehend empfinden. Das wird von radikalen Linken zwar immer
    gemutmaßt, aber empirisch beurteilen kann ich's fürs Hier und Jetzt
    zumindest nicht.<br>
     <br>
    Vom Grundprinzip her dürfte das Gespenst einer galoppierenden
    Inflation aber vermutlich durchaus plausibel sein. Als Konsequenz
    ergibt sich daraus für Verfechter eines bedingungslosen
    Grundeinkommens m. E.:<br>
    <br>
    1. Es macht keinen Sinn, die Höhe eines bedingungslosen
    Grundeinkommens monetär zu bestimmen. Sinnvoller ist eine Bestimmung
    über repräsentative Warenkörbe, deren Preise gesetzlich am besten
    mit der Aktualisierungsgeschwindigkeit der Frankfurter Börse
    automatisch die monetäre Ausschüttungshöhe des bedingungslosen
    Grundeinkommens bestimmen. Das wäre eine Geste des Souveräns an die
    Finanzmärkte nach dem Motto: Wir meinen das schon ernst und lassen
    uns da nicht von euch verarschen.<br>
    <br>
    2. Wenn die Inflation mit der Einführung eines bedingungslosen
    Grundeinkommens tatsächlich ohnehin befürchtet werden muss, macht es
    eigentlich gar keinen Sinn, sich über eine Gegenfinanzierung des
    bedingungslosen Grundeinkommens einen großen Kopf zu machen. Warum
    dann nicht gleich dazu übergehen, das bedingungslose Grundeinkommen
    über eine Geldmengenerhöhung durch die EZB zu finanzieren? Klar,
    weil sich das in Deutschland nicht verkaufen lässt und die EZB
    formell eigenständig agiert. Aber solange die Debatten ohnehin
    theoretisch bleiben, scheint mir das zumindest eine berechtigte
    Frage zu sein. Soll heißen: Es würde mich interessieren, ob
    irgendjemand dazu etwas Profundes sagen kann.<br>
    <br>
    <br>
    In seinem anderen Beitrag schrieb Ernst Ullrich Schultz: "Vor
    einiger Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor,
    dass sich die Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf
    freiwilliger<br>
    Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war
    mehr als dürftig."<br>
    <br>
    Finde ich kein Wunder. Das ist ein privatistischer Vorschlag ohne
    jede gesellschaftliche Durchschlagskraft, der zudem voraussetzt,
    dass es unter den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens
    eine Menge Vermögensbesitzer gibt, die so einen Fond füttern können
    und wollen. Das ist eine Voraussetzung, die ich nicht sehr plausibel
    finde, eher gar nicht plausibel. Zudem entsprechen "verbindliche
    Absprachen" nicht dem Konzept der Bedingungslosigkeit.<br>
    <br>
    Ebenso ist der Vorschlag für ein bedingtes Grundeinkommen von Peter
    Baum daran zu erinnern, was die Essentials des Netzwerk
    Grundeinkommens sind:<br>
    "Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das eine politische
    Gemeinschaft bedingungslos jedem ihrer Mitglieder gewährt. Es soll <br>
    <ul>
      <li>die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe
        ermöglichen, </li>
      <li>einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie</li>
      <li>ohne Bedürftigkeitsprüfung und</li>
      <li>ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert
        werden." (vgl. <a class="moz-txt-link-freetext" href="https://www.grundeinkommen.de/die-idee">https://www.grundeinkommen.de/die-idee</a> ) <br>
      </li>
    </ul>
    Gegen die Bedürftigkeitsprüfung wird unter anderm Art. 1 GG ins Feld
    geführt: Sie ist würdelos. Und zwar so sehr, dass es heute verdeckte
    Armut in relevantem Ausmaß gibt, Leute, die eigentlich Anspruch auf
    Hartz4 hätten, aber ihn nicht geltend machen. Und Hartz4 ist schon
    kläglich. Zudem gibt's technische Gründe: unnötiger
    Verwaltungsaufwand der Sozialbürokratie für Bedarfsprüfungen. Dann
    die gesamte Kombilohnproblematik. Nicht zuletzt wäre ein
    Grundeinkommen auch eine wichtige Stütze für die vom Kapital
    zunehmend in die Zange genommene Arbeiterklasse. Substanziell
    scheint mir aber vor allem der Grundstock an materieller Gleichheit
    durch ein bedingungsloses Grundeinkommen wichtig: Alle würden sich
    als von der Gesellschaft materiell akzeptiert und gehalten fühlen
    können. Alle hätten somit auch ein ganz neues Urvertrauensverhältnis
    zur Gesellschaft. Mit einem bedingten Grundeinkommen kann man das
    vergessen.<br>
    <br>
    <br>
    Und dich, lieber Willi, möchte ich dann doch noch einmal ein wenig
    zum Nachdenken über deinen laxen Gebrauch des Parasiten-Begriffs
    bewegen. Dass ich ihn inhaltlich nicht sehr plausibel finde, hatte
    ich ja in dem Wertbestimmungs-Beitrag erläutert. Dass ich ihn aber
    auch widerlich finde, möchte ich dann doch noch einmal
    hinterherschicken und vor allem mit seinem geschichtlichen Gebrauch
    begründen, vgl. <a class="moz-txt-link-freetext" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtsvolk">http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtsvolk</a> <br>
    <br>
    Du hattest in deinem Beitrag an Pius geschrieben:<br>
    "Rollen wir doch mal die Sache anders herum auf. Wozu Abgaben?
    Wofuer brauchen wir Agaben, egal ob Lenkungsabgaben oder Steuern,
    Zoelle, Zinsen?<br>
    <br>
    Es gibt nur einen Grund und hat in unserer Geschichte immer nur
    einen Grund gegeben: Um jene zu tragen, direkt oder indirekt
    wertbestimmt, die nichts zur Schaffung von Werten beitragen. Die
    also nur ge- oder <br>
    verbrauchen. Parasiten eben."<br>
    <br>
    Das "nur" im vorletzten Satz macht nicht einmal Sinn für wirklich
    drakonische urgeschichtliche Autokraten: Wieviele antike Bauten
    ziehen heute das Interesse großer Touristenströme an, obgleich oder
    sogar weil sie ohne die blutige Herrschaft von menschenschindenden
    Despoten nie erschaffen worden wären? Rennaissance-Fürsten oder dem
    aufgeklärten Absolutismus lässt sich bei allen Schweinereien eine
    Menge Positives abgewinnen. Die Vielfalt heutiger Staatsfunktionen
    triffst du schon überhaupt nicht: Willst du sagen, dass der
    staatliche Straßenbau nur einen Verbrauch der Staatsbürokratie
    darstellt und nicht auch eine Leistung für die Allgemeinheit? Guck
    dir vielleicht mal die Entwicklung des Verhältnisses der
    Beschäftigten in den drei Sektoren an:
<a class="moz-txt-link-freetext" href="https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrerw013.html">https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Arbeitsmarkt/lrerw013.html</a><br>
    Wenn ich dich richtig verstehe, ist der übergroße Teil der
    Erwerbspersonen, nämlich die Dienstleister, deiner Meinung nach
    letztlich auch parasitär. Ganz im Ernst: Ich kann gar nicht
    verstehen, warum du dich in dieser Mailingliste tummelst. Ein
    bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch Recht auf Faulheit, also
    ein Freifahrtschein für alle möglichen Leute, die kein Bock auf
    schaffen, schaffen, schaffen haben, sondern lieber andere arbeiten
    lassen. Klar, die gibt's auch heute en masse. Aber wieso sich dafür
    einsetzen? Würde mich interessieren.<br>
    <br>
    <br>
    Naja, soviel "Kritik im Handgemenge" (MEW1, S. 381) muss dann auch
    erstmal reichen, liebe Grüße,<br>
    <br>
    Bert Grashoff<br>
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