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<p style="margin-bottom: 0cm">Zunächst einen herzlichen Gruß an
alle, die sich an dieser Debatte über die Ukraine und
Grundeinkommen
als Teil der Lösung beteiligen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Ich verfolge diese Diskussion von
Anfang an (?) und es macht mich traurig, zu sehen, daß häufig
statt
sich über Inhalte auseinanderzusetzen, Vorwürfe verteilt werden,
daß man dies oder das nicht denken oder sagen dürfte.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Zunächst will ich meine Meinung zu den
Ereignissen in der Ukraine mitteilen. Der Gedanke oder die Frage,
ob
für die Ukrainer ein BGE ein Ziel ihrer "Revolution" sein
könnte oder sollte ist sicher für jeden Grundeinkommensbefürworter
klar mit "Ja" zu beantworten. Allerdings spielt unsere
Ansicht diesbezüglich in der Ukraine keine Rolle. Was in der
Ukraine
gegenwärtig entschieden werden soll, ist nicht in erster Linie
etwas, was das ukrainische Volk will oder nicht will, sondern ob
die
Ukraine mehr vom russischen oder mehr vom Nato-Machtblock abhängig
sein wird. Natürlich wäre es schön, und ich wünsche mir dies,
wenn tatsächlich die Interessen der ukrainischen Bevölkerung den
Ausschlag geben bei der Entscheidung über die künftige Entwicklung
der Ukraine, aber große Hoffnungen habe ich da nicht. Auch solche
positiven Überraschungen, wie 1989 in der DDR oder im "arabischen
Frühling" sind, wenn man sie aus der geringen historischen
Distanz von heute betrachtet, nicht wirklich gut gelaufen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Zum Thema Zinskritik und dem immer
wieder damit verbundenen Vorwurf politisch rechts zu sein.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Ich bin in der DDR aufgewachsen und
habe den offiziellen "Marxismus" erleben müssen, was bei
mir zu der Reaktion geführt hat, daß ich, um gegen diesen
Missbrauch der Marxschen Gedanken vorgehen zu können, mich
intensiv
mit den Marxschen Schriften befaßt habe und noch befasse.<br>
Als ich dann kurz nach der "Wende"
einen Vortrag von Helmut Creutz über die Geldreformideen von
Silvio
Gesell gehört habe, war ich zwar verblüfft, wie jemand so viel
unsinniges Zeug über Marx reden kann, aber dennoch hielt ich die
Ideen Gesells für Wert, genauer betrachtet zu werden. Abgesehen
von
den Äußerungen, die auch Gesell über Marx gemacht hat (und die man
nur mit Kenntnis der historischen Zusammenhänge erklären kann)
hatte ich schon damals den Eindruck, daß sich Marx´ Ökonomiekritik
und Gesells Geldreform durchaus miteinander vertragen. Seit damals
arbeite ich daran, das genauer zu begründen und ich hoffe, daß ich
das nun bald in eine vorzeigbare Form bringen kann.<br>
Nach den üblichen Klischees bin ich
also sowohl rechts als auch links. Und in der Tat bin ich schon
von"Rechten" als Linker verdächtigt oder beschimpft
worden, wie auch von "Linken" als Rechter.<br>
Ich selber halte mich eher für einen
Linken, allerdings halte ich nichts von pauschalen Etikettierungen
und müßte erklären, was ich damit meine (was aber hier jetzt zu
weit führt).<br>
Was bedeutet es also, wenn ich in einer
Debatte jemanden sagen höre: "Du bist ein Linker" oder "Du
bist ein Rechter"? Darf ich dann, wenn ich mich zum jeweils
anderen Lager zähle, nicht mehr mit dem reden? Wohin würde das
führen? Letzten Endes, wenn man nicht miteinander redet, bleibt
nur
noch, sich gegenseitig totzuschlagen. Also werde ich, solange
jemand
noch irgendwie zugänglich für Argumente ist, mit ihm/ihr sprechen.
Und wenn ein Gespräch nicht nur dazu dienen soll, sich gegenseitig
Standpunkte vorzuhalten (das ist eigentlich gar kein Gespräch),
muß
ich mir natürlich auch die Gegenargumente anhören und sie ernst
nehmen. Der Versuch, jemanden durch
Etikettierung mit einem abwertenden Etikett zu diskreditieren, ist
in
meinen Augen eine Handlungsweise, die nur zu rechter Ideologie
passt;
deshalb handelt, wer so etwas tut, für mich "rechts",
egal, ob er/sie sich selber politisch rechts oder links sehen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Die Wissensmanufaktur (und Andreas
Popp) würde ich als bürgerlich bezeichnen; das heißt, für alle,
die sich links von einem bürgerlichen Standpunkt definieren, sind
sie rechts. Aber was heißt das schon? Darüberhinaus halte ich
Andreas Popp für einen lernfähigen Mann (und das kann man
heutzutage schon als eine Auszeichnung bewerten); manches, was er
heute sagt, hätte er vor zehn Jahren so wohl nicht gesagt; er ist
"linker" geworden (so meine Einschätzung). Ich kann also
nur empfehlen, sich mit den Inhalten der Veröffentlichungen der
Wissensmanufaktur zu befassen (auch wenn ich nicht immer damit
einverstanden bin); so oder so kann man dabei etwas lernen.</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Noch ein Nachschlag zum Thema
Zinskritik.<br>
Das Finanzsystem ist das zentrale
Instrument der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse, folglich
wäre es eigentlich nur logisch, wenn man Zinskritik (d.h.
Geldkritik) als linkes Projekt denken würde. Die absurde
Verknüpfung
der Zinskritik mit rechter Ideologie, die aus einer platten
Pauschalisierung aus geschichtlichen Ereignissen
(nationalsozialistische Zinskritik) resultiert, verhindert
wirkliche
Veränderungen am gegenwärtigen Weltfinanzsystem. Bei etwas
genauerer Betrachtung der jüngeren Geschichte kann man übrigens
feststellen, daß die nationalsozialistische Zinskritik (wie sie
ursprünglich von Gottfried Feder gedacht wurde) in der realen
Politik des NS keine Rolle mehr gespielt hat (außer als
antisemitische Propaganda). Und wenn man heute behauptet, daß
Zinskritik notwendig mit Antisemitismus verknüpft sei,
unterstellt man genau den Zusammenhang, den man nicht haben
möchte,
nämlich den zwischen Juden und Zinsnehmen. Auch hierzu kann man
sich
nur Klarheit verschaffen, wenn man sich mit der Geschichte etwas
gründlicher befaßt (empfehlen kann ich dazu "Elemente und
Ursprünge totaler Herrschaft" von Hannah Arendt, neben anderen
Schriften).</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Herzliche Grüße aus Niederbobritzsch</p>
<p style="margin-bottom: 0cm">Jochen Tittel</p>
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