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<P class=datum>04.04.2008</P></TD></TR>
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<P class=autor>Robert Zion</P>
<H1>Uns bleibt nur die Flucht nach vorne</H1></TD>
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<P><SPAN class=stichwort>ZUKUNFT DER GRüNEN<IMG height=10 alt=* hspace=10
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class=untertitel> Sieben Thesen zum Beginn einer der vielleicht
schwierigsten Phasen der Grünen in ihrer Geschichte </SPAN></P>
<P class=text><SPAN class=vorspann>Nach den Landtagswahlen in Hessen und
Niedersachsen hat sich in der Bundsrepublik auf unbestimmte Zeit ein
Fünf-Parteien-System etabliert. Schon werden die Grünen, hierin die alte
FDP beerbend, als Scharnierpartei zur Mehrheitsbeschaffung in einer
derzeit noch blockierten Republik gesehen. Die Partei wird sich dem kaum
entziehen können – und steht so vor einer strategischen und inhaltlichen
Zerreißprobe.</SPAN> <BR><BR><STRONG><EM>1. Das eigenständige Profil und
die programmatische Unterscheidbarkeit von allen anderen Parteien haben
oberste Priorität </EM>(Hier am Beispiel der Sozial- und
Arbeitspolitik):</STRONG> Auch wenn die Grünen nach wie vor ein großes
gemeinsames Wählerpotential mit der SPD aufweisen, so kann sich für die
Partei die programmatische Abhängigkeit von einer ziel- und
konzeptionslosen Sozialdemokratie als gefährlich erweisen. Die gefühlten
oder rhetorischen Linksrucke bei der SPD überdecken nur Mühsam die
Tatsache, dass sich die Sozialdemokratie noch nicht im Kopf und erstrecht
nicht im Herzen vom überkommenen industriegesellschaftlichen
Wohlfahrtsmodell samt der Mystifizierung von Lohnarbeit und
Vollbeschäftigung am ersten Arbeitsmarkt verabschiedet hat. Den Preis, den
die Sozialdemokratie für diesen Holzweg zu zahlen bereit ist, wurde im
Schröder-Blair-Papier benannt: „Teilzeitarbeit und geringfügige Arbeit
sind besser als gar keine Arbeit“. Lösen sich die Grünen nicht von diesem
Dogma und den entsprechenden Fehlsteuerungen seit der Agenda2010, droht
ihnen an der Seite der SPD die Dauerkrise. Zugleich kann dies nicht
bedeuten, sich in dieser Frage der CDU oder FDP anzunähern (Kombilöhne,
Sozialstaatsabbau). Das programmatische Potential für ein klar
unterscheidbares Profil in der Sozial- und Arbeitspolitik im Rahmen der
Globalisierung und des ökonomischen Umbruchs hin zur Wissens- und
Dienstleistungsgesellschaft schlummert bei den Grünen seit Jahrzehnten:
Die Entkoppelung von (Grund-)Einkommen und (Lohn-)Arbeit. Zur Zeit
allerdings wird es zugunsten einer vermeintlich notwendigen
„Anschlussfähigkeit“ (siehe These 4) an die anderen Parteien (noch)
unterdrückt. <BR><BR><STRONG>2. Die Grünen müssen sich innerparteilich vom
<EM>Zwei-Lager-Denken „Fundis“/„Realos“ endgültig verabschieden:
</STRONG></EM>Das einstige Unterscheidungskriterium Regierungswillen
versus Fundamentalopposition ist längst obsolet. So nennen sich die
einstigen Flügel auch heute „Linke“ und „Reformer“. Doch werden selbst in
Reformerkreisen heute linke Politikansätze vertreten und bei den Linken
reformistische Projekte. Die Wahrheit der Partei in der Nach-Fischer-Ära
ist längst eine andere. Sie besteht in der Notwendigkeit einer (erneuten)
Zusammenführung der in der Partei vertretenen Grundströmungen: Linke,
(Wert-)Konservative und (Menschen- und Bürgerrechts-)Liberale und dies
unter gänzlich neuen gesellschaftlichen Bedingungen. Hierin unterscheidet
sich die neue Aufgabe der Grünen im Grunde nicht von der alten, denn auch
die Grundsäulen der Partei – ökologisch, sozial, basisdemokratisch,
gewaltfrei – waren ein Kompromiss, der die politischen Grundströmungen in
der aufgewühlten Gründungsphase zusammengeführt hat. Dennoch wird ein
neuer Kompromiss nicht weniger schwierig vonstatten gehen als der alte,
denn die gesellschaftliche Hegemonie des Neoliberalismus (vor allem in der
Sozial-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik) und des Neokonservativismus (vor
allem in der Außenpolitik) ist auch an den Grünen nicht spurlos vorüber
gegangen. Diese beruhen aber auf ideologischen und kaum kompromissfähigen
Grundeinstellungen. Und nicht jeder Neoliberale bei den Grünen ist wie
Oswald Metzger gewillt, die Partei in Richtung Union zu verlassen, nicht
jeder Neokonservative versteht bisher die Bedeutung seiner Niederlage vom
Göttinger Sonderparteitag. Die zur Überlebensfähigkeit notwendige
Neuaufstellung, die einst mit dem Weggang der nicht kompromissfähigen
dogmatischen Ökosozialisten erfolgte, steht der Partei heute in
veränderter Form wieder bevor. Dem endgültigen Grenzen setzen nach links
muss nun ein ebensolches Grenzen setzen nach rechts folgen. Geschieht dies
nicht, droht angesichts sich abzeichnender neuer Regierungsbündnisse
(siehe These 4) die Spaltung der Partei. <BR><BR><STRONG>3. Die Grünen
brauchen <EM>neue politische Projekte</EM>, die die Strömungen in der
Partei zusammenführen und die zugleich <EM>neue Wählerschichten</EM>
erschließen: </STRONG></EM>Die Erben der alten "Fundi-/Realo-Flügel"
(siehe These 2) sind nach wie vor noch unter sich und streben in
unterschiedliche Richtungen: Während die Parteilinke sich vorsichtig der
Linkspartei annähert und Linksbündnisse anstrebt, bewegen sich die
"Reformer" in Richtung bürgerliche Mitte. Die Spaltungsgefahr ist real,
wenn wir in diesem Schema der Lagerausrichtung verharren. Andererseits
haben die Parteitage von Göttingen und Nürnberg gezeigt, dass es durchaus
an unseren Grundwerten (ökologisch - sozial - basisdemokratisch -
gewaltfrei) ausgerichtete neue politische Projekte geben kann, die die
Partei wieder zusammenführen: In der Friedens- und Außenpolitik
(Göttingen) und beim Grundeinkommen (Nürnberg) haben sich so vor allem
Linke mit Wertkonservativen (Baden-Württemberg, Antje Vollmer etc.)
verbunden und zugleich die Säule der Basisdemokratie wieder renoviert.
Auch haben wir dabei ein Modell geliefert, wie wir der neuen politischen
Konkurrenz auf der Linken erfolgreich entgegentreten können: Eine
Friedenspolitik ohne Fundamentalverweigerung, eine neue emanzipatorische
Sozialpolitik ohne Rückblicke auf die "heile Welt" des alten Sozialstaates
der siebziger Jahre. Wählerschichten also, denen eine reine Protestpartei
ohne Lösungen nicht reicht, sondern die konkrete und zeitgemäße
Alternativen verlangen, können wir hiermit ansprechen. <BR><BR><STRONG>4.
Zukünftige Regierungsbündnisse werden sich nicht mehr über Lager
definieren, sondern über <EM>gesellschaftliche und politische
Themenschwerpunkte und Projekte:</EM></STRONG> Im neuen
Fünf-Parteien-System zeichnet sich eine neue Entwicklung ab:
Regierungsbündnisse werden nicht mehr als Lager ("links", "bürgerlich")
definiert werden können, sondern als Projekte, die bestimmte Inhalte nach
vorne treiben. Die Politik einer Regierung wird nicht mehr "aus einem
Guss" sein. Dort, wo keine Kompromisse zwischen den Programmatiken möglich
sind, wird es "Stillhalteabkommen" geben, dort wo gemeinsame Projekte
definiert wurden, konkrete Politik und Reformen. Dabei wird zunehmend der
Dialog und die Sondierung der Parteien untereinander vor den Wahlen an
Bedeutung gewinnen. Zugleich werden gesellschaftliche
Entwicklungstendenzen und Bündnisse wahrscheinlich bedeutender als die
Programme der Parteien. Die Parteien selbst könnten zunehmend die Rolle
von Vermittlern und Transformatoren für solche gesellschaftlichen
Entwicklungstendenzen übernehmen. Für die Grünen kann diese Entwicklung
durchaus positiv sein, da dies im Grunde schon immer die Rolle und
Identität der Partei war. Es kann aber auch eine Gefahr bedeuten, da es
bei uns auch Kräfte gibt, die die neue Entwicklung als Aufgabe deuten,
unsere Programmatik so weit zu verflachen, bis "Anschlussfähigkeit" an
alle Parteien hergestellt ist. Die größte Gefahr in der neuen Situation
für uns ist daher der inhaltslose Machtopportunismus. <BR><BR><STRONG>5.
Die <EM>Parteibasis</EM> und die <EM>Querdenker</EM> sind keine „Gefahr“
für die Partei, sondern ihre Chance: </STRONG>Entwickeln wir kein neues
Sensorium für in der Gesellschaft schwelende Entwicklungstendenzen (siehe
These 4), werden wir kaum eine Chance haben, im neuen System als
eigenständige politische Kraft zu überleben. Dieses Sensorium ist die
Parteibasis vor Ort und in ihr diejenigen, die auch mutig
Fehlentwicklungen thematisieren und auf Grundlage ihrer Erfahrungen auch
Korrekturen einfordern. Nahezu die gesamte Gründergeneration ist eine
Generation der Individualisten und Querdenker gewesen. Die dogmatischen
Erstarrungen, unüberbrückbaren Grabenkämpfe und Opportunismen, die diese
Generation im Laufe der Jahre erfasst haben, blockieren derzeit die
Partei. Ein Generationenwechsel, der diesen Namen auch verdient, braucht
neue Leute in Verantwortung, die sich eigenständig profilieren und nicht
strömlinienförmig nach oben dienen. Politisches Profil gewinnen
PolitikerInnen aber nur dadurch, wenn sie anecken dürfen und nicht als
"Querulanten" oder "Störfaktoren" von einer von oben verordneten
Parteiräson gleich klein gehalten oder "vernichtet" werden. Dem gemäß sind
die Grünen keine Partei, die im klassischen Sinne "geführt" werden muss,
sondern ein Ideen- und Personalpool, der organisiert werden sollte.
<BR><BR><STRONG>6. Die Grünen leiden unter einer <EM>zweifachen
personellen Blockierung,</EM> die sie dringend überwinden müssen:
</STRONG>In jahrelangen, zum Teil jahrzehntelangen Flügelkämpfen mit
zuweilen tiefgehenden persönlichen Verletzungen haben sich viele unserer
derzeitigen Funktions- und MandatsträgerInnen in innerparteilich nahezu
kompromiss- und ausgleichsunfähige Positionen gebracht (erste
Blockierung). Zugleich besetzen diese die quantitativ knappen Positionen
in Vorständen und Parlamenten hartnäckig (zweite Blockierung). Die
erste Blockierung ist nur aufzulösen, wenn die zweite zuerst aufgelöst
wird. Zugleich aber lässt die "Parteielite" sehr oft Nachwuchs - wenn
überhaupt - nur zu, wenn sich dieser in die alten Schemata der
Fundi-Realo-Flügel willfährig ein- und unterordnet. So "züchten" sich
Opportunisten und Dogmatiker wieder neue Opportunisten und Dogmatiker
heran, um ihre eigene Position "da oben" halten zu können. Die Lösung kann
nur in These 5 liegen. Die dringend notwendige Rückgewinnung eines
eigenständigen Profils (siehe These 1) kann aber darüber hinaus auch nur
gelingen, wenn ein Teil des alten Führungspersonals, das mit politischen
Fehlsteuerungen in Verbindung gebracht wird (Agenda2010, Kriegseinsätze),
nach und nach abgelöst wird. Ein glaubwürdiger neuer Kurs braucht neue
Leute und nicht wieder die alten, deren Fähnchen auf Grund des neuen
Kurses jetzt nur in eine andere Richtung flattern. <BR><BR><STRONG>7. Die
Parteilinke steht vor einer neuen Herausforderung: <EM>Der Integration der
Grundströmungen:</EM></STRONG> Es zeichnet sich immer mehr ab, dass die
jahrzehntelang anhaltende neoliberale Hegemonie gebrochen ist. Die
Republik und in ihr die Parteien (mit Ausnahme der FDP) rücken, wenn zum
Teil auch nur symbolisch, nach links. Damit rückt die Grüne Linke
innerhalb des sensiblen Konstrukts der Grundströmungen in der Partei in
die Mitte der Grünen. Folglich stellt sich besonders für uns als
Parteilinke die Aufgabe, integrierend zu agieren, wenn wir die Partei
zusammen halten wollen. Damit liegt es aber gerade an uns, neue Projekte
voranzutreiben (siehe These 3) und offen Abgrenzungen gegenüber nicht
integrierbaren politischen Konzepten von rechts und links zu benennen
(siehe These 2). Die Parteilinke sollte sich dem gemäß
expliziter als Hüterin unserer vier Grundsäulen verstehen (siehe These 1).
<BR><BR>Robert Zion ist Grünen-Politiker in NRW</P></TD></TR>
<TR>
<TD> </TD>
<TD align=right> <BR><A href="mailto:redaktion@freitag.de"><IMG
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