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<H1>DIE ZEIT</H1>  <FONTS size="2">
<P class=supertitle></P>
<P class=title><FONT size=4>Nur Mut zur Zukunft</FONT></P>
<P class=subtitle>Die Grünen haben sich vom "Neoliberalismus" verabschiedet. Nun 
müssen sie neue gesellschaftspolitische Ziele formulieren - und sie mit neuen 
Köpfen verbinden. Ein Gastbeitrag </P>
<P class=byline>Von Robert Zion</P>
<P><EM>Robert Zion ist Mitglied des Kreisverbands Gelsenkirchen der Grünen. Auf 
dem Sonderparteitag in Nürnberg im September war er Anführer des Aufstands der 
Basis gegen den Antrag des Bundesvorstands zum Afghanistan-Einsatz der 
Bundeswehr. In diesem Beitrag formuliert er seine Vorstellungen zur Zukunft der 
Partei.</EM><BR></P>
<P>Heute ist Mittwoch, drei Tage nach dem Parteitag von Nürnberg, und Oswald 
Metzger ist nicht mehr bei den Grünen. Wahrscheinlich ist er inzwischen in sich 
gegangen – aber was, glaubte Reinhard Bütikofer, der das als Vorsitzender von 
ihm forderte, hätte er da anderes finden können außer den alten Parolen der 
neoliberalen Revolution von oben? <BR></P>
<P>Derweil pendelt sich das Medienecho nach dem Parteitag vom Wochenende  
langsam ein: etabliert, langweilig, ohne Esprit, kuschelig. Drei Monate zuvor, 
nach dem Afghanistan-Parteitag von Göttingen, hieß es noch: chaotisch, 
rebellisch, führungslos. Kein Mensch in der Republik hat zur Zeit in der 
Außenansicht ein einigermaßen schlüssiges Bild von den Grünen parat. Sind wir 
jetzt links, oder zumindest dahin gerückt? Oder bürgerlich, was immer dies auch 
genau sein mag? Orientierungslos gar?<BR></P>
<P>Teile der Presse schreiben: Jetzt wollen auch noch die Grünen Wohltaten 
verteilen. Was für ein Unding in einer Demokratie! Haben wir nicht jahrelang 
gehört, dass es ein Tal der Tränen geben muss, notwendige Grausamkeiten, und 
dass „wir“ alle den Gürtel enger schnallen müssten – wobei die Absender dieser 
Botschaften keineswegs mit deren Empfängern verwechselt werden durften. Viel 
mehr als diese alten Botschaften wird Oswald Metzger in sich auch nicht gefunden 
haben. <BR></P>
<P>Dieses „wir“, das waren über Jahre diejenigen, denen sich die Grünen nun 
wieder zugewendet haben: die Armen, die Arbeitslosen, die Prekären, die 
<EM>working poor</EM>, jedenfalls keinesfalls das Milieu und die Wählerschaft 
der Grünen. Die ist ja nach beinahe übereinstimmender Einschätzung der 
Parteienforschung und Demoskopie um die fünfzig, gut gebildet, saturiert, in 
Angestellten- oder Beamtenverhältnissen, bürgerlich eben. Darum stünden uns 
jetzt auch schwere Zeiten bevor. Doch die wären ohnehin gekommen.<BR></P>
<P>Wer in der „Mitte der Gesellschaft“ brav in politischer Profillosigkeit 
versinken, wer sich die hart errungene „Regierungsfähigkeit“ von den anderen 
Parteien nur noch bestätigen lassen will, der verliert seine 
Regierungswürdigkeit. Wem medial zitierfähiger Politiksprech und die einfachen, 
weil bekannten Lösungen reichen, der wird vielleicht noch ernst-, aber nicht 
mehr wahrgenommen. <BR></P>
<P>Wer keine neuen Begriffe mehr entwickelt und den Mut aufbringt, diese auch zu 
verbreiten, der kann die Veränderungen nicht mehr begreifen, der wird wohl auch 
nicht mehr begriffen. Wer nur noch einen Weg zu gehen vermag, der hinterlässt 
nichts als ausgetretene Pfade. Wer keine Politik mit Herz und Hirn mehr macht, 
sondern nur noch mit dem Hintern, weil dort, wie er denkt, ja der Geldbeutel 
seiner Wählerschaft sitzt, der schmeißt nur alles mit dem Hintern um. Wer 
glaubt, seine Wählerschaft schon seit zwanzig Jahren zu kennen, der wird auch 
keine neue mehr kennen lernen. Wer keine neuen Projekte, keine neue Sprache mehr 
zulässt, der bekommt die ältesten Nachwuchspolitiker der Welt. <BR></P>
<P>Nein, die Grünen sind noch nicht so, jedenfalls müssen sie nicht zwangsläufig 
so werden. Doch dafür müssten sich die Grünen wieder ihrer Aufgabe stellen, sich 
als Konzeptpartei bewusster aufstellen, neue Themen finden und besetzen, dicke 
Bretter bohren und um Hegemonie kämpfen, neue Bindungskräfte nach innen und nach 
außen entwickeln. <BR></P>
<P>Mit Sicherheit sind die Grünen derzeit in einer Findungsphase. Nur, wenn wir 
in einer solchen Phase nichts mehr Neues suchen, was wollen wir da finden, außer 
das Alte? Darum eröffnen im Zusammenhang betrachtet die Parteitage von Göttingen 
und Nürnberg eine riesige Chance für die Partei, die ausgetretenen Pfade zu 
verlassen und sich aus den Gefängnissen der Vergangenheit herauszuschälen. 
<BR></P>
<P>Göttingen hat das Innere der Partei nach Außen gekehrt und sichtbar gemacht: 
ihre Verfasstheit als Generationenprojekt und die Sehnsucht der jüngeren, die 
gleichen Fragen an diese Gesellschaft stellen zu dürfen, wie die 
Gründergenerationen. „Heimweh nach Zukunft“ habe ich es vor Nürnberg genannt. 
Dort hat die Parteibasis der medialen Öffentlichkeit, die diese Entwicklung nur 
als Machtfrage und Führungskrise konstruiert hat, die Gefolgschaft verweigert 
und sich als Konzeptpartei neu aufgestellt, ohne sich dabei 
auseinanderdividieren zu lassen. <BR></P>
<P>Denn die Partei hat das Thema Grundeinkommen nun besetzt. Jetzt liegt es an 
ihr, nicht nur die sozialen, sondern auch die ökologischen und ökonomischen 
Aspekte dieses zentralen Zukunftsthemas zu durchleuchten und zu vermitteln, eine 
neue gesellschaftspolitische Zielvorstellung zu formulieren, die mit dieser 
Partei originär in Verbindung gebracht wird: der emanzipatorische Sozialstaat in 
einer wissensbasierten Ökonomie samt eines neuen Arbeitsbegriffs und damit auch 
die Abkehr vom industriegesellschaftlichen Wachstumsdogma. Der Weg dorthin kann 
über die in dieser Form beschlossene Grundsicherung führen. Einer der 
zentralsten Sätze im Beschluss lautet: „Die neoliberale Hegemonie ist 
gebrochen.“<BR></P>
<P>Ab jetzt werden zunehmend Personalfragen in den Mittelpunkt rücken. Die 
Frage, welche alten Köpfe noch frei genug sind, die neuen Ideen aufzunehmen und 
welche neuen Köpfe geeignet genug sind, diese zu vertreten, wird für die Zukunft 
der Partei entscheidend sein. Deshalb geht es jetzt auch darum, den <EM>closed 
shop</EM>, zu dem sich die Partei zu entwickeln drohte, zu öffnen und Raum zu 
schaffen – nicht nur inhaltlich, sondern auch personell.<BR><BR></P></FONTS>
<P></P>
<P align=right><STRONG>ZEIT online</STRONG></P>
<P align=right>48/2007</P></FONT></DIV></BODY></HTML>