<p><span style="font-size: 11pt; font-family: Arial;">Lieber
<span name="st">Arfst</span> <span name="st">Wagner</span>, liebe Listenteilnehmer<br>
<br>
Sie haben vollumfänglich Recht und ich stimme Ihnen, bar jeder politischen
Differenz zu.<br>
Hier geht es tatsächlich um mehr aber es ist schwer zu bewerkstelligen, auch
innerhalb der Linken eine kulturelle Öffnung (die Debatte darum unbenommen) zu
erreichen. Ein wenig schönes Beispiel ist der anhaltend destruktive Streit dazu
innerhalb der Linken bspw..<br><br>
Geht es vielleicht inzwischen für uns alle nicht auch um den 2. Marsch durch
die Institutionen? Es ist gesellschaftlich zwar erfreulicherweise ein Trend
dahin zu verzeichnen, daß immer mehr Menschen sich auch ganz bewußt dem
alltäglichen Lohnkampf entziehen (<a href="http://wirnennenesarbeit.de/" target="_blank" onclick="return top.js.OpenExtLink(window,event,this)">http://wirnennenesarbeit.de/</a>); doch gebricht
es mir an der entscheidenden Erkenntnis, ob diese Art der Entpolitisierung (laß
die doch machen...) die entscheidende Veränderungsfähigkeit einer sozialen und
ökologischen, eben kulturell sich verändernden Gesellschaft (vornehmlich
jüngerer Menschen) damit gegeben ist?!<br>
<br>
D.h. - wird ohne die in einer mit machtorientierten Rahmenbedingungen
ausgestatteten gesellschaftlichen Realität benötigte (politische)
Entscheidungs'gewalt' nicht jede noch so schöne Vision zur unerreichbaren , und
damit m.E. gefährlicherweise frustrierenden Ideologie? Und wann erst wird diese
Macht erreichbar sein? Doch erst dann, wenn neben dem 'politischen Willen' der
phasenweise fluktuierenden Mandatsträger (die wir wohl beeinflussen
sollten/müssten) auch deren politische Einflußfähigkeit gegeben wäre. Darüber
hinaus wird die Erklärung der Idee von einer Teilöffentlichkeit, etwa der
politisch interessierten, gefordert. Die Idee selbst wird kaum reichen (reicht
nicht).<br>
<br>
Wie lange 'kämpft' Götz Werner denn schon und andere mit ihm, die schon eine
verhältnismäßig gewaltige ökonomische Macht auf sich konzentrieren können? Und
dann werden sie öffentlich von wirklich blöden Journalisten und
Talk-Show-Promis verlacht. Im Netzwerk ist das alles einfach, akademisch
'abgeklärt' und philosophisch offen. Außerhalb dessen sieht es ganz anders aus.
Wenn wir glauben, daß wir den Menschen erklären könnten, was sie noch gar nicht
wissen, obwohl sie - unserer Auffassung nach - sich genau dies vorgeblich
wünschen, dann irren wir am meisten. Und untereinander haben wir in der
Mehrzahl, würde ich meinen, destruktive Auseinandersetzung und erhebliche
Toleranzdefizite.<br>
<br>
Wir setzen uns wenig mit der Kritik am GE von außen auseinander und das
inhomogene Netzwerk wird 'draußen' auf ein homogenes Anliegen reduziert, das in
diesen Rahmenbedingungen noch gar nicht ankommen kann, bzw.als parasitär
wahrgenommen wird und partiellen politischen Interessen zweifelsohne zu
widersprechen scheint (Arbeitsmarkt), weil wir die grundlegenden Definitionen
(obwohl verzweifelt versucht) nicht zu ändern schaffen. Während dessen die
Menschen regelrecht zur mechanischen Reaktion auf populistische Umtriebe erzogen
werden, üben wir uns in der dezidierten Darstellung komplexer Projekte. <br>
<br>
Das GE ist erst einmal nichts weiter, als ein Wunsch. Doch seine VertreterInnen
lassen <span style="font-style: italic;">tlw</span>. gar keine Wünsche innerhalb dieser wünschenswerten Idee zu. Nein,
im Gegenteil, <i>jede/r</i> hat <i>das </i>tragende Modell, <i>die</i> beste
Lösung, <i>den</i> originären oder<i> den</i> modernsten Ansatz. Meistens
leider nicht kombinierbar.<br>
<br>
Und dann sprechen sie (wir) über Marketing, über Namensanpassung und nennen uns
gegenseitig Begriffe, die wir kennen und untereinander tagelang eloquent
disputieren können - unter denen jedoch sich am anderen Ende keiner eine
Vorstellung machen kann. Als hätten wir hier unsere kleine politische Welt.
Haben wir nicht!<br>
Wenn wir keinen breiten Anschluß finden, dann wird die Idee aufgegriffen/kanalisiert
und verändert, reduziert und gar zum Schaden für recht viele Menschen
eingesetzt. Inzwischen schlagen die Medien Brücken, Hartz IV-Empfänger seien
per se auch GE-Befürworter. Und das GE steht noch immer als die 'verbriefte
Faulheit' auf dem Markt. <br>
<br>
Das kulturell, also aufklärerisch instrumentell zu korrigieren, weil eben bspw.
Th. Brunners "Friedrich Schiller - Die Kunst als Weg zur menschenwürdigen
Gesellschaft" oder das Denken an sich oder noch mehr als 'nur' Kunst
(Digitale Bohème etwa: Lebenskunst), also etc. nur der Anfang ist, scheint mir
angesichts einer noch immer und leider zunehmend weit verbreiteten Geldlaune
fast unmöglich.<br>
<br>
In diesem Sinne widerspricht sich die Gemeinde: Einerseits präferieren wir den
Wandel der Gesellschaft (recht tiefgründig), um andererseits nur das wieder zu
fordern, was unter dem Siegel "Gerechtigkeit" in erneut barer Münze
versinkt. Dabei kann das Kapital nicht an einer Inflation von finanzieller
Gerechtigkeit interessiert sein, weil das Alleinstellungsmerkmal Nr.1
verschwände. Vielmehr ergeben sich daraus zahlreiche Fragen, wie sie wohl
Sennett, Rifkin, Brunner u.a. bereits gestellt haben, die sich fortwährend -
nur immer alternativ formuliert - wiederholen, weniger an Sie, <span name="st">Arfst</span> <span name="st">Wagner</span>
allein gerichtet, mehr an alle ....<br>
<br>
Wie gelangt die Idee an die Menschen, außer über einseitig artikulierte
politische Mandatsträger (aller Coleur). Die Sorge, die Sie also ansprechen im
Beispiel mit dem Werftarbeiter ist evident, weil sie der Motor eines Interesses
ist, sich prinzipiell mit der Idee auseinanderzusetzen und überhaupt erst
einmal daran zu glauben, daß es eine solche Gesellschaft geben könnte, hier, in
Europa - weltumspannend. Das setzt Solidiarisierung größten Ausmasses voraus,
an der es mangelt - nach wie vor!<br>
<br>
Interessante Ansätze sind die Bemühungen von Initiativkontogemeinschaften,
Regiogeldvereinen, Projektbanken, wie man sie immer wieder häppchenweise in der
Presse oder im Netz zu lesen bekommt. Doch fördert eine
Initiativkontogemeinschaft z.B. einen Bauunternehmer mit 40 Angestellten, der
ins Schlittern geraten ist und für den das exakt die selben Konsequenzen hat,
wie für einen arbeitslosen Maler, Schriftsteller, Musiker. Hätten Soldaten und
Rüstungsbetriebsangestellte (ich rechtfertige hier nicht diese Berufsstände!)
genau den Aspruch auch, wie ihn Ärzte und Pfarrer hätten, weil wir aus unserer
Idee von der intelligenten Gesellschaft (die ein GE ja wohl benötigen müßte)
diese (Militär) streichen?<br>
<br>
Sie sehen also, <span name="st">Arfst</span> <span name="st">Wagner</span>, so sehr wir uns anstrengen, so ideal ist es
nicht. Das Bildungssystem weist - trotz der jetzt schon hoch differenzierten
freien Trägerschaften - ähnliche Defizite aus, die sich am Ein/Auskommen
fixieren ließen. Noch gibt es Schulpflicht. Doch wohin können meine Kinder nach
den durch mich zu bestimmenden Kriterien zur Schule gehen, was kann ich mir da
leisten bzw. welche Hürden stellen diese Träger auf
(finanziell/intellektuell/infrastrukturell usw.)? Selbst also wenn das
'System', der Staat, die Finanzbehörde sich jetzt für ein GE entscheiden würde,
bedeutet dies dann gleichzeitig, daß freie Träger des Bildungssystems,
Gewerbetreibende aller Art auch so rhythmisch handeln würden und die Preise
nicht 'erneuern' bzw. das Verhältnis dieser gesellschaftlichen
Leistungsinanspruchnahme sich auch ändern würde? Oder klettern diese dann auf
das neue Niveau, wie etwa nach jedem gewerkschaftlichen Tarifsieg die Preise
(früher unmerklich/ heute deutlich spürbar, früher recht vorsichtig in
einzelenen Branchen/ heute vermessen flächendeckend) auch geklettert sind?</span></p>

<span style="font-size: 11pt; font-family: Arial;">Weil wir gerade bei ‚Klettern' sind:
Ebenfalls zunehmend beobachte ich, dass sich GE-Befürworter mit entsprechender
Prominenz aus den Gegenpolen der Gesellschaft nach oben katapultieren lassen
(regelrecht auf der Grundlage einer ‚revolutionären/spektakulären' Idee und ab
einer gewissen ‚Höhe' verschwindet die Idee als Pausenclown im Machtbetrieb.
Auch das schmerzt, selbst wenn ich hier recht selten auftrete.<br>
<br>
(...)<span><br>
<br></span></span>______________________________________<br><span class="sg">-- <br>Herzliche Grüße<br>Ingo Groepler-Roeser
<br>___________________________<br><br>"You must have a system. If you don't have a system, you are a part of someone else's system." Terence McKenna<br>__________________________<br></span><br>