<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 4.0 Transitional//EN">
<HTML><HEAD>
<META http-equiv=Content-Type content="text/html; charset=iso-8859-1">
<META content="MSHTML 6.00.2900.3059" name=GENERATOR>
<STYLE></STYLE>
</HEAD>
<BODY bgColor=#ffffff><FONT face=Arial size=2>
<P><FONT color=#ff0000 size=3><STRONG>Kommentare von mir rot markiert, liebe
Grüße </STRONG></FONT></P>
<P><FONT color=#ff0000 size=3><STRONG>Kurt Sprung</STRONG></FONT></P>
<P>Original-LINK anklickbar: </FONT><B><FONT face=Arial color=#0000ff
size=2>http://www.taz.de/pt/2007/03/10/a0154.1/text </B></FONT><FONT face=Arial
size=2>Seite 1 von 2</P></FONT><B><FONT face=Arial size=5>
<P>"Und wer leert die Mülltonnen?"</P></B></FONT><FONT face=Arial>
<P>INTERVIEW HANNES KOCH</P>
<P>UND KATHARINA KOUFEN</P><B>
<P>taz: Frau Kipping, wenn es nach Ihnen ginge, bekäme jeder Bundesbürger 800
Euro pro Monat vom Staat - egal, ob er arbeitet oder nicht. Bricht bald das
Paradies aus?</P>
<P>Katja Kipping: </B>Das bedingungslose Grundeinkommen für alle ist ein
wunderbares und realistisches Projekt. Dafür lohnt es sich zu streiten. Am
Anfang sollte jeder 800 bis 1.000 Euro pro Monat bekommen, plus
Krankenversicherung und regionalisiertes Wohngeld. Und zwar ohne
Bedürftigkeitsprüfung und ohne Arbeitszwang.</P><B>
<P>Frau Nahles, soll sich die ehemalige Arbeiterpartei SPD vom protestantischen
Arbeitsethos lossagen?</P>
<P>Andrea Nahles: </B>Dieses Grundeinkommen wird es so niemals geben. Man kann
ein Sozialsystem nicht gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit der
Bevölkerung organisieren. Wer Leistungen von der Gemeinschaft erhält, muss auch
eine Gegenleistung bringen. Sonst geht die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen
verloren.</P></FONT><B><U><FONT face=Arial color=#ff0000>
<P>Kommentar (von Kurt 'Sprung)</U>: Frau Nahles ist keine Prophetin. Ob es ein
solches Grundeinkommen geben wird, kann sie nicht wissen, höchstens nicht
wünschen. "Das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung" ? Gerade weil das
jetzige Sozialsystem ungerecht ist, brauchen wir eine Alternative! Frau Nahles
stellt die Dinge auf den Kopf. Die Ungerechtigkeit unseres jetzigen
Sozialsystems besteht darin, dass Millionen von Menschen, die hart arbeiten
gerade so viel, oder nur wenig mehr haben, als andere, die arbeitslos sind. Das
ist weder die Schuld der Arbeitslosen, noch die Schuld der Arbeitenden, es ist
die Schuld von Politikern, die unserem (!) Sozialstaat die notwendigen Reformen
vorenthalten.</P></FONT><FONT face=Arial>
<P>Kipping: </B>Viele Menschen empfinden Hartz IV als Entwürdigung und
Gängelung. Sie verlangen nach etwas anderem.</P><B>
<P>Nahles: </B>Es ist für mich keine Verletzung der Würde eines Menschen, wenn
er seine Bedürftigkeit nachweisen muss, um Leistungen der Gemeinschaft zu
erhalten. Der Kerngedanke von Hartz IV war und ist richtig. Kein Mensch darf auf
alle Zeiten in die Sozialhilfe abgeschoben werden, sondern jedem muss man die
Chance auf einen Arbeitsplatz eröffnen.</P></FONT><B><U><FONT face=Arial
color=#ff0000>
<P>Kommentar</U>: Was ein Mindesteinkommen betrifft ist jeder Mensch bedürftig –
das scheint Frau Nahles nicht zu begreifen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen
schiebt Menschen nicht in Sozialhilfe ab. Im Gegenteil: Jobs, die vorher
unannehmbar waren könnten danach attraktiv sein. Das BEDINGUNGSLOSES
GRUNDEINKOMMEN stärkt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. </P>
<P></FONT><FONT face=Arial>Kipping: </B>Der Arbeitszwang bei Hartz IV hat zum
Beispiel dazu geführt, dass Hausfrauen in Stripbars vermittelt wurden und sich
dort aus lauter Angst vor drohenden Kürzungen auch gemeldet haben. Ich kenne
auch Leute, die wurden im Winter zum Unkrautjäten geschickt.</P><B>
<P>Nahles: </B>Das ist unakzeptabel. Ja, der Grundgedanke von Hartz IV ist
teilweise verschüttet. Das Fordern überwiegt, das Fördern kommt zu kurz. Vielen
Menschen wird keine realistische Perspektive auf einen neuen Arbeitsplatz
geboten. Wir arbeiten daran, das zu verbessern. Die Idee einer
bedarfsorientierten Grundsicherung bleibt aber richtig.</P><B>
<P>Kipping: </B>Nein, Hartz IV ist im Kern falsch. Dieses System wird dominiert
durch einen falschen Leistungsbegriff. Sie, Frau Nahles, Sie verstehen unter
Leistung immer nur Erwerbsarbeit. Dabei ist nicht jede Erwerbsarbeit,
beispielsweise das Abholzen des Regenwaldes, automatisch gut für die
Gesellschaft. Während andere Tätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit –
politisches Engagement oder Erziehungstätigkeit - einen sehr wichtigen Beitrag
zum Gemeinwohl leisten.</P><B>
<P>Nahles: </B>Das ist kein Grund, 40 Millionen Menschen staatliche Leistungen
zu geben, obwohl sie die gar nicht brauchen. Wer denkt an diejenigen, die im
Schweiße ihres Angesichts für wenig Geld arbeiten und trotzdem Steuern
zahlen?</P></FONT><B><U><FONT face=Arial color=#ff0000>
<P>Kommentar</U>: Denkt Frau Nahles an diese? Jetzt bestraft unser Sozialstaat
mit der ganzen Härte des Gesetzes die Klein- und Kleinstverdiener. Oder gibt’s
da Zweifel? Das gegenwärtige Sozialrecht und Steuerrecht ist unsozial und
ungerecht. Was sagt Frau Nahles dazu. (Die Ungerechtigkeit beginnt bereits mit
der Kompliziertheit)</P></FONT><FONT face=Arial>
<P>Kipping: </B>Vor Jahrhunderten war es unvorstellbar, Wege zu benutzen, ohne
Wegezoll zu zahlen. Inzwischen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass jeder
die öffentliche Infrastruktur kostenlos in Anspruch nimmt, egal ob er faul oder
ein Workaholic ist. Für mich gehört im 21. Jahrhundert eine finanzielle
Grundabsicherung für alle genauso dazu wie die freie Benutzung von
Straßen.</P><B>
<P>Was soll daran schlecht sein, Frau Nahles?</P>
<P>Nahles: </B>Die Erwerbsarbeit muss zentral bleiben für die Organisation
unseres Sozialstaates. Das Ziel der Vollbeschäftigung dürfen wir nicht
aufgeben.</P></FONT><B><U><FONT face=Arial color=#ff0000>
<P>Kommentar</U>: Genau, Frau Nahles, aber wie, was, wie lange, wieviel und
warum jemand arbeitet muss in der Verantwortung jedes Einzelnen liegen und nicht
in der Verantwortung von Behörden. Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht
Studium, lebenslanges Lernen, berufliche Fortbildung, Elternarbeit, Pflege von
Angehörigen. Das ist fundamentale Arbeit für die Gesellschaft . Es ist
überfällig, dass diese Arbeit endlich entlohnt wird. Durch das bedingungslose
Grundeinkommen braucht man für dieses Ziel nicht noch einen
Verwaltungsapparat.</P></FONT><FONT face=Arial>
<P>Kipping: </B>Auch mir ist klar, dass erzwungene Erwerbslosigkeit ein Problem
darstellt. Doch ich bin gegen eine Heilslehre, die den Menschen heute die
Teilhabe verwehrt, weil irgendwann mal die Vollbeschäftigung kommen soll. In der
DDR hieß es, nach dem real existierenden Sozialismus kommen wir zum Kommunismus.
Dann wird alles gut. Jetzt erzählt man den Leuten: Jenseits des tiefen Tals der
Massenarbeitslosigkeit erreichen wir irgendwann das Goldene Zeitalter der
Vollbeschäftigung. Es ist falsch, die Leute immer auf später zu
vertrösten.</P><B>
<P>Nahles: </B>Da haben Sie recht! Deshalb halte ich daran fest, dass jeder im
Hier und Jetzt das Recht auf einen Arbeitsplatz behält. Mit Ihrem Grundeinkommen
würden wir vielen Menschen den quasi offiziellen Status legitimierter
Arbeitslosigkeit verleihen. Die Mehrheit der Menschen will aber arbeiten und
etwas für andere tun, etwas produzieren, das Nutzen und Anerkennung bringt.
Dieses Recht auf Teilhabe aller an der Gesellschaft stellen konservative
Politiker infrage. Wenn Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus oder
dieser Drogerieunternehmer Götz Werner für das Grundeinkommen plädieren, fordern
sie in Wirklichkeit eine Exklusionsprämie. Die wollen einen neuen
Niedriglohnarbeitsmarkt schaffen. Das Grundeinkommen wäre dann so eine Art
Kombilohn, auf den die Unternehmen aus der eigenen Tasche nicht mehr viel
draufpacken müssten.</P></FONT><B><U><FONT face=Arial color=#ff0000>
<P>Kommentar</U>: "Das Grundeinkommen wäre eine Art Kombilohn.." Ja was jetzt?
Exklusionsprämie (also Prämie für den Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt) oder
Kombilohn (Prämie für den Einstieg in de Arbeitsmarkt)??</P>
<P>"Arbeitgeber müssen nicht viel draufpacken.." Warum sollten sie nicht müssen,
wer entscheidet darüber? Richtig: Arbeitnehmer und Arbeitgeber entscheiden
gemeinsam darüber. Nur durch das bedingungslose Grundeinkommen können
Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf gleicher Augenhöhe darüber verhandeln, wieviel
die Arbeit wert ist. </P></FONT><FONT face=Arial>
<P>Frau Kipping, hält das Grundeinkommen die Armen in ihren realen und mentalen
Ghettos fest, anstatt sie daraus herauszuholen?</P>
<P>Kipping: </B>Wenn Andrea Nahles mich mit Leuten wie Althaus in einen Topf
wirft, diskutiert sie gegen ein Phantom. Das Grundeinkommen, so wie es mir
vorschwebt, ist eine Demokratiepauschale. Es schließt Menschen nicht von der
Teilhabe an der Gesellschaft aus. Im Gegenteil: Es holt die Ausgeschlossenen in
die Gesellschaft zurück.</P><B>
<P>Nahles: </B>Ihre Vorstellungen in Ehren, aber die zählen am Ende nicht. In
der Realität wirkt es anders: Man zahlt den Leuten Geld, damit sie endlich vom
Arbeitsmarkt verschwinden.</P><B>
<P>Kipping: </B>Im Gegenteil. Wenn jeder 1.000 Euro im Monat sicher bekommt,
werden viele Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren, Jobs werden frei. Durch
das Grundeinkommen wird Arbeit umverteilt. Das Recht auf Arbeit darf nicht den
Zwang zur Arbeit einschließen. Die Versammlungsfreiheit bedeutet ja auch nicht,
dass man gezwungen werden kann, sich zu versammeln.</P><B>
<P>Nahles: </B>Wer würde denn in Ihrer schönen Welt den Müll entsorgen? Das ist
einer der härtesten Jobs, den wir in diesem Land haben.</P></FONT><B><U><FONT
face=Arial color=#ff0000>
<P>Kommentar</U>: Vielleicht Frau Nahles persönlich? Wahrscheinlich kein
einziges Mitglied des Bundestages. Frage: warum sollten die Menschen, die jetzt
den Müll entsorgen dies nicht auch in Zukunft tun?</P></FONT><FONT face=Arial>
<P>Kipping: </B>Manche Arbeitsplätze müssten natürlich besser bezahlt und
attraktiver werden, beispielsweise durch kürzere Arbeitszeiten.</P><B>
<P>Frau Nahles, verstehen wir Sie richtig: Mit der Drohung von Armut und
Arbeitslosigkeit hält der Staat den Druck aufrecht, damit manche Beschäftigte
die miesen Jobs machen?</P>
<P>Nahles: </B>Natürlich nicht. Aber ich kenne eine ganze Reihe von Schuftern,
die hätten Angst, wenn sie Frau Kipping hören würden. Leuten, die von
Rationalisierung bedroht sind, muss man doch etwas anbieten, wo sie sich auch
später noch einbringen können.</P><B>
<P>Kipping: </B>Ihre Logik bedeutet, dass wir, damit es genug Arbeit gibt, alle
Autos abschaffen und durch Sänften ersetzen.</P><B>
<P>Nahles: </B>Nein, ich plädiere nicht für den Rückschritt in die bäuerliche
Gesellschaft. Aber ich weiß: Ihr Grundeinkommen führt zu einem System der
Alimentierung bestimmter Schichten - ich benutze diesen Begriff bewusst. Die
Kreativen in den Großstädten wird das befriedigen. Verzeihung: Ich gehe von den
Leuten bei mir im Dorf in der Eifel aus. Die Menschen dort wollen und brauchen
einen bezahlten Job, der sie ernährt.</P><B>
<P>Kipping: </B>Allen Versprechungen zum Trotz ist es mit der bisherigen Politik
nicht gelungen, die erzwungene Erwerbslosigkeit abzubauen. Durch ein
Grundeinkommen würden die ärmeren Haushalte mehr Geld zur Verfügung haben. Dank
dieser Ankurbelung der Binnenkaufkraft könnten dann auch neue Stellen
entstehen.</P><B>
<P>Frau Kipping, warum sollten Langzeitarbeitslose, die dank des Grundeinkommens
sozial abgesichert wären, sich noch anstrengen, selbst einen Job zu finden?</P>
<P>Kipping: </B>In der Hängematte zu liegen ist auf die Dauer doch ziemlich
langweilig. Aber natürlich reicht es nicht, das Grundeinkommen einzuführen. Wir
brauchen auch ein Bildungssystem, das Menschen ermuntert, aus eigenem Antrieb
tätig zu werden und nicht nur zu lernen, weil eine Klausur bevorsteht.</P><B>
<P>Nahles: </B>Mein Vater ist Maurer. Das macht er sehr gerne. Er produziert
etwas, das er vorzeigen kann. Er fährt mit mir durch die Stadt und sagt, das
habe ich gemacht, dort habe ich gearbeitet. Das ist befriedigend für ihn. Arbeit
ist Sinn. Den gibt es auch außerhalb der Erwerbsarbeit, ja. Aber für viele
Menschen ist Arbeit, auch harte Arbeit, sehr zentral im Leben.</P>
<P>taz Nr. 8222 vom 10.3.2007, Seite 5, 282 Interview</P>
<P>HANNES KOCH / KATHARINA KOUFEN</P></FONT></BODY></HTML>