<font style="font-family: arial,helvetica,sans-serif;" size="2">Guten
Tag Herr Dilthey, guten Tag Herr E. U. Schultz, guten Tag alle
miteinander hier in der Debatte Grundeinkommen!<br /><br />Zu dem
Beispiel von Herrn Schultz:<br />falls der Pfarrer und die Haushälterin
heiraten, verrichtet die gute  Frau ggf. die gleiche Arbeit ,  dann
allerdings  als Ehefrau, wird dafür aber nicht bezahlt und so hätte ihre
Arbeit, nach der Definition von WERT, die Herr Dilthey  vor kurzem hier
anführte, auch keinen volkswirtschaftlichen Wert, da ja nichts verkauft
worden ist.<br /><br />Aber sicher wäre die Arbeit der Frau als Ehefrau
für den Priester - oder wen auch immer sie ehelicht - genau so viel Wert
wie die Arbeit als Haushälterin. <br />Auf dieses o. gen. Beispiel läßt
sich die Definition von Wert, die ich vor kurzem hier  in die Debatte 
sendete, anwenden:<br />"Wert kann all das heißen, was unser
Verhältnis zum Sein kräftigt und bestärkt." <br />Das Verhältnis
zum Sein wird sicher gestärkt für beide (Frau und Mann), egal, ob da
Geld fließt oder nicht.  Denn durch die Kooperation und die
Arbeitsteilung  haben diese  Menschen mehr Zeit - z.B. füreinander - als
wenn sie alle Arbeit, die in einem Haushalt anfällt, allein verrichten
müßten. <br /><br />Sie, sehr geehrter Herr Dilthey, schreiben:<br />
> Möchten wir das BGE nachhaltig etablieren, müssen wir es auf
eine<br />
> wirtschaftstheoretisch und philosophisch saubere Grundlage
stellen.<br /><br />Zustimmendes Gemurmel meinerseits: Ja, aber was
meint er mit "sauber"?<br />Ich denke, Sie meinen: klare
Definitionen von Begriffen. Also eine klar definierte Begrifflichkeit,
wobei "klar" soviel wie "unmissverständlich" heißen
soll. <br />Ich sehe aber nicht, dass es Bedarf an der Definition von
"Arbeit" und "Einkommen" gibt. Schauen wir doch
einfach ins Lexikon, z.B. den Duden oder andere Lexika und argumentieren
mit den dort genannten Definitionen.<br /><br />Ein sozusagen
philologischer Streit über Begriffsdefinitionen oder Etymologie würde
uns m. E. nicht viel bringen in der Auslotung des
gesamtgesellschaftlichen Problems "Grundeinkommen". <br />Denn
unsere Mitbürger wissen schließlich ziemlich genau, was sie unter
Arbeit, und was sie unter Einkommen verstehen. Dass das eine mit dem
anderen zu tun hat, ist eine Lebenserfahrung, die Millionen machen,
deshalb aber nicht dazu neigen, diese Begriffe zu verwischen. Ein
Traum<br />dieser unseer Gesellschaft ist es doch, hohes Einkommen ohne
Arbeit zu haben - Die Teilnahme von Millionen an der wöchentlichen
Lottoziehung, die ja eben für die Mitspieler dieses Ziel verfolgt,
beweist es.<br /><br />Mir sind auch die eher solipsistischen
(selbstbezogenen) Aspekte  fortgeschrittener  Philologie  bekannt, -
doch führen sie uns eher auf Nebenwege in dieser Debatte. <br />-<br
/>Ich stimme allerdings beiden Diskutanten zu in ihren Analysen: Herr
Schultz schrieb von der "fehlerhaften Abbildung der Wirklichkeit
durch Statistiken", Herr Dilthey schrieb von der besagten
"wirtschaftstheoretisch und philosophischen Grundlage" , auf
die das Grundeinkommen zu stellen sei.<br /><br />Statistiken bilden
sicherlich die Wirklichkeit ungenau ab; ansonsten wäre ein richterliche 
Prüfung von Anschuldigungen gar nicht  Rechtspraxis geworden, denn man
könnte immer mit einem "Statistikwert" argumentieren, um
jemanden einfach zum Verbrecher zu stempeln.  <br />Z. B. so: "Der
Urgroßvater war schon Verbrecher, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm -
da ist es wahrscheinlich, dass auch der Nachkomme da ein Verbrecher 
ist." oder: "Seine Gene zeigen eine erhöhte Anfälligkeit für
kriminelle Energie." oder "Die Juden sind ein böses Volk"
und so weiter und so fort. Das wäre allerdings falsch, weil es sich um
nichts als Vorurteile handelt. <br /><br />Die philosophische Grundlage,
auf der das Grundeinkommen  stehen sollte, ist meines Erachtens  der
Respekt vor jedem Menschen; die Achtung seiner  Menschenwürde und seiner
Menschenrechte.  <br /><br />Ich will hier nicht klugscheißerisch sein,
aber es ist mir wichtig, hier auf die Übersetzung des Wortes Philosophie
hinzuweisen: Liebe zur Weisheit.<br />Neulich fragte mich jemand, was
Weisheit eigentlich sei. Ich antwortete:<br />Lebensbejahung - trotz
erlittener Übel.<br /><br />Aber selbstverständlich berührt die Frage
des Grundeinkommens auch wuchtige Begriffe wie Gerechtigkeit, Sozialer
Frieden,  Hoffnung, Chancengleichheit - und sie wirft weitere Fragen
auf: nach der Natur des Menschen; nach seiner Zivilisierung in Zeiten
des Terrors (auch ökonomischer Art), seiner Sozialisation, seinen Werten
- kurz: seiner Menschlichkeit. Und nach den Bedingungen, unter denen
Mitmenschlichkeit überhaupt erst möglich wird. Eine der Bedingungen, die
zu erfüllen wären, um die Mitmenschlichkeit zu fördern, wäre ein
bedarfsgerechtes  Grundeinkommen. Denn das würde den Menschen die
sozialen  Ängste vielleicht nicht völlig nehmen, aber ihnen doch große
Sicherheit in der Lebensplanung geben. Menschen , die keine Angst vor
Armut und Isolation  haben müssen, weil sie ein Grundeinkommen haben,
das ihnen niemand  nimmt, würden entspannter leben können. Entspannung
fördert bekanntlich das Wohlbefinden von Lebewesen.<br /><br />Die
wirtschaftstheoretische Grundlage eines Grundeinkommens muss sich
allerdings verzahnen, bzw. unterordnen den anthropologischen  und
seelisch - psychischen Verhältnissen der Menschen. D. H. die
Wirtschaftstheorie hat sich den Menschen anzupassen, und nicht die
Menschen der Theorie. Wir haben auch genug Menschenopfer wegen falscher
Wirtschaftstheorien zu beklagen; wie wäre es denn mal anders herum? Wir
stellen den Menschen plus Familie und seine Bedürfnisse - in aller
Komplexität ! - in den Mittelpunkt der Neuorganisation von
Gesellschaft.   <br /><br />Ausserdem gibt es bereits
Volkswirtschaftler, die ausgearbeitete GANZHEITLICHE Konzepte -
inclusive Grundeinkommen - zu einer Neugestaltung des Steuerwesens
vorlegten;<br />denn aus Steuern muss das Grundeinkomen finanziert
werden, da es eine Gemeinschaftsaufgabe ist - die man auf meiner
Internetseite nachlesen kann.    <br /><br />Mit freundlichem Gruss!<br
/><br />Klaus Jäger<br />www.cluster1.eu<br />  
-----Original Message-----<br />
> Date: Sun, 10 Sep 2006 18:52:27 +0200<br />
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Pfarrer und Haushälterin<br
/>
> From: Matthias Dilthey <info@psgd.info><br />
> To: debatte-grundeinkommen@listen.grundeinkommen.de<br />
<br />
> Geehrter Ernst Ullrich Schultz, geehrte Liste,<br />
> <br />
> Herr Schultz hat an einem Beispiel treffend die Widersprüche
unserer<br />
> heutigen Werte- und Arbeitsphilosophie geschildert.<br />
> <br />
> Bisher konnten wir mit diesen Widersprüchen recht gut leben,
fanden<br />
> immer oberflächige Kaschierungsmöglichkeiten.<br />
> <br />
> <br />
> Spätestens mit dem verstärkten Auftreten des BGE-Gedankens und
dem<br />
> radikalen Umbruch in den Produktionstechnologien treten diese<br />
> Widersprüche offener zu Tage.<br />
> Genau diese Widersprüche machen sich BGE-Gegner zu eigen, werfen<br
/>
> subjektive und objektive Begriffe nach Gefälligkeit
durcheinander.<br />
> <br />
> In seinem Beispiel führt Schultz die Diskrepanzen auf eine<br />
> "fehlerhafte Abbildung der Wirklichkeit durch
Statistiken" zurück.<br />
> <br />
> Das ist m.E. zu kurz gedacht. Der Fehler liegt an einer
mangelnden<br />
> philosophisch und wirtschaftstheoretisch sauberen Definition der<br
/>
> Begriffe "Wert" und "Arbeit".<br />
> Dies bestätigt auch Schultz, denn er mahnt zum Schluß seines<br />
> Schreibens eine begriffliche Trennung zwischen "Arbeit und
Einkommen"<br />
> an.<br />
> <br />
> <br />
> Möchten wir das BGE nachhaltig etablieren, müssen wir es auf
eine<br />
> wirtschaftstheoretisch und philosophisch saubere Grundlage
stellen.<br />
> <br />
> Nur das kann Prof. Götz Werner meinen, wenn er von
"Paradigmenwechsel"<br />
> spricht.<br />
> <br />
> <br />
> Man möge mir verzeihen, wenn ich abschließend (entfernte)<br />
> Verwandschaft zitiere:<br />
> <br />
> "Die Weltanschauungen sind nicht Erzeugnisse des Denkens.
(...) Aus<br />
> dem Lebensverhalten, der Lebenserfahrung, der Struktur unserer<br
/>
> psychischen Totalität gehen sie hervor." (Wilhelm Dilthey,
Philosoph<br />
> 1833-1911) <br />
> <br />
> Matthias Dilthey<br />
> <br />
> <br />
> <br />
> <br />
> <br />
> <br />
> Am Sonntag, 10. September 2006 00:01 schrieb Ernst Ullrich Schultz:
<br />
> > Liebe MitstreiterInnen,<br />
> > <br />
> > in den Streit, ob Arbeit als solches schon einen<br />
> > volkswirtschaftlichen Wert darstellt, wie er zwischen Klaus
Jäger<br />
> > und Mathias Dilthey entbrannt ist, will ich mich nicht
weiter<br />
> > einmischen. Die Frage ist für mich in sofern interessant, weil
sie<br />
> > mir aufzeigt, was Wirklichkeit und was Statistik ist. Es gibt
da ein<br />
> > schönes Beispiel, nämlich das Verhältnis zwischen einem
Pfarrer und<br />
> > seiner Haushälterin. Solange sie bei ihm als Angestellte
arbeitet,<br />
> > ist ihr "Verhältnis" für das Bruttosozialprodukt
positiv, sie hat<br />
> > ein Einkommen, versteuert es u.s.w. Kommen nun beide auf die
Idee<br />
> > ihr "Verhältnis"  durch Heirat zu legalisieren,
verändert sich die<br />
> > Statistik, das BSP sinkt ein wenig, des weiteren hat dieser
Vorgang<br />
> > auch negative Auswirkungen auf das Steuer- und Sozialsystem,
die<br />
> > Renten- und Krankenkassenbeiträge und die Steuereinnahmen
sinken.<br />
> > Nach dem Begriff der klassischen VWL ist also das Zölibat eine
feine<br />
> > Sache!<br />
> > Aber im Ernst, was passiert da eigentlich in der Wirklichkeit?
Die<br />
> > gute Frau wird möglicherweise absolut die gleiche Arbeit
verrichten,<br />
> > der Pfarrer weiter Predigten vortragen (möglicherweise noch<br
/>
> > freundlicher) und sein Einkommen wird er erhalten wie bisher.
Das<br />
> > bedeutet doch, Arbeit und Erwerbsarbeit können genau gleich
sein,<br />
> > und trotzdem findet eine völlig unterschiedliche<br />
> > volkswirtschaftliche Bewertung statt. Und da ist der Punkt, wo
neu<br />
> > gedacht werden muss, nämlich in Richtung Grundeinkommen, weil
immer<br />
> > mehr Arbeitsplätze wegfallen.<br />
> > Und das immer noch so falsch gedacht wird, ersieht man aus
den<br />
> > neuesten Vorschlägen des Sachverständigenrates, der neben
der<br />
> > 30%tigen Absenkung von HartzIV, Zuverdienstmöglichkeiten
als<br />
> > "Arbeitsanreize", sowie Kombilohnmodelle vorsehen.
Also, um in<br />
> > meinem Beispiel zu bleiben, der Pfarrer soll sich noch eine
Mamsell<br />
> > zulegen, für die er dann Zuschüsse bekommt.<br />
> > Man muss sich immer wieder klar werden, dass Arbeit und
Einkommen<br />
> > zwei verschiedene Dinge sind, schon die krassen<br />
> > Einkommensunterschiede machen uns das deutlich. Leistet ein<br
/>
> > Vorstandsvorsitzender einer Bank etwa 1000x mehr Arbeit als
eine<br />
> > Reinigungskraft?<br />
> > <br />
> > Freundliche Grüße,<br />
> > Ernst Ullrich Schultz<br />
> > <br />
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